Pamela, oder die belohnte Tugend. Samuel Richardson

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Pamela, oder die belohnte Tugend - Samuel Richardson


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Gewalt antun."

      "Nach Euren Worten", sagte ich, "hat er seine erste Tat im Gartenhaus bedauert. Gut, aber wie lange währte dieses Bedauern? Nur so lange, bis er mich alleine vorfand und noch schlimmer als zuvor an mir handelte, nur um dies wieder zu bedauern. Und wenn er mich seiner Liebe würdigt, von der er, wie Ihr sagt, gar nicht loskommen kann, dann wird er die Gelegenheit nutzen, mich auch ein drittes Mal zu peinigen. Ich habe gelesen, dass viele Männer sich ihrer schändlichen Annäherungen schämen, wenn sie zurückgewiesen werden, aber keine Scham empfinden, wenn sie Erfolg haben. Abgesehen davon, Mrs. Jervis: Wenn er wirklich keine Gewalt gegen mich im Sinn hat, was würde das bedeuten? (Wobei Ihr sagt, dass er nicht umhin kann, Gefallen an mir zu finden, denn Liebe kann man das nicht nennen.) Nicht dies, dass er hofft, mich mit meinem Einverständnis zu verderben? Ich denke (und hoffe auf die Gnade, dass es mir gelingt), dass ich auf keinen Fall seinen Versuchungen nachgeben werde. Es wäre aber sehr anmaßend von mir, mich auf meine eigene Stärke zu verlassen gegenüber einem Edelmann, der über Reichtum und viele gute Eigenschaften verfügt und mir als mein Herr gebietet und sich für berechtigt hält, mich Unverschämte zu nennen und was sonst noch alles, nur weil ich mich in gebotener Weise zur Wehr setzte. Bei all dem geht es um das Heil meiner Seele und meines Körpers und um meine Pflicht gegenüber Gott und meinen Eltern. Wie, Mrs. Jervis, kann ich unter diesen Umständen bleiben wollen oder darum bitten?"

      "Nun gut", sagte sie. "Wie es scheint, wünscht er sehr, dass Ihr fortgeht. Ich hoffe, aus einem ehrbaren Grund, nämlich dass er befürchtet, Euch wie auch sich selbst zu entwürdigen."

      "Nein, nein, Mrs. Jervis, daran habe ich auch gedacht. Ich wäre ja froh, wenn ich ihn so hochschätzen könnte, wie es meine Pflicht ist. Dann aber hätte er mich zu Lady Davers gehen lassen, statt zu verhindern, dass sich meine Umstände verbessern. Und er hätte nicht gesagt, ich solle in meine Armut und mein Elend zurückkehren, aus der ich durch die Güte seiner Mutter erhoben worden war. Stattdessen wollte er mich in Schrecken versetzen und glaubte, mich dafür zu bestrafen, dass ich mich seiner Bosheit nicht fügte. Das zeigt mir zur Genüge, was ich von seiner Güte zukünftig zu erwarten hätte, es sei denn, ich verdiente sie zu dem hohen Preis, der er festsetzt."

      Sie schwieg, und ich sprach weiter:

      "Es gibt nichts weiter dazu zu sagen als: Ich muss fortgehen. Das ist sicher. Meine einzige Sorge ist, wie ich mich von Euch und, hernach, von den anderen Bediensteten trennen soll, denn sie alle haben mich geliebt. Ihr und sie alle werdet mich sicherlich manchen Seufzer und manche Träne kosten."

      Daraufhin konnte ich mich nicht zurückhalten und begann zu weinen. Es ist wohltuend, in einem Haus unter Bediensteten zu leben und von ihnen allen geliebt zu werden.

      Ich hätte Euch schon längst von Mr. Longman, unserem freundlichen und anständigen Haushofmeister, erzählen müssen, der bei allen Gelegenheiten immer sehr liebenswürdig ist. Einmal sagt er zu Mrs. Jervis, er wünsche sich, um meinetwegen, jünger zu sein, damit er mich heiraten könne, und würde mir dabei sein ganzes Vermögen überschreiben. Dazu müsst Ihr wissen, dass er als sehr reich gilt.

      Ich bin darüber nicht stolz, aber dank Gott und Eurem guten Vorbild, liebe Eltern, kann ich die Zuneigung aller Menschen erlangen. Nur unsere Köchin, die manchmal etwas bissig und mürrisch ist, sagte einmal so, dass ich es hörte:

      "Warum führt sich unsere Pamela so fein wie eine Dame auf? Was es doch ausmacht, ein schönes Gesicht zu haben! Ich frage mich, wohin das Mädchen es noch bringen wird?"

      Sie war sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, und ich ging leise weg, denn ich hielt mich nur selten in der Küche auf. Da hörte ich den Kellermeister sagen:

      "Was ist mit Euch, Jane? Ihr sprecht über alle nur schlecht. Was hat Pamela Euch getan? Sie beleidigt niemanden, da bin ich mir sicher."

      "Was habe ich denn gesagt, Ihr Dummer", antwortete sie gereizt, "außer dass sie schön ist?"

      Dann hörte ich noch, wie sie miteinander stritten. Das tat mir leid, aber ich kümmerte mich nicht weiter darum. Vergebt mir dieses törichte Geplapper.

      Eure gehorsame Tochter.

      Oh! Ich vergaß Euch mitzuteilen, dass ich hierbleibe, bis die Weste fertig gestickt ist. Noch nie habe ich etwas Schöneres gemacht. Ich arbeite von früh bis spät daran, damit ich endlich zu Euch kommen kann.

      Brief XX

      Lieber Vater und liebe Mutter,

      ich konnte meine letzten Briefe nicht so bald senden wie ich wollte, weil John (ob mein Herr ihm misstraut, weiß ich nicht) anstelle von Isaac zu Lady Davers geschickt wurde, der diesen Weg für gewöhnlich geht. Zu Isaac kann ich nicht so offen sein und ihm Vertrauen schenken, obgleich er sehr höflich zu mir ist. Ich war also gezwungen, auf Johns Rückkehr zu warten.

      Ich werde vielleicht so bald keine Gelegenheit mehr haben, einen Brief zu senden. Ihr bewahrt aber, wie ich weiß, meine Briefe auf und lest sie (wie John mir gesagt hat) nach getaner Arbeit immer wieder aufs Neue (so sehr lässt Euch Eure Güte alles lieben, was von Eurer armen Tochter kommt). Es könnte mir vielleicht auch Freude bereiten, sie wiederzulesen, wenn ich bei Euch bin, um mich an das Durchgestandene und daran, wie groß Gottes Güte mit mir war, zu erinnern (was, wie ich hoffe, meine guten Vorsätze noch verstärken wird, so dass ich nachher keinen Grund habe, mich selbst für das zu verdammen, was ich in meinen Briefen geschrieben habe). Aus all diesen Gründen werde ich auch weiterhin alles, was mir widerfährt, schriftlich festhalten, wenn ich Zeit habe, und das Gekritzel zu Euch senden, wenn die Gelegenheit dazu besteht. Und wenn ich nicht jedes Mal förmlich unterschreibe, so wie ich sollte, dann werdet Ihr sicher nicht glauben, dass ich meine Pflicht vernachlässigt hätte. Also werde ich beginnen, wo ich zuletzt endete, als ich über mein Gespräch mit Mrs. Jervis berichtete, in welchem sie mich bat, meinen Herrn um mein weiteres Bleiben zu ersuchen.

      Was Mrs. Jervis nicht weiß, ist der Plan, wie ich ihn nennen mag, den ich in die Tat umgesetzt habe. Vor einigen Tagen dachte ich bei mir selbst: Ich werde also zu meinen armen Eltern gehen und nichts am Leibe tragen, das zu meinem Stand passt; denn welchen Eindruck wird Eure arme Tochter machen mit einem seidenen Nachthemd, seidenen Unterröcken, Kopftüchern aus Batist, feinem holländischem Leinen, lackierten Schuhen, die meine Herrin trug, und schönen Strümpfen! Und wie abgetragen müssten diese Sachen in kurzer Zeit aussehen und wie lächerlich ich mit ihnen! Und die Leute würden sagen (denn arme Leute sind ebenso neidisch wie reiche): Seht die Tochter des guten Andrews, die aus ihrem feinen Haus zurückgeschickt wurde! Wie aufgedonnert sie daherkommt! Und wie gut die Kleider sich zur Armut ihrer Eltern machen!

      Und wie würden sie über mich denken, dachte ich bei mir selbst, wenn die Kleider abgewetzt und abgetragen aussehen? Und wie würde ich erscheinen, wenn ich nach und nach in schlechteren Kleidern ginge, wie ich sie gerade in die Hände bekäme? Wenn ich, zum Beispiel, ein altes Seidenkleid mit einem billigen Unterrock zusammen trüge? Also, dachte ich, täte ich besser daran, mich gleich mit Kleidern auszustatten, die zu meinem Stand passen. Und obgleich das armselig aussehen mag im Vergleich mit dem, was ich in den letzten Jahren getragen habe, wird es mir doch, wenn ich bei Euch bin, für die Festtage und Sonntage dienen und, wenn mein Fleiß den Segen erhält, mir noch lange erhalten bleiben.

      Ganz heimlich, wie ich schon sagte, kaufte ich von der Frau und den Töchtern des Pächters Nichols einen guten braunen Stoff, den sie selbst gesponnen haben. Es war genug, um mir einen Rock und zwei Unterröcke davon zu machen. Ich machte für das Kleid auch Aufschläge aus einem schönen Stück bedruckter Baumwolle, das ich noch hatte.

      Ich hatte eine gute gesteppte Jacke aus Kamelhaar, die es, denke ich, noch ausreichend tun wird. Ich habe auch zwei Unterjacken aus Flanell gekauft, die nicht so gut sind wie meine Unterjacken aus Schwanenhaut und feiner Baumwolle, mich aber warmhalten werden, wenn ich hin und wieder einem Nachbarn beim Melken helfen muss, wie es früher der Fall war. Ich bin nämlich entschlossen, Euren guten Nachbarn jeden Gefallen zu erweisen, der mir möglich ist, und hoffe, von allen in Eurer Gegend so geliebt zu werden, wie ich es hier bin.

      Ich habe einen recht guten schottischen Stoff bekommen und mir morgens und nachts, wenn niemand mich sah, daraus zwei Hemden gemacht. Es ist davon noch genug übrig für zwei Hemden für jeden von Euch, liebe


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