Der Fall Ludwig XV.. Walter Brendel
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Walter Brendel
Der Fall Ludwig XV.
Der Fall Ludwig XV.
Walter Brendel
Impressum
Texte: © Copyright by Walter Brendel
Umschlag: © Copyright by Walter Brendel
Verlag: Das Historische Bcu 2021
Mail: [email protected]
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das Schweigen des Volkes ist eine Lehre für die Könige.
Ludwig XV.
Frankreichs Hoffnungen ruhten auf einen Kind-König. Nach 72-jähriger Herrschaft des „Sonnenkönigs“ sah das Volk in den Nachfolger das Abbild Gottes. Man sagte, dass er die Liebe in Person sei. Er war eben „der Vielgeliebte“ („le Bien-Aimé“). Der größte König der Welt sollte er sein, wie es sich sein Urgroßvater wünschte. Doch neben den Glanz hinterließ Ludwig XIV. ein schweres Erbe.
Ludwig XV. hatte die Eleganz und die Haltung seines Urgroßvaters, aber weder seine Disziplin, noch sein Selbstvertrauen. Im zarten Alter von zwei Jahren starben innerhalb der nächsten drei Jahre alle seine
Verwandten, er hatte keine Freunde, er konnte auch keine gewinnen. Hinzu kam seine tiefe Melancholie, die ihm immer häufiger befiel. Konnte er so der größte König der Welt werden?
Der Kind-König konnte in seinem Leben nicht die Berühmtheit seines Urgroßvaters erlangen, starb aber auch nicht auf tragische Weise wie sein Nachfolger, der als erster französischer König vom eigenen Volk hingerichtet wurde. Er verband aber in gewisser Weise beide genannten Faktoren.
Kindheit
Ludwig wurde am 15. Februar 1710 als dritter Sohn des Ludwig von Burgund und seiner Gemahlin Maria Adelaide von Savoyen geboren.
Sein Vater, der Herzog von Burgund war der älteste Enkel Ludwigs XIV. und Bruder Philipps V. von Spanien. Als Kind halsstarrig und jähzornig, wandelte ihn die Erziehung durch François Fénelon von Grund auf und machte ihn zum Hoffnungsträger der französischen Monarchie. Für ihn schrieb Fénelon auch seinen berühmten Erziehungsroman Les aventures de Télémaque. Dieser François Fénelon (* 6. August 1651 auf Schloss Fénelon im Périgord; † 7. Januar 1715 in Cambrai) war Erzbischof und Schriftsteller. Er stammte aus einer alten Adelsfamilie des Périgord. Da er jüngerer Sohn war und die Familie schon mehrere Bischöfe hervorgebracht hatte, wurde er früh für die kirchliche Laufbahn bestimmt. 1688 wurde er Madame de Maintenon vorgestellt, der „linker Hand“ angetrauten zweiten Gattin von Ludwigs XIV. Im Sommer 1689 wurde er wohl auch auf Vorschlag von Madame de Maintenon, deren geistlicher Berater er inzwischen geworden war, von Ludwig XIV. zum Erzieher seines 7-jährigen Enkels und eventuellen Thronfolgers, des Duc de Bourgogne, berufen. Dies verschaffte ihm eine einflussreiche Position am Hof und war sicherlich ausschlaggebend für seine Aufnahme in die Académie française (1693) sowie für seine Ernennung zum Erzbischof von Cambrai, Cambrai (1695). Allerdings scheint er mit dieser Ernennung nicht völlig zufrieden gewesen zu sein. Zumindest behauptet der bekannte Memoiren-Autor Saint-Simon in seinen Erinnerungen, dass Fénelon eher auf das vakante Erzbistum Paris spekuliert hatte.
Für seinen fürstlichen Zögling schrieb Fénelon (wie schon so häufig belehrende Werke: zunächst eine Sammlung von Fabeln, sodann die Aventures d’Astinoüs (= die Abenteuer A.s) und die Dialogues de morts (= Totendialoge), vor allem aber den umfänglichen, 1694–96 verfassten Abenteuer-, Reise-und Bildungsroman Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse (1733 in Deutsch erschienen als Die seltsamen Begebenheiten des Telemach).
In diesem pseudo-historischen und zugleich utopischen Roman führt der Autor den jungen Odysseus-Sohn Telemachos und dessen Lehrer Mentor (in dem sich Minerva alias Athene verbirgt und der sichtlich Sprachrohr Fénelons ist) durch diverse antike Staaten, die meist durch Schuld ihrer von Schmeichlern und falschen Ratgebern umgebenen Herrscher ähnliche Probleme haben wie das in Kriege verstrickte und verarmende Frankreich der 1690er Jahre. Er zeigt aber an einem Paradefall, wie sich diese Probleme dank der Ratschläge Mentors lösen lassen durch friedlichen Ausgleich mit den Nachbarn und durch Wachstum stimulierende Reformen, insbesondere die Förderung der Landwirtschaft und die Zurückdrängung der Luxusgüterproduktion.
Der Télémaque, der ab 1698 in Abschriften am Hof zirkulierte, wurde sofort interpretiert als kaum verschlüsselte Kritik am autoritären, zunehmend abgehobenen Regierungsstil König Ludwigs sowie an seiner aggressiven, kriegerischen Außenpolitik und seiner exportorientierten merkantilistischen Wirtschaftslenkung, die die Produktion und den Export von Luxusgütern unterstützte. Fénelons größter Gegner am Hof, sein einstiger Förderer Bossuet, gewann nun die Oberhand, nachdem er ihn schon seit 1694 in scheinbar theologisch motivierte Querelen über den Quietismus gezogen und 1697 versucht hatte, vom Papst eine Verteidigungsschrift verurteilen zu lassen, die Fénelon für Madame Guyon verfasst hatte, die nach und nach zum Quasi-Staatsfeind avanciert war (und 1698 inhaftiert wurde).
Anfang 1699 verlor Fénelon seinen Erzieherposten, und als im April sein Télémaque, zunächst anonym und ohne seine Zustimmung, im Druck erschien, wurde er vom Hof verbannt.
Dank dieser intellektuell und emotional vorzüglichen Unterrichtung galt der junge Herzog von Burgund bald als äußerst intelligent und politisch begabt. An geistigen Fähigkeiten und Arbeitswillen überragte er angeblich sowohl seinen Vater, den Grand-Dauphin, als auch seinen Sohn, den späteren König Ludwig XV.
Sein Tod an Masern (bzw. Scharlach, hier sind sich die Historiker nicht einig) war für die französische Monarchie ein großer Verlust. Der tödlichen Epidemie von 1712 fielen neben ihm auch seine Frau und sein 1707 geborener Sohn Louis de Bretagne zum Opfer. Da sein Vater bereits im Vorjahr gestorben war, wurde sein 1710 geborener Sohn Louis d'Anjou, der spätere König Ludwig XV., zum Thronfolger.
Aufgrund der großen Hoffnungen, zu denen er zu berechtigen schien, einerseits, seines vorzeitigen Todes andererseits wurde Louis in der Folgezeit gelegentlich von Dichtung und Geschichtsschreibung verklärt – insbesondere von Voltaire -, auch unter dem ungünstigen Eindruck, den die Regierung seines Sohnes, unserer Titelheld, auf die Zeitgenossen machte.
Die Mutter, Maria Adelaide von