Unfassbar traurig. Ute Dombrowski

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Unfassbar traurig - Ute Dombrowski


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Die zickt mich den lieben langen Tag nur an. Es ist nicht auszuhalten, darum bin ich eben auch geflüchtet.“

      „Was hat sie denn?“

      „Ihre Freundin hat Schluss gemacht und ist zurück nach Berlin. Sie ist traurig und sauer, aber das muss sie doch nicht an mir auslassen. Ich wünschte, ich hätte so eine Kollegin wie Bianca Verskoff.“

      Falk blickte auf und sah seinen Kollegen neugierig an.

      „Du hast sie getroffen?“

      „Ja, ich musste im Archiv etwas klären und sie bearbeitet die uralten Vermisstenfälle. Wir haben in etwa die gleiche Wellenlänge und sie weiß, wie man an so einen Fall herangehen muss. Aber eins ist pro­blematisch: Sie kommt nicht aus dem Keller heraus.“

      „Das hätte ich dir gleich sagen können. Ich habe schon oft mit Jürgen über sie gesprochen.“

      Die Tür wurde aufgerissen und Tine stürmte ins Zimmer.

      „Guten Morgen!“, rief sie mit einem strahlenden Lächeln.

      Falk lachte und sagte zu Ferdinand: „Wenn du magst, leihe ich dir mal meine Praktikantin. Sie hat immer gute Laune und bringt Schwung in die Bude.“

      Tine blieb stehen, warf ihrem Chef eine Tüte vom Bäcker hin, die er geschickt auffing.

      „Und sie geht morgens zum Bäcker. Aber nur, weil sie nebenan wohnt.“

      „Und du bezahlst es ja. Sonst würde ich das auch nicht machen. Was machst du hier?“, fragte sie Ferdinand.

      „Ich wollte mal mit jemandem reden, der gute Laune hat.“

      „Wieso? Hat Ella keine? Sie ist doch sonst so lustig?“

      „In der letzten Zeit nicht. Sie ist verlassen worden. Von der Frau, wegen der sie extra hierhergezogen war. Die ist gestern endgültig zurück nach Berlin.“

      „Autsch“, sagte Tine, setzte sich und öffnete nun ihrerseits eine Bäcker-Tüte.

      Sie bot Ferdinand ein belegtes Brötchen an, aber der lehnte ab.

      „Nein, danke. Gut, Falk, jetzt geht es mir besser. Ihr habt meinen Morgen gerettet. Ich werde mich mal in den Computer vertiefen. Wenn der Rosenschuh denkt, ich gebe auf, dann hat er sich geschnitten.“

      „Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Wo willst du ansetzen?“

      „Frau Verskoff und ich …“

      „Frau Verskoff? Die Frau Verskoff?“, unterbrach ihn Tine.

      „Ja, DIE Frau Verskoff und ich denken, dass es weitere Fälle gibt.“

      Falk rief erstaunt: „Wie das? Das ist ja interessant.“

      Ferdinand gab wieder, was er von Bianca erfahren hatte und Falk erinnerte sich an den Fall, als das fremde Mädchen mitten in Eltville gestanden hatte.

      „Wir haben damals die Kleidung akribisch untersucht, aber es gab nichts Auffälliges. Es war ganz normale Kleidung, nur ein bisschen altmodisch.“

      „Wir sind auf blaue Samtschleifen an blonden Zöpfen gestoßen.“

      „Ja! Die Tote trug auch eine blaue Schleife im Haar. Oh mein Gott, ihr denkt wirklich, es gibt noch mehr vermisste Mädchen?“

      Ferdinand nickte.

      „Und darum wollte ich Frau Verskoff aus dem Keller locken. Wir haben ganz zufällig genau das gleiche vermisste Mädchen in den Akten gefunden: Nicola. Sie ist blond, hat blaue Augen und auf einem Foto hat sie blaue Samtschleifen im Haar.“

      „Darf ich mit, wenn du das nächste Mal zu ihr fährst?“, fragte Tine plötzlich.

      Ferdinand und Falk sahen sie an und grinsten. Dann schüttelte der Kommissar den Kopf.

      „Ich bin ja schon froh, dass sie überhaupt mit mir redet. Sei nicht sauer, aber da will ich nicht mit einer Fremden bei ihr auftauchen.“

      Nun lachte Tine und winkte ab.

      „Es war ja nur eine Frage. Ich gehe jetzt mal und hole die Fotos von dem Tankstellenbesitzer.“

      „Ah ja, das ist gut“, sagte Falk und erzählte Ferdinand vom Einbruch letztes Wochenende.

      „Und ich gehe mal nachsehen, ob sich Ella wieder abgeregt hat.“

      8

      Am späten Nachmittag hatte Riva noch einmal bei Bianca ins Büro geschaut, um sich zu verabschieden.

      „Feierabend, meine Liebe. Sag mal, warst du eigentlich schon am Rhein?“

      „Nein, ich hatte noch keine Zeit.“

      „Dass ich nicht lache. Du kneifst! Bianca, du hast es mir versprochen und seine Versprechen muss man halten.“

      Bianca seufzte und zuckte mit den Schultern.

      „Ja, ich weiß. Aber ich kämpfe jeden Tag mit mir. Und dann schaffe ich es doch nicht.“

      „Heute Abend! Ich weiß, dass du es kannst. Du musst dir nur einen Ruck geben. Einfach nur mal langlaufen und dich für einen Moment auf eine Bank setzen.“

      „Ich versuche es“, sagte Bianca leise.

      Nun kam Riva näher, denn sie hatte gesehen, dass ihre Kollegin Tränen in den Augen hatte. Sie zog sie von ihrem Sessel hoch und hielt sie an den Schultern fest.

      „Süße, schau mich an!“

      Bianca hob den Kopf.

      „Bitte mach Feierabend und geh eine halbe Stunde am Rhein spazieren. Und genau da, wo du jeden Abend mit Michael gelaufen bist. Heute. Jetzt sofort.“

      Bianca nickte und schluckte.

      „Gut. Ich werde es tun. Heute werde ich es tun.“

      Riva küsste sie auf die Wange und verließ den Raum. Bianca blieb zitternd vor Aufregung zurück. Sie wusste, dass ihre Kollegin recht hatte und heute würde sie sich dem Ganzen stellen. Sie konnte den Spaziergang ja immer noch abbrechen.

      Als das Telefon klingelte, sah sie es an, zuckte mit den Schultern und machte sich auf den Heimweg. Sie wollte jetzt nicht drangehen, denn es war bestimmt etwas, das sie von ihrem Vorhaben abbringen würde. Das musste jetzt warten.

      Ohne noch an einem Supermarkt zu halten, fuhr Bianca nach Eltville, stellte ihr Auto vor dem Haus ab und wollte schon nach oben gehen. Nein, dachte sie dann jedoch, ich muss sofort loslaufen, wenn ich erst in meiner Wohnung bin, schaffe ich es nicht mehr. Sie legte die Handtasche in den Kofferraum, schloss ab und steckte den Autoschlüssel in die Hosentasche. Schritt für Schritt kam sie dem Rhein näher und ihr Mund wurde immer trockener. Das Atmen wurde immer schwerer. Die feuchten Hände wischte sie sich an der Hose ab. Sie bekam kaum noch Luft. An der letzten Hausecke, die den Blick auf den Fluss verdeckte, blieb sie stehen. Der Boden schwankte unter ihren Füßen und ihre Knie waren weich. Sie hielt sich an der rauen Mauer, die die Wärme des Sommers aus­strahlte, fest und versuchte tief und gleichmäßig zu atmen. Ein Schritt. Noch ein Schritt. Sie schloss die Augen, um sie gleich darauf wieder zu öffnen.

      Plötzlich lag der Rhein ruhig und unschuldig vor ihr. Er schien sich nicht verändert zu haben, das Wasser floss noch in dieselbe Richtung, der Weg war immer noch bevölkert von Touristen, die Bänke besetzt wie vor drei Jahren.

      „Was habe ich denn erwartet?“, flüsterte sie heiser.

      Endlich fasste sie Mut und lief das letzte Stück hinunter bis zur Promenade. Dort reihte sie sich in den Menschenstrom ein, der den Abend bei angenehmen Temperaturen genoss. Sie konnte den Blick nicht vom dahinziehenden Wasser lassen, das behäbig und sanft seinen Weg nahm. Auf der Bank unter den Platanen saß nur eine einzelne Frau. Dorthin setzte sich auch Bianca und sah nach links und rechts. Niemand starrte sie an. Niemand würde kommen und mit ihr reden.

      Hier hatte sie oft mit Michael


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