Zehn Jahre später. Jules Verne

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Zehn Jahre später - Jules Verne


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den ihr mordet, fürchtet die Rache Gottes!« – »Leider werden gerade die guten Ratschläge von den Königen selten befolgt,« versetzte Monk mit ironischem Lächeln. »Graf, unsere Unterredung ist beendet. Ich werde Befehl erteilen, diese Fässer an den Ort zu schaffen, den Sie mir nennen wollen. Wo wohnen Sie?« – »In einem kleinen Dorfe an der Mündung des Flusses. Eine Viertelmeile von der Küste liegt auch mein Schiff.«

      »Wollen Sie sogleich absegeln?« fragte Monk. »Ich rate Ihnen, dies nicht zu tun. Zwischen mir und Lambert steht eine Schlacht bevor oder ein Vergleich. Jedenfalls aber eine Entscheidung. Warten Sie acht Tage. Dann muß diese Entscheidung gefallen sein. Wenn ich dann noch am Leben bin, so werde ich Sie aufsuchen. Vielleicht haben die Dinge dann ein ganz anderes Gesicht als heute. Sicherlich aber werden Sie Karl Stuart eine wichtige Neuigkeit gleich als Augenzeuge übermitteln können. Sie werden von mir Nachricht erhalten. Doch nicht vor acht Tagen.« – In den Augen des Grafen blitzte ein Strahl von Freude auf. »O, wie stolz würde es mich machen,« rief er fast unwillkürlich, »das edle Herz, das unter diesem Mantel schlägt, früher als andere entdeckt zu haben!«

      Monk antwortete nicht, sondern befahl dem Fischer, den Wachtposten herbeizurufen. Die vier Soldaten kamen. Der General hieß den Sergeanten, der die Aufsicht über die drei Gemeinen führte, hertreten. »In diesen zwei Fässern sind Pulver und Kugeln,« sagte er. »Schaffe sie mit deinen Leuten in das kleine Dorf an der Flußmündung, das wir morgen mit 200 Mann besetzen. Sorge dafür, daß es geheim bleibt. Der Sieg kann dadurch entschieden werden. Dieser Edelmann hier wird dich hinführen und dir zeigen, wo die Fässer niederzulegen sind. Laß also sofort ein Pferd holen, das die Last tragen kann. Herr Graf,« wendete er sich an Athos, »ich lasse Sie mit diesen Leuten allein und kehre ins Lager zurück. Auf Wiedersehen!«

      Er verließ die Gruft. Als er etwa zwanzig Schritte von der Abtei entfernt war, ertönte ein leiser Pfiff in der Dunkelheit. Monk sah sich nach dem Fischer um, der sie hergeführt hatte. Der Mann war nirgends mehr zu sehen. Monk glaubte sich in der Mitte seines Lagers frei von aller Gefahr und schritt weiter. Hätte er sorgsamer hingeschaut, so würde er entdeckt haben, daß ein Mann ein Stück von ihm entfernt zwischen den Steinen dahinkroch, und daß das Fischerboot nicht mehr in der Mitte des Flusses, sondern hart am Ufer lag. Die nächsten Wachtposten waren ein beträchtliches Stück von ihm entfernt; den einzigen, der ihm hätte helfen können, hatte er unter den Befehl des Grafen de la Fère gestellt. Der Nebel wurde rasch so dicht, daß man bald keine zehn Schritte weit sehen konnte. Plötzlich glaubte Monk ein Geräusch zu hören, das wie Ruderschläge klang. Er blieb stehen und zog seine Pistole. Einen Hilferuf auszustoßen, solange es nicht dringend nötig war, hielt er seiner unwürdig.

      *

      Am nächsten Morgen wurde Athos durch den Lärm von Soldaten geweckt, die in seine Wohnung drangen. Sie hatten Befehl, ihn ins Lager zu führen. Verwundert darüber, daß Monk so rasch gegen die Verabredung verstieß, folgte er den Leuten. Als er im Hauptquartier anlangte, sah er im Zelte des Generals außer dem ihm schon bekannten Adjutanten Digby zwei Obersten. Sein Schwert lag noch auf dem Tische, wohin er es am verflossenen Abend gelegt hatte.

      »Ist dies derselbe Fremde, mit dem zusammen der General gestern das Zelt verlassen hat?« fragte einer der Stabsoffiziere den Adjutanten. – »Es ist derselbe,« 7 antwortete Digby. – »Meine Herren,« rief Athos mit Würde, »ich habe keinen Grund, das zu leugnen. Warum eine solche Frage in solchem Tone?« – »Wir sind berechtigt, einen solchen Ton anzuschlagen.« – »Nein,« versetzte Athos. »Ich erkenne hier nur den General Monk als meinesgleichen an und stehe nur ihm Rede und Antwort. Führen Sie mich also zu ihm, wenn Fragen an mich zu richten sind. Wo ist er?« – »Das werden Sie wohl besser wissen als wir,« antwortete einer der Obersten. »Was hat der General gestern mit Ihnen gesprochen?« – »Das ist ein Geheimnis zwischen mir und ihm. Ich kann darauf nur antworten, wenn der General mich dazu ermächtigt.« – »Aber Sie wissen doch recht gut, daß dies unmöglich ist.« – »Ich erhalte schon zum zweitenmal eine solche seltsame Antwort! Ist denn der General nicht hier?« – Diese Frage stellte Athos in so ungekünsteltem Erstaunen, daß die Offiziere sich verlegen ansahen. Nach einer Pause fragte der Adjutant: »Der General hat Sie gestern bei der Abtei verlassen? Sie sind dann gegangen?« – »Fragen Sie danach Ihre eigenen Soldaten, die meine Begleiter waren,« antwortete Athos unwillig.

      »Sie wollen also nicht wissen, wo sich der General befindet?« – »Wo er sich befindet? Zum Teufel, doch hier im Lager!« – »Und was enthielten jene Fässer?« – »Fragen Sie Ihre Soldaten. Denen hat es der General selber gesagt.« – »Wir haben sie gefragt und erfahren, die Fässer enthielten Pulver und Blei, aber wir lassen uns nicht hinters Licht führen.« – »Bedenken Sie, was Sie da reden, meine Herren!« rief Athos. »Sie zeihen Ihren General der Lüge. Der General hat mich aufgefordert, noch acht Tage hier zu bleiben und auf seine Antwort zu warten. Bin ich entflohen?« – »Er hat Sie aufgefordert, acht Tage zu warten?« rief der Adjutant. – »Meine Schaluppe liegt an der Flußmündung. Ich hätte ohne jede Schwierigkeit an Bord gehen und abfahren können. Nur auf Wunsch des Generals blieb ich hier.«

      Der Adjutant wendete sich an die beiden Stabsoffiziere und sprach: »Wenn der Franzose die Wahrheit spricht, dann ist noch Hoffnung. Der General hat vielleicht eine geheime Unterhandlung zu erledigen, über die er niemand etwas sagen wollte. Mein Herr,« sagte er zu Athos, »der General ist spurlos verschwunden, und wir wissen nicht, ob ein Verbrechen vorliegt, oder ob der General absichtlich fortbleibt. Können Sie uns eine Erklärung geben?« – »Zwischen mir und dem General,« antwortete Athos, »hat eine geheime Unterredung stattgefunden und da der General vor der Entscheidungsschlacht, die zu erwarten ist, mir keine bindende Antwort geben wollte, so hieß er mich – ich wiederhole es – acht Tage warten. Das ist alles, was ich weiß, so wahr mein Leben in der Gewalt Gottes steht.« – »Die Sache ist unerklärlich,« sagte einer der Obersten. »Unmöglich können wir annehmen, daß ein so umsichtiger Mann wie unser General am Vorabend einer Schlacht einfach seine Armee verläßt, ohne einem seiner Unterfeldherren etwas zu sagen. Mich will bedünken, als hätten mit diesem plötzlichen Verschwinden die französischen Fischer zu tun, die ja seit gestern abend auch verschwunden sind. Allerdings konnten sie gehen, wann sie wollten, denn sie waren keine Kriegsgefangnen; dennoch erscheint mir das Zusammentreffen seltsam und verdachterregend. Und wer steht uns nun dafür, daß Sie, mein Herr, nicht mit diesen Fischern unter einer Decke gesteckt haben? Daß Sie nur geblieben sind, um jeden Argwohn abzulenken?« – »Das ist ein scheinbar ganz richtiger Schluß,« versetzte Athos, »aber in Bezug auf meine Person trifft er nicht zu. Verdächtig erscheint der Fall nun freilich auch mir, und ich rate Ihnen, schleunigst Nachforschungen anzustellen. Was mich anbetrifft, so gebe ich mich bis auf weiteres gefangen.« – »Das ist selbstverständlich,« erwiderte der Adjutant. »Sie bleiben im Hauptquartier.« – »Damit bin ich nicht einverstanden,« entgegnete Athos ruhig, »Ihr General hat mir sein volles Vertrauen geschenkt und mir ein Gut übergeben, das ich nicht aus den Händen lassen darf. Setzen Sie eine Wache über mich, von soviel Mann, wie Sie wollen, aber lassen Sie mich in meine Wohnung zurückkehren. Der General wird Sie ernsthaft tadeln, wenn Sie hierin gegen seinen Willen handelten.« – Die Offiziere berieten sich einen Augenblick, dann ließen sie Athos unter Bedeckung von fünfzig Mann in seine Wohnung zurückkehren.

      Die Sache blieb geheim. Vom Verschwinden des Generals erfuhr niemand im Lager. Aber Tage, ja Wochen verflossen, und Monk kam nicht zurück; ja nicht einmal eine Nachricht traf von ihm ein.

      10. Kapitel. Wie d'Artagnans große Idee endete

      Zwei Tage nach den eben erzählten Ereignissen ging am späten Abend eine kleine holländische Fischerbark an der Küste von Scheveningen vor Anker und setzte in einem Boote acht Mann an Land, die beim Aussteigen einen großen, länglichen Gegenstand, der eine Kiste oder ein Ballen zu sein schien, auf den Strand legten. Ein einzelner Mann lief sogleich auf das einsame Haus zu, das dem verstoßenen König von England zur Wohnung diente. Der Hund bellte laut, der alte Parry fuhr aus dem Schlafe auf. – »Was gibt's?« rief er und wagte die Tür nur um einen Spalt zu öffnen. – »Ich will zu Seiner Majestät Karl II.,« antwortete eine Stimme. – »Nennt Euern Namen und Euer Begehr!« – »Potzblitz, Ihr seid neugierig, Alter, ich bringe wichtige und unerwartete Nachrichten, laßt


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