Pamela, oder die belohnte Tugend. Samuel Richardson

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Pamela, oder die belohnte Tugend - Samuel Richardson


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auch Briefe an ihren Vater und ihre Mutter und, soviel ich weiß, an andere geschrieben (denn ich stelle fest, dass ihr Briefverkehr sehr umfangreich ist!), in welchem sie sich selbst als einen Engel des Lichts präsentiert und ihren gütigen Herrn und Wohltäter als leibhaftigen Teufel."

      (Ach, dachte ich, wie die Menschen sich manchmal beim rechten Namen nennen!)

      "Und von alldem habe ich genug", fügte er hinzu. "So habe ich beschlossen, sie in das Elend und die Armut zurückzuschicken, aus der sie gekommen ist. Sie soll aber sehr darauf achten, wie sie über mich redet, wenn sie von hier fort ist."

      Meine Stimmung hellte sich bei diesen Worten sofort auf, und mit frohem Herzen sank ich vor ihm auf die Knie.

      "Möge der gnädige Herr allzeit für diesen Entschluss gesegnet sein! Nun bin ich glücklich. Erlaubt mir, hier auf meinen Knien mich für die Wohltaten und die Gunst zu bedanken, womit Ihr mich überhäuft habt, und für die Gelegenheiten, die Ihr und meine selige Herrin mir gabt, mich zu bilden und zu vervollkommnen. Ich werde vergessen, was Ihr mir angetragen habt, und verspreche, Euren Namen stets in Achtung und Dankbarkeit auszusprechen. Der allmächtige Gott möge Euch für immer segnen! Amen."

      Ich erhob mich und ging viel freudiger davon, als ich gekommen war, und setzte mich daran, diesen Brief zu schreiben. Nun ist also alles glücklich vorüber.

      Und so werdet Ihr, meine liebsten Eltern, Eure arme Tochter bald mit demütigem und gehorsamem Herzen zu Euch zurückkehren sehen. Seid unbekümmert, ich werde bei Euch so glücklich sein wie einst und wieder auf dem Dachboden schlafen. Bitte macht mein kleines Bett bereit. Ich habe etwas Geld, um mir einige Kleider zu kaufen, die besser zu mir passen als die, welche ich jetzt habe. Ich werde Mrs. Mumford bitten, mir Arbeit als Näherin zu verschaffen. Und habt keine Sorge, dass ich Euch zur Last falle, sofern ich gesund bleibe. Ich bin mir Gottes Segen gewiss, wenn nicht um meinetwegen, dann um Euretwegen, die Ihr in all Euren Prüfungen und Eurem Unglück Anstand bewahrt habt, so dass jedermann nur Gutes über Euch redet. Ich hoffe, dass er Mrs. Jervis ein Zeugnis für mich ausstellen lässt, da die Leute sonst, so fürchte ich, denken könnten, ich sei wegen Unredlichkeit entlassen worden.

      Und so, liebe Eltern, mögt ihr um Eurer Liebe für mich und ich um meiner Liebe für Euch gesegnet sein! Ich werde auch immer für meinen Herrn und für Mrs. Jervis beten. Also gute Nacht, denn es ist schon spät, und ich werde bald zu Bett gerufen werden.

      Ich hoffe, dass Mrs. Jervis nicht böse auf mich ist. Sie hat mich nicht zum Abendessen gerufen, auch wenn ich nichts hätte essen können, hätte sie es getan. Ich zweifle aber nicht daran, dass ich heute Nacht ruhig schlafen werde und davon träume, bei Euch zu sein und glücklich auf meinem lieben, lieben Dachboden zu weilen.

      Also nochmals gute Nacht, meine lieben Eltern, sagt

      Eure arme tugendsame Tochter

      Vielleicht komme ich in dieser Woche noch nicht, denn ich muss die Wäsche besorgen und alles, was mit meiner Arbeit zusammenhängt, geordnet hinterlassen. Sendet mir also, wenn Ihr könnt, durch John eine Nachricht, ob ich willkommen bin. Er wird auf seinem Rückweg bei Euch vorbeischauen. Sagt ihm aber noch nichts über meinen Fortgang, sonst heißt es wieder, dass ich alles ausplaudere.

      Brief XVII

      Liebste Tochter,

      wir heißen dich tausend Mal willkommen, weil du unschuldig, glücklich und tugendhaft zu uns kommst. Du bist die Stütze und der Trost unserer alten Tage. Und obgleich wir nicht so viel für dich tun können, wie wir gerne wollten, sei unbesorgt, denn wir werden glücklich miteinander leben. Mit meiner Arbeit und der Webarbeit deiner Mutter und deiner Näherei zweifle ich nicht daran, dass es uns besser gehen wird. Nur die Augen deiner armen Mutter fangen an, nachzulassen. Gott sei gelobt, dass ich so stark und tüchtig und fleißig bin als je, und, ach, mein liebes Kind!, deine Tugend hat mich, so meine ich, stärker und besser gemacht als zuvor. Welchen Segen bringen doch Prüfungen und Versuchungen, wenn wir die Kraft haben, ihnen zu widerstehen!

      Ich habe aber kein gutes Gefühl wegen dieser vier Guineen. Ich denke, du solltest sie deinem Herrn zurückgeben. Allerdings habe ich sie schon angebrochen. Es sind nur noch drei übrig, aber ich werde den vierten ausborgen, wenn es geht, teils auf meinen Lohn und teils von Mrs. Mumford, und dir die ganze Summe, wenn John wieder vorbeikommt, zukommen lassen, damit du sie zurückgeben kannst.

      Ich würde gerne wissen, wie du zu uns gelangst. Ich glaube, dass John mit Freuden bereit wäre, dich einen Teil des Wegs zu begleiten, falls nicht dein Herr es ihm aus übler Laune untersagt. Wenn wir es rechtzeitig erfahren, wird deine Mutter dir fünf Meilen entgegenkommen und ich zehn Meilen, oder bis ich dich treffe, sofern es auf einen Feiertag fällt, denn die Möglichkeit dafür habe ich nur dann.

      Wir werden dich mit noch mehr Freude empfangen als bei deiner Geburt, als das Schlimmste überstanden war, oder als wir überhaupt jemals in unserem Leben empfunden haben.

      Und Gottes Segen sei mit dir, bis die glückliche Zeit gekommen ist, sagen dir deine Mutter und ich.

      Deine dich wahrhaft liebenden Eltern

      Brief XVIII

      Lieber Vater und liebe Mutter,

      ich danke Euch tausendfach für die Güte, die aus Eurem letzten Brief spricht. Es drängt mich nun, meine restlichen Arbeiten zu erledigen, um zu meiner neuen und alten Bestimmung zurückzukehren, wie ich es nennen möchte. Ich habe mich sehr verändert, seit mein Herr mich entlassen hat. Was für eine Freude es ist, als ehrbare Tochter zu Euch zu kommen und nicht als schuldige. Meine Zeit zum Schreiben ist bald vorbei, ich will sie also nutzen und Euch berichten, was seit meinem letzten Brief geschehen ist.

      Ich wunderte mich, dass Mrs. Jervis mich nicht zum Essen gerufen hatte, und war in Sorge, sie könnte verärgert sein, und sehnte mich danach, dass sie zum Schlafen kommt, nachdem ich meinen Brief beendet hatte. Endlich kam sie herauf, verhielt sich aber scheu und zurückhaltend. Ich sagte:

      "Liebe Mrs. Jervis, ich bin erfreut, Euch zu sehen. Hoffentlich seid Ihr nicht wütend auf mich."

      Sie sagte, es täte ihr leid, dass die Dinge so gelaufen waren, und dass sie lange mit meinem Herrn gesprochen habe, nachdem ich gegangen war, und dass er gerührt zu sein schien von meinen Worten und meinem Kniefall und meinem Gebet für ihn bei meinem Weggang. Er sagte, ich sei ein seltsames Mädchen, und er wüsste nicht recht, was er von mir halten solle.

      "Ist sie gegangen?", fragte er dann. "Ich wollte ihr noch etwas sagen, aber sie benahm sich so merkwürdig, dass ich sie nicht aufzuhalten vermochte."

      Sie fragte, ob sie mich wieder rufen solle. Er sagte:

      "Ja."

      Und dann:

      "Nein, lasst sie gehen; das ist für sie und auch für mich am besten. Und sie soll, nun da ich sie entlassen habe, auch fortgehen. Ich habe keine Ahnung, woher sie diese Dinge kennt, von denen sie gesprochen hat. Nie in meinem Leben aber habe ich jemanden wie sie gekannt, gleich welchen Alters."

      Sie sagte, er hätte ihr befohlen, mir nicht alles weiterzuerzählen, sie glaube aber, dass er mich niemals wieder bedrängen würde, und dass ich bleiben könne, wenn ich ihn um diesen Gefallen bäte, obgleich sie dessen nicht sicher sei.

      "Ich bleiben, liebe Mrs. Jervis?", sagte ich. "Warum denn? Ich hätte keine bessere Nachricht bekommen können als die, dass er mich fortgehen lässt. Mich verlangt nach nichts anderem als in meine Armut und mein Elend zurückzukehren, wohin er mich, nach seinen Worten, geschickt hat. Denn die Armut wird für mich nicht halb so elend sein wie die vergangenen Monate hier, daran zweifelt nicht."

      Mrs. Jervis, die liebe gute Seele, begann wegen mir zu weinen.

      "Ach, Pamela, ich glaube nicht, dass ich Euch gegenüber so wenig Liebe zeigte, dass Ihr nun erfreut sein solltest, von mir zu gehen. Ganz gewiss habe ich nie ein Kind gehabt, das mir auch nur halb so lieb war wie ihr."

      Ich weinte ebenfalls, als ich hörte, welche Freundschaft sie für mich empfand, die sie mir auch immer gezeigt hat, und sagte:

      "Was soll ich Eurer Meinung nach tun, liebe Mrs. Jervis? Ich liebe


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