Pamela, oder die belohnte Tugend. Samuel Richardson

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Pamela, oder die belohnte Tugend - Samuel Richardson


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Sicher wäre es aber mein Verderben, wenn ich bliebe. Bedenkt man, wie er mich bedrängt und bedroht und wie er sich selbst mit einem bösen Schänder verglichen hat, und wie höhnisch er davon sprach, dass wir einen guten Stoff für einen Roman abgeben würden; kann ich denn unter solchen Umständen hier noch sicher sein? Hat er nicht zwei Mal all seine Würde vergessen? Ich muss mich nun gegen ein drittes Mal wappnen, da ich seiner Falle sonst vielleicht nicht entkomme, denn er hat, denke ich, nicht erwartet, dass eine Dienerin ihrem Herrn so beharrlich widersteht. Und erschiene es nicht wie eine Rechtfertigung seines Verhaltens, wenn ich danach noch bliebe? Denn, so meine ich, wenn eine von unserem Geschlecht von einem Mann angegangen wird, dann ermutigt es ihn zu weiteren Versuchen, wenn die Frau nichts unternimmt, um ihn abzuhalten. Es erscheint ihm dann, als würde ihm eine Tat vergeben, die keine Vergebung verdient. Viele schändliche Taten werden so angespornt, da könnt Ihr sicher sein."

      Sie umarmte mich.

      "Das ist sicher wahr! Woher, mein hübsches Kind, hast Du in so jungen Jahren dein Wissen und deine Gedanken? Du bist ein Wunder für dein Alter, und ich werde Dich immer lieben. Doch seid Ihr wirklich entschlossen, Pamela, uns zu verlassen?"

      "Ja, liebe Mrs. Jervis. Was kann ich, so wie die Dinge stehen, denn anderes tun? Ich werde aber vorher meine Pflichten hier erledigen, und hoffe, Ihr schreibt mir ein Zeugnis für meine Rechtschaffenheit, damit niemand denkt, ich sei wegen eines Frevels entlassen worden."

      "Ja, das mache ich", sagte sie. "Ich werde Euch ein Zeugnis schreiben, wie es sich ein Mädchen in Eurem Alter noch nie verdient hat."

      "Und ich werde Euch gewiss immer lieben und ehren als die beste Freundin nach meinen Eltern, gleich wo ich hingehe und wie es mir ergeht."

      Dann legten wir uns schlafen, und ich erwachte erst, als es Zeit zum Aufstehen war. Ich tat dies so beschwingt wie ein Vogel und machte mich freudig an meine Arbeit.

      Ich glaube jedoch, dass mein Herr fürchterlich zornig auf mich ist, denn er ging zwei oder drei Mal wortlos an mir vorüber; und gegen Abend begegnete er mir in einem Durchgang, der zum Garten führt, und sagte ein Wort, wie es ich von ihm noch nie zu jemandem, gleich ob Mann, Frau oder Kind, gehört habe. Zuerst sagte er:

      "Dieses Ding kommt mir ständig in den Weg."

      Ich antwortete, wobei ich mich so dicht wie möglich an die Seite drückte (und der Gang ist so breit, dass eine Kutsche hindurchfahren kann):

      "Ich hoffe, ich werde Euer Gnaden nicht mehr lange im Wege stehen."

      "Hol Euch der Teufel!" (das ist das heftige Wort) "Ihr kleine Hexe, meine Geduld mit Euch ist am Ende."

      Ich gestehe, dass ich bei diesen Worten zitterte. Ich merkte aber, dass er verärgert war, und machte mir nicht viel daraus, denn mein Abschied steht kurz bevor. Es kann ja, liebe Eltern, nicht verwundern, dass ein Mensch, der böse Taten tut, auch böse Worte spricht. Möge Gott mich von beidem verschonen!

      Eure gehorsamste Tochter

      Brief XIX

      Lieber Vater und liebe Mutter,

      da John die Möglichkeit hat, bei Euch vorbeizuschauen, schreibe ich nochmals und sende Euch zwei Briefe gleichzeitig. Noch kann ich nicht sagen, wann ich fortgehe und wie ich zu Euch komme, denn Mrs. Jervis hat meinem Herrn die Weste gezeigt, die ich für ihn sticke, und er sagte:

      "Sie sieht recht schön aus. Ich denke, das Mädchen bleibt am besten noch solange, bis die Weste fertig gemacht ist."

      Es hat ein geheimes Gespräch zwischen ihm und Mrs. Jervis gegeben, über das sie mir nichts sagt. Sie ist aber herzlich zu mir, und ich hege gar kein Misstrauen gegen sie, was andernfalls sehr gemein von mir wäre. Sie muss aber Gehorsam zeigen und alle seine rechtmäßigen Befehle ausführen. Andere als solche würde sie nicht ausführen, das kann ich wohl sagen, dafür ist sie zu rechtschaffen und liebt mich zu sehr. Wenn ich fort bin, muss sie aber bleiben und darf also keine Missgunst auf sich ziehen.

      Sie hat mich nochmals gebeten, nicht fortzugehen und Demut zu zeigen.

      "Was habe ich denn getan, Mrs. Jervis?", sagte ich. "Wenn ich frech und unverschämt war, wie er es nennt, hatte ich dann keinen Grund dafür? Denkt Ihr, ich hätte mich jemals vergessen, wenn er nicht vergessen hätte, was sich für einen Herrn gehört? Redet offen mit mir, Mrs. Jervis, wenn Ihr glaubt, ich könne in Sicherheit hier weilen. Was würdet Ihr dann denken und wie würdet Ihr Euch an meiner Stelle verhalten?"

      "Liebe Pamela." Sie küsste mich. "Ich weiß nicht, was ich denken und wie ich mich verhalten würde. Ich hoffe, ich würde so handeln wie Ihr. Aber ich kenne sonst keine, die das täte. Mein Herr ist ein gutaussehender Edelmann, er hat viel Witz und Verstand und genießt, soviel ich weiß, die Bewunderung von einem halben Dutzend Damen, die sich glücklich schätzen würden, wenn er ihnen den Hof machte. Er hat ein vornehmes Anwesen. Und doch glaube ich, dass er mein gutes Mädchen, obgleich sie seine Dienerin ist, mehr liebt als all die Damen auf dem Land. Er hat versucht, über seine Liebe hinwegzukommen, weil sie so sehr unter seinem Stand steht, aber, so finde ich, es gelingt ihm nicht, und das ärgert sein stolzes Herz dermaßen, dass er beschlossen hat, Euch fortzuschicken. Und deshalb spricht er so missgelaunt zu Euch, wenn Ihr ihm zufällig begegnet."

      "Das mag sein, Mrs. Jervis", sagte ich. "Ich habe aber diese Frage: Wenn er sich dazu erniedrigen kann, ein armes Mädchen wie mich zu lieben, was ja auch stimmen mag (denn ich habe über Sachen gelesen, die fast ebenso wundersam sind, über vornehme Herren, die arme Jungfrauen lieben), was kann er damit bezwecken? Er könnte sich vielleicht dazu herablassen, mich für gut genug zu befinden, seine Gespielin zu sein. In diesem Fall wahren Männer ihre Ehre, Frauen aber verlieren sie, denn so ist die Welt. Und wäre ich lasterhaft genug, dann würde er mich so lange unterhalten, bis ich ganz verderbt wäre oder er seine Vorliebe wechselt, denn selbst schlechte Menschen, so habe ich gelesen, werden des liederlichen Umgangs mit der gleichen Person bald überdrüssig, weil sie die Abwechslung auch im Laster lieben. Die arme Pamela würde dann fortgeschickt und als abscheuliche und verlassene Kreatur angesehen und von allen verachtet werden; ja, und das zu Recht, Mrs. Jervis; denn sie hat ihre Tugend nicht bewahrt und verdient also ein Leben in Schande. Aber, Mrs. Jervis, erlaubt mir Euch zu sagen, dass ich, wie ich hoffe, seine Versuchungen sogar verabscheuen und ihnen widerstehen würde, wenn er nicht nur mein Herr, sondern mein König wäre und sich immer freundlich zu mir verhielte und mich niemals fortschicken würde; es wäre sonst eine Sünde. Das haben mich meine armen geliebten Eltern immer gelehrt; und ich wäre in der Tat eine traurige und schändliche Kreatur, würde ich des Reichtums oder der Gunst wegen meine Tugend drangeben, ja, und ich wäre auch noch die schlimmste von meinem Geschlecht; denn ich kann mit Freude in meine Armut zurückkehren und sehe es als ein geringeres Unglück, in Lumpen zu gehen und von Roggenbrot und Wasser zu leben, wie ich gewohnt war, als dem vornehmsten Mann der Welt als Gespielin zu dienen."

      Mrs. Jervis hob ihre Hände und sagte unter Tränen:

      "Gott segne Euch, meine Liebe! Ich bin begeistert und entzückt von Euch. Wie kann ich mich jemals von Euch trennen!"

      "Liebe Mrs. Jervis, so frage ich Euch jetzt: Ihr hattet mit ihm ein Gespräch, und es ist Euch vielleicht nicht erlaubt, mir davon zu berichten. Denkt Ihr aber, dass er seine Taten bedauerte und sich auch deren schämte, wenn ich darum bäte, hier bleiben zu dürfen? Denn gewiss sollte er dies tun, in Anbetracht seines hohen und meines niederen Rangs. Und weil meine Tugend das einzige in der Welt ist, das für mich einen Wert hat: Glaubt Ihr nach Eurem Gewissen (bitte antwortet mir aufrichtig), dass er mich nie wieder in irgendeiner Weise bedrängen würde und dass ich hier sicher wäre?"

      "Ach! liebes Kind, stellt mir mit Eurem schönen ernsten Blick nicht solch unangenehme Fragen. Ich weiß nur, dass er sich ärgert über das, was er getan hat, sowohl beim ersten Mal als auch, noch mehr, beim zweiten Mal."

      "Ja", sagte ich, "und so wird er sich vermutlich auch beim dritten und beim vierten Mal ärgern, bis Euer armes Mädchen gänzlich verderbt ist. Wer wird dann Grund haben, sich zu ärgern?"

      "Nein, Pamela, glaubt nicht, dass ich um irgendetwas in der Welt zu Eurem Ruin beitragen würde. Alles, was ich sagen kann, ist, dass er Euch noch kein Leid zugefügt hat. Dass er Euch liebt, ist


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