Elduria - Die Entscheidung. Norbert Wibben
Читать онлайн книгу.floh.«
»Wie ist das möglich?«
»Er nutzte den magischen Sprung. Also muss es entweder ein menschlicher Zauberer oder eine Elfe gewesen sein.«
In diesem Moment mischt sich Owain ein.
»Du sagtest, der Eindringling hat eine seit Jahren dort eingekerkerte Elfe befreit. Meinst du damit Atropaia?«
»Obwohl ich bei keiner ihrer Vernehmungen durch dich dabei war, weiß ich, dass sie es sein muss. In den anderen Kerkerzellen gab es keinen weiteren, lebenden Gefangenen.«
Er wartet auf den Unmut der Königin. Was ist mit ihr los? Sonst wäre sie ihm nach den ersten Worten vor Wut schäumend dicht gegenübergetreten. Doch jetzt wendet sie sich ab und durchmisst den Raum erneut mit großen Schritten.
»Berichte, was du unternommen hast!«
Creulon staunt über die harmlose Aufforderung. Er hatte erwartet, dass sie lospoltern würde.
»Befire und ich durchsuchten die Gänge, nachdem ich vorher die Ausgänge mit Zauber verriegelte, aber ohne Erfolg. Da auf dem Gebiet der Triqueta weitreichende magische Ortswechsel unmöglich sind, schickte ich mehrere Schwärme Krähen und Dohlen los, nach ihnen zu suchen. Doch sie fanden keine Spuren von den Geflohenen. Auch bis zum heutigen Nachmittag nicht. Nachteilig ist, dass ich nicht weiß, ob Danrya oder womöglich Runa die Gefangene befreit hat.«
Owain wollte die Erläuterungen des Magiers zuerst als nebensächlich abtun. Er machte bereits eine entsprechende Handbewegung, horcht bei dem Namen des Mädchens jedoch auf.
»Dass die Elfe Atropaia entkommen ist, sollte kaum eine Gefahr für uns darstellen. Ich habe sie letztmalig mit Unterstützung durch Igoreth vor wenigen Wochen vernommen. Er versuchte, in ihren Geist einzudringen, was wegen der silbernen Klammern für Hände und Füße jedoch verhindert wurde. Er wollte, dass ich sie öffne, doch das erschien mir zu gefährlich. Auch wenn sie einen erschöpften Eindruck machte, konnte sie womöglich durch einen schnellen Zauber entwischen. Nach immerhin sieben Jahren konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie uns etwas über den Aufenthaltsort dieses Mädchens mitteilen könnte.
Mir fiel zudem auf, dass sie kaum noch lange leben würde, deshalb bin ich zuversichtlich, dass sie inzwischen gestorben sein wird. – Doch etwas anderes sollte uns zu Denken geben. Die Elfe war damals die Amme Runas, die die Tochter unserer vor zwölf Jahren ärgsten Feinde ist. Ich konnte sie in ihrem Haus überraschen, das etwa in der Mitte des Waldes steht. An dessen Waldrand wartet derzeit mein Spezialtrupp auf mich, wie bereits gesagt.«
Er blickt Drakonia und Creulon an. Letzterer nickt und greift den Gedanken Owains auf.
»Atropaia wird vermutlich in ihr Heim zurückkehren wollen, und wenn es nur aus sentimentalen Gründen ist. Der Wunsch dazu könnte durch ihren kränklichen Zustand noch gefördert werden. – Dort ist Runa vor Wochen beinahe von unseren Männern gefangen genommen worden. Sollten sie dorthin geflohen sein? – Selbst wenn Danrya die Elfe befreit hat, könnten sie auch zu dem Haus unterwegs sein. Ich kann mir vorstellen, dass das Mädchen dort auf ihre Kinderfrau warten wird. Es wird in seinen jungen Jahren sicher noch romantisch veranlagt sein und ihre ehemalige Amme in dem Heim seiner Kindheit begrüßen wollen.«
»Und das bietet uns die Gelegenheit, die Prophezeiung ein für alle Mal ausschalten zu können!«
Owain blickt siegesgewiss grinsend zwischen Creulon und Drakonia hin und her. Die signalisieren Zustimmung.
»Dann sollten wir schnellstens zu deinen Männern«, fordert der Magier. »Da wir auch nicht schnell mittels Zauber reisen können, machen wir uns besser sofort auf den Weg!«
Die Königin nickt und gibt das Zeichen, dass beide entlassen sind.
Erneute Planänderung
Runa hatte Danrya von der Befreiung Atropaias aus dem Kerker in Grimgard berichtet. Da sie die Elfe auch darüber informierte, dass Dragon versuchen will, die Drachen auf der Insel zu überzeugen, mit ihm nach Elduria zu kommen, änderte diese erneut ihren Plan. Ihr Vorhaben, die Kreaturen der Dracheninsel aufzusuchen, ist unter diesen Bedingungen nicht mehr erforderlich.
Sie versucht, Aidan zu überreden, sie zu den Nordelfen zu begleiten. Danrya weiß nicht, dass manche der dort lebenden Elfen ihren Verwandten aus den anderen Landesteilen viele ihrer eigenen, positiven Eigenschaften absprechen. Sie behaupten, sie könnten zwar zaubern, hätten sich jedoch in den vergangenen Jahrhunderten zu oft mit Menschen verbunden. Dadurch sind manche ihrer Nachkommen nicht mehr reinblütig. Und gerade das wird von diesen verbohrten Nordelfen als Makel angesehen. Sie betrachten die zu ihnen geflüchteten, letzten Westelfen als nicht ebenbürtig und verspotten sie bei vielen Gelegenheiten.
Dabei wollen sie lediglich davon ablenken, dass sie selbst kaum noch Magie beherrschen. Das ist auch der Grund, warum diese Elfen seit Jahren versuchen, sich aus Auseinandersetzungen mit Merion herauszuhalten. Die Verwandten der obersten Nordelfe und einige aus den Seitenlinien der Familie besitzen heutzutage die gleichen Zauberkräfte wie die wenigen Westelfen. Früher war das anders, doch als sie vor Jahren den Drachen magische Kräfte übertrugen, führte das nicht nur zu einer Wesensänderung mancher dieser Kreaturen. Gleichzeitig damit verloren viele der Nordelfen ihre Magie, die sie unbewusst an die Wesen der Lüfte weitergaben. Das Vermögen der betroffenen Elfen und ihrer Nachkommen, sich schneller als Menschen bewegen zu können, blieb davon unberührt. Deshalb sind diese ihnen gegenüber im Einzelkampf im Vorteil.
All das ist Danrya nicht bekannt. Sie weiß, dass es äußerst wichtig ist, die Elfen des Nordens auf ihre Seite zu ziehen. Das gelingt nur, wenn sie deren Anführerin Rubinia von der Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens gegen Drakonia zu überzeugen vermag. Ihr war in Ochsenham zu Ohren gekommen, dass sich die Elfen der nördlichen Lande zuversichtlich zeigten, keinen Angriff Drakonias auf ihr Gebiet befürchten zu müssen. Die Auseinandersetzungen mit den Truppen Merions lagen schließlich etliche Jahre zurück. Die Nordelfen meinten, einen stillschweigenden Waffenstillstand geschlossen zu haben, obwohl die Delegation der Elfen ohne eine entsprechende, unterzeichnete Vereinbarung heimkehrte. Rubinia war damals noch eine junge Elfenprinzessin und führte die Unterhändler nach Merion. Dabei hat sie die Hinterlist von Drakonias Großmutter fast mit dem Leben bezahlen müssen. Trotzdem meint sie, die seitdem vergangenen Zeiten, in denen die Herrscher Merions nicht in den Norden drängten, scheint die Bestätigung für deren Friedenswunsch zu sein.
Um der Elfenführerin vor Augen zu führen, wie unnachgiebig und skrupellos Drakonia vorgeht, wenn sie in ihrem Machthunger Ziele erreichen will, wären die Aussagen von Aidan de Elduria wichtig. Seine Familie hat besonders hart unter der Fremdherrschaft gelitten. Er ist inzwischen der unumstrittene Führer der in dem Landesteil aufbegehrenden Menschen und würde Danryas Anliegen ein größeres Gewicht verleihen. Doch der junge Mann und mögliche Erbe der Königswürde ist überzeugt, dass er die Aufständischen sich noch nicht selbst überlassen darf. Aus vergangenen Umsturzversuchen ist ihm bewusst, dass er mit einem Einschreiten der Soldaten aus Merion rechnen muss. Er hat Spione dorthin geschickt und die besorgniserregende Nachricht bekommen, dass es erste Truppenbewegungen in der ehemaligen Grenzregion gibt.
»Gerade das ist ein wichtiger Grund, dass wir die Nordelfen auf unsere Seite ziehen. In der Vergangenheit scheiterten die Aufstände gegen Drakonia, wenn nicht durch Verrat, dann daran, dass die Menschen aus Elduria auf sich allein gestellt waren. Sie waren einfach zu wenige und ihr Vorhaben dadurch zum Scheitern verurteilt. Die Menge der uns auch dieses Mal feindlich gegenüberstehenden Soldaten übertrifft die Anzahl unserer Kämpfer um ein Vielfaches!«
»Dann solltest du zu den Elfen im Norden eilen und sie überzeugen, dass jetzt der vermutlich einzige Zeitpunkt ist, zu dem das Joch dieser bösen Königin ein für alle Mal von uns abgeworfen werden kann. Aber ich muss bei meinen Männern bleiben. Sie mögen mutig sein und nicht vor einem ersten Angriff zurückweichen, doch ohne Führer werden sie dem Druck der feindlichen Kämpfer auf Dauer erliegen.«
Danrya nickt langsam. Was Aidan sagt, stimmt. Deshalb lenkt sie schließlich ein.
»Na gut. Ich wünsche dir viel Erfolg bei dieser schweren Aufgabe. Möglicherweise