Elduria - Die Entscheidung. Norbert Wibben
Читать онлайн книгу.der Luft schnell überzeugen lassen. Wir meinen, dass die Zeit gekommen ist, in der sie ihr Versprechen einlösen. Wir sollten dabei aber nicht vergessen, dass Drachen nach anderen Maßstäben leben und handeln. Sie werden erheblich älter als wir Elfen, da sind unerwartete Ergebnisse durchaus denkbar. – Nun denn. Wenn Dragon es nicht schafft, könnte ich sie erst recht nicht überzeugen! – Ich mache mich auf dem Weg in den Norden. Wäre da ein kurzer Abstecher bei Atropaia sinnvoll, da ihr Heim sozusagen auf dem Weg liegt? – Nein, besser nicht. Es ist größte Eile geboten, und die alte Freundin kann ich auch später noch sehen. Vielleicht sogar an meiner Seite, vereint im Kampf gegen das Böse. So wie vor vielen Jahren!«
Sie umarmt Aidan und ist sofort darauf verschwunden.
Eine der in den Norden geflüchteten Westelfen heißt Snow. Wegen ihrer hellen Haare wird sie manchmal Snow-white gerufen. Sie lebt inzwischen seit zwei Jahrzehnten im nördlichen Elfenwald, wo sie im Schloss der Elfenkönigin als Küchenhilfe arbeitet. Da sie wie alle Elfen zaubern kann, ist das nicht mit körperlicher Arbeit verbunden. Es ist viel wichtiger, die Zaubersprüche richtig anzuwenden.
Gerade heute ist ihr wieder ein Zauber misslungen. Sie steht mit gerunzelter Stirn vor den angebrannten Schmorkartoffeln und geht noch einmal die genutzten Sprüche durch. Herbeizaubern und schälen der Kartoffeln waren einfach, genauso wie das in dünne Scheiben schneiden und abtrocknen. In die riesige, eiserne Pfanne hatte sie großzügig Schmalz gegeben und unzählige Schinkenwürfel auf der Feuerstelle angebraten. Sobald die Kartoffelscheiben mit lautem Zischen in der Bratpfanne lagen, hatte sie mehrere in kleine Würfel geteilte Zwiebeln daruntergemischt, noch Pfeffer und Salz dazugegeben und auch einen Deckel darübergestülpt. Sie hatte das Feuer etwas reduziert, etwa auf halbe Stärke. Das war doch alles in Ordnung und sollte zu dem gewünschten Ergebnis führen!
Voller Vorfreude auf ihr erstes, eigenständig erstelltes Gericht, hatte sie dem zunehmenden Brutzeln gelauscht. Sie freute sich bereits auf ein Lob der vielen Elfen, da das Essen die gesamten Bewohner der Elfenfestung sättigen sollte. Als sie die Abdeckung von der über zwei Meter im Radius messenden, großen Pfanne nimmt, um die Scheiben zu wenden, riecht es nicht wie erwartet. Die Schmorkartoffeln wirken auf der Oberseite immer noch weißlich gelb. Woher kommt dann der verbrannte Geruch? Snow wendet die Kartoffeln und blickt erstaunt auf die verkohlten Unterseiten. Wie ist das möglich?
»Du hättest die Kartoffelscheiben in kurzen Abständen mehrfach wenden und auch hin und wieder etwas Schmalz hinzugeben müssen!«, klärt die gutmütig lächelnde Köchin sie auf.
»Aber, das wollte ich doch. Alle dreißig Minuten schien mir dafür angebracht. Die Zeitangabe hatte ich einmal von dir aufgeschnappt.« Snow schaut die Meisterin der Kochkunst verdattert an.
»Das ist die Gesamtdauer fürs Schmoren. Das zwischendurch notwendige Wenden der Kartoffeln muss in kürzeren Zeitabständen erfolgen!«
Mit einer Handbewegung und leise gemurmelten Worten korrigiert die Köchin, was der jungen Elfe misslungen ist. Sofort riecht es nicht mehr angebrannt, sondern würzig nach Schmorkartoffeln. Die ältere und rundliche Person nimmt mit einem Holzlöffel eine Probe. Sie nickt zufrieden in Richtung ihrer Helferin.
»Geschmacklich ist das Essen gelungen. Die erforderlichen Zutaten sind dir demnach bestens bekannt. Wenn du mich das nächste Mal vor der Zubereitung einer Speise nach den notwendigen Zeiten fragst, wirst du mir bald ebenbürtig sein.«
Snow nickt und nimmt sich genau das vor. Jetzt widmet sie sich der Beilage, die aus einem bunten Salat besteht. Dann gibt sie in eine zweite Pfanne Schmalz. Innerhalb weniger Momente ist es geschmolzen und erreicht schnell die notwendige Temperatur. Sie legt vorsichtig in Ei und Mehl gewälzte Fischfilets hinein. Sie achtet diesmal darauf, dass sie nicht anbrennen. Sie wendet sie, sobald ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt gekommen ist, und lässt die andere Seite braun braten. Sie ist zuversichtlich, jetzt nicht versagt zu haben. Sie stellt die Pfanne zum Warmhalten neben die erste und blickt die Küchenmeisterin an.
»War das gut so?«
»Das hast du auf den Punkt getroffen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kannst du mich vertreten.«
Snow strahlt über das erhaltene Lob. Sie gibt das Signal, dass das Essen bereitsteht. Kurz darauf strömen alle Bewohner in den Speisesaal, wo Köchin und Küchenhilfe die Speisen gemeinsam verteilen. Die zufriedenen Mienen bilden unausgesprochen das von der Elfe erhoffte Lob. Einige preisen sogar mit Worten das zwar einfache, aber äußerst leckere Gericht.
Abends sinkt Snow völlig erschöpft ins Bett. Sie überlegt, warum ihr immer wieder Fehler, wie die verkohlten Schmorkartoffeln, passieren. Wurde sie irgendwann mit einem Fluch belegt? Sie erinnert sich szenenhaft an unerklärliche Ereignisse, sollten die die Ursache sein? Sie lebte in einem Gebiet im mittleren Elduria, das abgelegen von größeren Städten liegt. Deshalb wunderte sie sich, als die Truppen der Königin Drakonia auch in ihren kleinen Ort einfielen, als die Schlacht gegen den König längst gewonnen war. Wetterham ist der Name der Ansiedlung, die nordwestlich des Elfenwaldes, etwa auf halbem Weg vom Waldrand bis zur Westküste liegt. Früher wohnten hier Elfen und Menschen friedlich zusammen.
Das änderte sich, sobald brandschatzende und plündernde Kämpfer der Königin Merions auftauchten. Sollten Zauberer die Bewaffneten begleitet haben, hätten sie dann dunkle Flüche auf die dort lebenden Westelfen geschleudert? Das wäre durchaus erforderlich gewesen, da sich die Elfen den Männern entgegenstellten. Dabei konnte sie einen fehlgeleiteten Zauberspruch zumindest teilweise abbekommen haben, ist Snow überzeugt.
Drakonia rechnete zudem offenbar mit Problemen, die sie mit den magisch begabten Wesen bekommen könnte. Was diese dann auch durch ihre Gegenaktionen ungewollt bestätigten. Dabei versuchten sie lediglich, sich und die Menschen ihrer Nachbarschaft vor Schaden zu schützen. Trotzdem war es aus Sicht der Herrscherin logisch, dass sie diese Wesen durch ihre Zauberer ausschalten ließ.
Snow, die damals keine zehn Jahre alt war, bewegte sich auf Anraten anderer Elfen möglichst so langsam wie Menschen, um nicht aufzufallen. Obwohl sie noch sehr jung und in Magie wenig erfahren war, versuchte sie manches Mal, denen zu helfen, die von den wie losgelassene Teufel wütenden Soldaten gepeinigt wurden. Sie wollte mit magischen Sprüchen diesem Rauben und Morden Einhalt gebieten, wurde jedoch von zwei älteren Elfen daran gehindert. Die führten die Jüngere in die Freiheit zu den Nordelfen. Mit viel Glück gelang es ihnen, sich durch die Reihen der Gegner zu stehlen. Doch seitdem schämt sich Snow, dass sie sich ihren Rettern nicht widersetzt hatte. Sie hätte Widerstand leisten und den Bewohnern Wetterhams, zumindest aber ihren näheren Nachbarn, zu helfen versuchen müssen.
»Dann wärst du längst tot!«, hatten die älteren Elfen ihr ein ums andere Mal auf die Selbstvorwürfe geantwortet.
Trotzdem nagt der Zweifel in manchen Nächten an ihr, ob das damals klug oder nur feige gewesen war. Seit den ersten Tagen in der Geborgenheit und Sicherheit des nördlichen Elfenwaldes, hat sie sich vorgenommen, sich nicht erneut vor einer Gefahr zu verbergen. Bei der nächsten Auseinandersetzung, die gegen die Soldaten Drakonias geführt wird, will sie nicht nochmals fliehen, sondern mit allen Mitteln dem Bösen die Stirn bieten.
Eine Wiederholung?
Runa forscht nach der Ursache, warum ihre Amme immer noch so schnell ermattet. Sie hat bereits mehrfach Lebensenergie übertragen und auch die neu erlernten Sprüche gegen dunkle Zauber anzuwenden versucht. Doch alles scheint erfolglos zu bleiben. Das Mädchen vermutet deshalb schon, seine Zauberkräfte verloren zu haben. Vielleicht als Spätfolge des magischen Sprungs? Wie sollte sie es sonst erklären, in dieser wichtigen Angelegenheit so wenig erfolgreich zu sein?
Zur Probe nutzt Runa kleinere Sprüche. Sie entzündet das Feuer im Kamin und bereitet das Frühstück mit Magie. Das klappt jedoch genauso ohne Probleme, wie die Änderung ihrer Gestalt. Deshalb muss etwas anderes die Ursache sein, aber was?
Voller Verzweiflung nimmt Runa an einem Nachmittag Kontakt zu Danrya auf. Atropaia ist in dem Sessel eingeschlafen, den ihre Freundin aus dem Haus in Ochsenham hierhergeholt hatte. Er ist inzwischen zu ihrem Lieblingsplatz geworden, auf dem sie sich immer öfter in eine dicke Decke einmummelt und meistens schnell einschlummert. Das