Populismus leicht gemacht. Ralf Grabuschnig

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Populismus leicht gemacht - Ralf Grabuschnig


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werden lernen, warum es sich niemals lohnt, für etwas aufzutreten, und warum konsequentes Dagegensein Ihr zuverlässigster Begleiter auf dem Weg zur Macht ist. Nebenbei sprechen wir bei der Gelegenheit über den besten Freund des Alleinherrschers – den guten alten Nationalismus. Ausgestattet mit diesem Wissen können wir uns zum Ende des ersten Teils dieses Handbuchs daran machen, über die konkrete Machtübernahme zu sprechen. Sie werden lernen, wie Sie Staatskrisen bauen, füttern und ausnutzen, um dorthin zu kommen, wo Sie sich selbst schon lange sehen – an die Schalthebel der Macht. Im zweiten Teil des Buchs wenden wir uns dann der Zeit danach zu und befassen uns damit, was Sie dafür tun können, Ihre hart errungene Allmacht auch zu erhalten – und zwar ohne Unterstützung aus dem ohnehin wankelmütigen Volk. Denn legitime Macht ist etwas für verweichlichte Demokraten! Und zu allem Überfluss mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor verbunden. Lernen Sie mithilfe dieses Buches stattdessen, wie Sie dank fulminanter Drohkulissen die Bevölkerung in einer permanenten Habachtstellung halten, wie Sie Ihre Partei im Inneren und die Diplomatie im Äußeren dazu nutzen, Ihre tägliche Unentbehrlichkeit zu demonstrieren, und wie Sie es mit dem Wundermittel Propaganda halten sollen. Außerdem lernen Sie alles über die Bedeutung der Wirtschaft und warum sie Ihnen am Schluss völlig egal sein kann, wie Sie mit Ihren politischen Wegbegleitern (lästig!) umgehen und was zum Teufel Sie mit den Religionsgemeinschaften (noch lästiger!) anfangen. Mit diesen Tipps und Tricks haben im Laufe der Geschichte schon die unqualifiziertesten, unfähigsten und unwahrscheinlichsten Herrscher den Aufstieg geschafft. Sind Sie bereit, in diese stolze Riege einzutreten?

      Seien Sie kreativ mit Ihrer Biografie

      Alleinherrscher zu sein ist mehr, als nur seine innersten Allmachtsfantasien auszuleben und dabei bestmöglich seine traurige Kindheit zu vergessen. Es bedeutet auch mehr, als einfach nur allein zu herrschen. Das Dasein eines Diktators ist ein in sich geschlossenes, auf Feinste austariertes Gesamtkunstwerk, das der ständigen Fürsorge bedarf, die Ihren Alltag sowohl vor als auch nach der Machtübernahme begleitet. Alles, was Sie tun und was Sie sind, ist Bestandteil wie Garant Ihrer Macht und muss entsprechend gepflegt werden. Eine Grundlage ist dabei von ganz zentraler Bedeutung: Ihre Herkunftsgeschichte, die Sie niemals mit Ihrer Herkunft verwechseln sollten. Denken Sie doch an Ihre Lieblingsdiktatoren: Hatte nicht jeder von ihnen eine heldenhafte, legendäre Geschichte zu erzählen? Eine Story über seine Herkunft und seinen Weg zum unwahrscheinlichen Aufstieg? Eine Geschichte, die dem Volk eine Erklärung dafür bieten konnte, warum genau dieser Herrscher ein besserer sein soll als jeder andere. Natürlich hatte Ihr Lieblingsdiktator diese, sonst wäre er doch nicht Ihr Lieblingsdiktator! Und was ist die logische Konsequenz? Richtig: Dass auch Sie schleunigst an Ihrer Geschichte arbeiten sollten! Ich weiß schon: Ihre Herkunft ist völlig unspektakulär, Ihre Kindheit war depressiv und extrem langweilig, Sie hatten kaum Freunde, und von den wenigen, die Sie hatten, möchten Sie heute ungern erzählen, und auch sonst ist die Geschichte Ihres Heranwachsen alles andere als abendfüllend. Aber genau das ist der Punkt. Sie brauchen eine bessere Geschichte! Die Leute benötigen einen emotionalen Schub, damit sie sich Ihnen zu Füßen werfen. So sind die Menschen nun mal. Kein Grund zur Sorge, vielmehr ein Ansporn zur Fantasie. Sie müssen jetzt nicht Ihre tiefsten inneren Unsicherheiten auspacken. Eine Geschichte zu erzählen, bedeutet nicht, mit der öden Wahrheit hausieren zu gehen. Das geht viel bunter! Sehen Sie Ihre Geschichte als eine Sage, als ein Epos an. Mit Ihnen in der Hauptrolle. Sie nehmen einige Kernpunkte Ihrer Biografie und stricken darum eine heldenhafte Erzählung, die Ihren gleichermaßen unwahrscheinlichen wie unaufhaltsamen Aufstieg begründet. Solange die Eckpunkte glaubwürdig erscheinen, werden die Leute auch die Geschichte drumherum schlucken. Zum Glück bieten uns unsere großen historischen Vorbilder eine Vielzahl lehrreicher Beispiele, wie man die eigene Vergangenheit zu einer fesselnden Heldengeschichte ausschmücken kann. Drei bewährte Methoden möchte ich Ihnen in diesem Kapitel näherbringen.

      Die Methode Hitler: Was nicht passt, ist auch nie passiert

      Die wohl einfachste Methode, Ihre fade Kindheit zur fesselnden Erzählung aufzubauschen, ist das Ausblenden all jener biografischen Belanglosigkeiten, die nicht zu Ihrer angepeilten Geschichte passen. Das Paradebeispiel für die konsequente Umsetzung dieser Methode bietet uns sogleich der wohl brutalste europäische Diktator des letzten Jahrhunderts: Adolf Hitler. Seine Biografie ist ohnehin bemerkenswert – bemerkenswert darin, wie wenig bemerkenswert sie ist. Wenn sogar der todlangweilige Adolf Hitler es schaffte, aus seiner Herkunft eine Legende zu basteln, können Sie das schon lange. Geboren ist Hitler bekanntlich 1889 im oberösterreichischen Städtchen Braunau am Inn. Ein Ort, so langweilig, wie Hitlers frühe Lebensgeschichte. Sein Vater arbeitete an der deutsch-österreichischen Grenze für das Zollamt der k. u. k.-Monarchie, die Mutter war, wie damals üblich, Hausfrau. Üblich für diese Zeit sind auch ein paar andere Merkmale der Familie Hitler. So war Hitlers Vater 23 Jahre älter als seine Mutter, und – soweit wir das sagen können – waren die beiden auch entfernt verwandt. Aber gut, die Familie stammte ursprünglich auch aus dem niederösterreichischen Waldviertel, und da sieht es Gerüchten zufolge heute noch nicht viel anders aus. Üblich waren auch die innovativen väterlichen Erziehungsmethoden im Hause Hitler, die den jungen Adolf mit regelmäßigen Prügelportionen versorgten. Einmal soll sein Vater ihn sogar bewusstlos geschlagen haben. So weit, so gewöhnlich also.

      Mit einem Umweg über Linz zog es Hitler in seinen Teenagerjahren schließlich nach Wien, wo er sich an der Kunstakademie bewarb, allerdings gleich zwei Mal durch die Aufnahmeprüfung rasselte. Er blieb die nächsten Jahre über trotzdem in der Hauptstadt und gab sich dabei auch immer wieder als Kunststudent aus. Über Wasser hielt er sich nach dem frühen Tod seiner Mutter und dem nicht ganz so frühen Tod seines Vaters (der stilecht an einem Glas Frühstückswein verendete) mit einer Waisenpension und regelmäßigen Finanzspritzen seiner Tante. Als diese Geldquelle irgendwann versiegte, sah sich der verkannte und chronisch erfolglose Hitler 1910 sogar gezwungen, in ein sogenanntes Männerheim zu ziehen, was im Prinzip nichts anderes war als ein Obdachlosenheim. In der Zeit begann er, Postkarten mit Ansichten Wiens zu malen und über einen Freund zu verkaufen. Wie viel Geld er damit verdiente, wissen wir nicht genau. Man kann sich aber vorstellen, dass er damit nicht unbedingt reich wurde. Irgendwann hatte Hitler genug. Im Jahr 1913 ließ er Wien für immer hinter sich und zog nach München. Warum er das tat, ist bis heute schwer zu sagen. Einerseits wollte er sicherlich seinem elenden Leben entkommen, wobei man sich schon fragen muss, was er als gescheiterter Künstler ohne sonstige nennenswerte Talente in München anders machen wollte. Gerüchten zufolge wollte er aber auch einfach dem Militärdienst in Österreich entkommen. Warum aber zog er dann ein Jahr später für Deutschland in den Ersten Weltkrieg – noch dazu illegal als Nichtstaatsbürger? So viel zu dem Teil von Hitlers Biografie, über den wir später nicht mehr viel hören werden.

      Nach Kriegsende 1918 ist Adolf Hitler knapp dreißig Jahre alt, und erst jetzt wird er historisch greifbar. Sein gesamtes bisheriges Leben ist uns ja nur wegen seines späteren Aufstiegs bekannt, wenn auch nur zu Teilen. Und wenn es nach Adolf Hitler selbst gegangen wäre, hätte er über diese Zeit wahrscheinlich danach nie mehr gesprochen – sein Versagen in Wien hat ihm mit Sicherheit noch lange zugesetzt und war für einen selbsterklärten Herrenmenschen nun wirklich nicht angemessen. Aber eine Legende braucht man eben, das wusste auch der zukünftige „Führer“. Deshalb begann er schon früh, über seine Kindheit zu reden, diese bei der Gelegenheit aber gründlich zu schönen. Das Ziel dabei war einfach: Niemand sollte zu viel über seine wahre Herkunft erfahren. Hitler wollte die alleinige Kontrolle darüber behalten, was er über sich verriet und was davon stimmte. Er untersagte sogar seinem Halbbruder, sich öffentlich als solcher zu bekennen, um nur nichts über sich preiszugeben. Und das funktionierte auch wunderbar! Je weniger die Menschen über Hitler wussten, desto mehr verfielen sie (und mit ihnen die Medien) in den Zwanzigerjahren in Spekulationen, die seinen Mythos weiter befeuerten. Ein weiterer Grund für die Geheimnistuerei war wahrscheinlich auch, dass Hitler die leicht inzestuösen Verwicklungen in seiner Familie verheimlichen wollte. Wohl nicht jeder im Deutschen Reich hätte diese kulturelle Eigenheit der Waldviertler geschätzt. Später kamen aufgrund dieser jahrelangen Geheimniskrämerei sogar Gerüchte auf, einige von Hitlers Vorfahren seien Juden gewesen, was mit ziemlicher Sicherheit reine Erfindung war. So schizophren war dann nicht mal er.

      Weder


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