Ein moderner Lederstrumpf. Robert Kraft

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Ein moderner Lederstrumpf - Robert Kraft


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      Ellen sass vor einem Tisch, auf dem eine grosse Landkarte ausgebreitet lag, stand auf, neigte den Kopf, machte eine Handbewegung nach einem Stuhl und setzte sich selbst nieder.

      »Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Sir Munro?«

      »Vor einem Jahre fragte ich Sie, ob Sie meine Gattin werden wollten,« steuerte der junge Engländer frischweg auf sein Ziel los. »In einem Jahre sollte ich die Frage wiederholen, ich thue es hiermit, denn meine Liebe zu Ihnen ist dieselbe geblieben.«

      »Ich entsinne mich noch recht genau. Ja, Sir Munro, haben Sie unterdessen radfahren gelernt?«

      Diesmal klang es gar nicht scherzhaft; sie sah auch recht bleich aus.

      »Nein. Sie kennen meine Ansicht darüber. Dagegen weiss ich, dass Sie, seitdem Sie vor drei Monaten den schweren Sturz thaten, noch kein Rad wieder bestiegen haben.«

      »Ganz richtig, aber was berechtigt Sie zu dem Glauben, dass ich deswegen nie mehr radfahren werde? Ich beabsichtige das Gegentheil, und ich muss fast annehmen, dass Sie Ihrer Frau diesen Sport verbieten werden. Ich aber würde mir das unschuldige Vergnügen nicht verbieten lassen.«

      »Oh Ellen, wie können Sie so sprechen!« sagte er leise, und dabei blickte er sie so treuherzig und wehmüthig zugleich an, dass sie die Augen zu Boden schlagen musste. »Genügt Ihnen denn nicht meine Erklärung: Ich liebe Sie? Glauben Sie wirklich, ich könnte Ihnen eine Freude missgönnen, weil sie nicht mit meinen Neigungen oder Ansichten übereinstimmt? Nein, nein, Ellen! Fahren Sie ruhig Rad, und wenn Sie mich lieben, werden Sie es dennoch aufgeben, nicht meiner Launen wegen, sondern weil ich ständig in Todesangst sein werde, wenn ich meine geliebte Ellen durch die Strassen fahren weiss.«

      Mit ihrer erkünstelten Fassung war es vorbei; tief liess sie das Haupt sinken.

      »Ich kann nicht mehr,« flüsterte sie und ihre Augen füllten sich mit Thränen, »Sie sind zu spät gekommen.«

      Eine lange Pause entstand. Schmerzlich blickte er sie an.

      »Zu spät?« flüsterte auch er. »Dann freilich ....«

      »Nein, nein,« unterbrach sie ihn hastig. »Ich bin frei. Aber ich habe vorhin gewettet, in 300 Tagen auf dem Rade um die Erde zu fahren und so müssen Sie wieder ein Jahr warten.«

      Er glaubte nicht recht gehört zu haben. Es war aber doch eigentlich merkwürdig, sie sprach doch ganz deutlich und er hörte ganz gut. So beugte er sich etwas vor.

      »Bitte, um — um — um was wollen Sie fahren?«

      »Um die Erde.«

      »Um — um — um die Erde?« lächelte er verlegen. »Bitte, ich verstehe immer noch nicht recht. Was ist das: die Erde? Habe noch nie davon gehört.«

      »Nun, unsere Erde hier. In 300 Tagen.«

      »Um — um unsere Erde hier wollen Sie fahren? Auf dem Rade? Sie meinen unsere Erde, auf der wir leben? Rund herum?«

      »Jawohl, rund herum, dieselbe Tour, welcher jener Stout gemacht hat, aber in 300 Tagen, und zwar ganz allein.«

      Munro fiel mit dem Rücken schwer gegen die Lehne des Stuhls, liess die Arme hängen, streckte die Beine aus, weiter als es der Anstand erlaubte, und machte sogar den Mund auf. So blieb er sitzen. Dann zog er wieder die Beine an, und um den geschlossenen Mund trat abermals jenes verlegene Lächeln, als er seitwärts nach dem Mädchen blickte.

      »Nein — ach nein, Ellen! Nicht wahr, Sie machen nur ein Spässchen?«

      »Leider nicht!« Und plötzlich brach ihre Verzweiflung aufrichtig durch. »Oh, Robin, warum sind Sie nicht gestern gekommen!!«

      Da erstarb sein Lächeln, er sprang auf.

      »Um Gottes willen! Was ist denn da passirt?« Sie erzählte. Er vergass sich so weit, dass er im Zimmer auf und ab rannte, er murmelte vor sich hin, es klang bald wie »verfluchter Club« und »verrückteWeiber«; als sie aber geendet und er vor ihr stand, da lachte er wieder fröhlich.

      »Nu, was ist denn da weiter dabei! Da bezahlen Sie einfach die 10 000 Pfund und bleiben hübsch zu Hause.«

      »Das kann ich nicht, nur das nicht,« wehrte aber Ellen, ihre Energie zusammennehmend, ab. »Ja, wenn es nicht gerade die Lady Barrilon wäre.«

      Er sah sie aufmerksam an.

      »Ah, Sie beabsichtigen, diese Dame zu ruiniren, Miss Howard, das ist — nicht schön von Ihnen.«

      Jetzt stand auch sie auf, ihre Augen begannen zu blitzen.

      »Sie werden mich nicht lehren, was recht ist und was nicht,« rief sie unmuthig. »Allerdings, ich möchte sie büssen lassen, und nimmermehr werde ich ihr 10 000 Pfund in den Schooss werfen.«

      »Nimmermehr? Nun, Sie werden ihr die 10 000 Pfund ja doch geben müssen.«

      »Wieso denn?«

      »Miss Howard,« sagte er staunend, »glauben Sie denn wirklich ernstlich daran, diese Wette gewinnen zu können, diese sinnlose Fahrt überhaupt anzutreten ......«

      »Wie meinen Sie das? Sinnlos?« unterbrach ihn Ellen entrüstet. »Ich werde es der Welt beweisen, was eine Engländerin zu leisten vermag.«

      »Sie können es nicht, was meinen Sie denn wohl! 32 Meilen jeden Tag fahren! Schon innerhalb der ersten acht Tage brechen Sie verzweifelt zusammen.«

      Ach, hätte er dies doch nicht gesagt! In anderer Weise wäre es ihm wahrscheinlich möglich gewesen, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten.

      »Ich könnte es nicht? Sie werden es sehen. Ich fahre übermorgen von Liverpool ab.«

      Die Gefährlichkeit der Reise kam ihm erst jetzt richtig zum Bewusstsein, und er jammerte darüber.

      »Sie wissen ja gar nicht, was Sie thun wollen! Und nun allein, mein Gott, allein!! Denken Sie doch nur an die Indianer, an die Thuys in Indien, an die Araber in Kleinasien, denken Sie an die Löwen, Tiger und Schlangen ......«

      »Löwen giebt es auf meiner Tour nicht, und durch jenes prachtvolle Bild können Sie mich nicht bange machen. Ich werde beweisen, wie auch ein Weib mit etwas Courage und einem Revolver überall durchkommt.«

      »Jawohl, aber Ueberschwemmungen, Tropenregen, Sonnengluth, Durst, Hunger, Fieber und Pestilenz, die sind nicht mit auf dem Bilde angegeben! Mein Gott, mein Gott! 8500 Meilen! Wissen Sie denn, eigentlich, wie viel das ist? Sehen Sie diesen langen Tisch, setzen Sie diesen acht und eine halbe Million mal zusammen, dann haben Sie 8500 Meilen.«

      »Ich will keine Tische zusammensetzen, sondern ich will um die Erde in 300 Tagen radeln. Oder gut, setzen Sie die acht Millionen Tische aneinander, dann kann ich darauf fahren.«

      Plötzlich verstummte der jammernde Baronet, steif blickte er sie an.

      »Ellen, mir kommt ein Gedanke! Wenn Sie nun einmal darauf bestehen, so werde ich Sie wenigstens begleiten.«

      Freudig schrak Ellen auf.

      »Robin! Das wäre vortreff — — doch nein; ich darf ja Niemand zu meiner Begleitung auffordern — brauche ihn freilich auch nicht zurückzuweisen — nein, mein Herr, ich reflectire nicht auf Ihre Begleitung.«

      Sie sagte es glücklächelnd — und da verdarb er wieder Alles.

      »Ah, Sie meinen, ich werde noch in aller Schnelligkeit Radfahren lernen, um Ihnen Gesellschaft zu leisten? Nein, Miss Ellen, da irren Sie sich. Allerdings werde ich mich immer in Ihrer Nähe aufhalten, aber nur, um sofort zur Stelle zu sein, wenn Sie selbst aus Verdruss über Ihren Eigensinn Ihr Rad in Stücke schlagen, und dann werde ich Sie abermals fragen, ob Sie nun meine nicht mehr radelnde Frau werden wollen. Empfehle mich.«

      Hinaus war er, und diesmal stand Ellen zur Statue erstarrt da.

      »Das werden Sie nicht thun, Sir Munro!!« erklang es in etwas kreischendem Tone.

      Es kam keine Antwort. Er war fort, war so von ihr gegangen! Die Statue wurde


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