DIE KIRCHE – Völlig am Ende. Martin Becker
Читать онлайн книгу.die mich hassen.“
Kann das sein? Kann ein Gott eifersüchtig sein, oder gar beleidigt?
Wer sind wir Menschen, die a.) solchen Gedanken einem Gott zuordnen und b.) sich einem solchen Gedanken unterordnen?
Beleidigt sein, als göttliche Eigenschaft?
Wir können uns ja bereits gut vorstellen, wie solch ein Bibeltext in die Vulgata eingeflossen ist: Irgendwelche alten Schriften, gefunden über einen autoritären Religionsführer Moses, der im Zuge der Völkerwanderung dafür sorgte, seinem Dorf ein neues Zuhause zu geben.
Er konnte die Autorität, die er selbst nicht hatte, ganz inkognito auf eine andere Autorität schieben, damit das Volk sich nicht gegen ihn erheben konnte und ihm eifrig in der Spur folgte. Ein toller Trick.
Doch uns interessiert die Frage: Warum muss Gott beleidigt sein?
Beleidigung beinhaltet, wie das Wort schon sagt, den Begriff „Leid“.
Bin ich beleidigt, dann hat mir jemand ein Leid zugefügt. Das wäre weiter nicht schlimm, wenn mich diese Beleidigung nicht treffen könnte. Ich könnte mich darüber hinwegsetzen, das Gegenüber anlächeln und die Sache auf sich beruhen lassen.
Wenn ich also gemäß dem 3. Gebot den Namen des Herren missbrauche, dann könnte Gott, der Schöpfer der Milchstraße und des Andromeda Nebels, lächeln und die Sache auf sich beruhen lassen. „Kleine, dumme Menschen …“
Bei einer Beleidigung aber, leidet Gott. Er hält dieses Leid möglichst lange in Erinnerung aufrecht, damit er auch möglichst lange daran zehren kann.
Wer nach dem 3. Gebot Gottes Namen missbraucht, der kommt in die Hölle, und seine Nachfahren bis zur 4. Generation werden heimgesucht. (Also, auf Deutsch: Ihnen widerfahren schlimme Dinge.)
Eine Generation hatte früher vielleicht 20 Jahre. Das heißt, dass Gott mindestens 80 Jahre lang nach dem Missbrauch seines Namens immer noch so beleidigt sein muss, dass er sich an den Nachfolgern dafür rächt. (Wehe, aber einer von ihnen würde seinen Namen auch missbrauchen, dann würde die Strafe für die darauffolgenden 4 Nachfolge- Generationen von vorn anfangen.)
Wenn also meine kleine Tochter so lieb ist, dass sie niemals in ihrem Leben den Namen Gottes missbrauchen würde, würde ihr Sohn (mein Enkel) noch darunter zu leiden haben, dass mein Opa (sein Ur-Ur-Großvater) einmal lästerlich geflucht hat.
Beleidigung hat mit Leid zu tun.
Ein Gott, der sagt: „Mimimi, der hat mich verhänselt“, und das 80 Jahre direkt nach der Tat und danach sowieso als ewige Höllenstrafe am großen Jüngsten Gericht, der hat ein wirklich, wirklich schwaches Selbstwertgefühl.
Behalte bitte immer im Hinterkopf: Es war der jungsteinzeitliche Simon, der ihm diese Eigenschaft gab.
Beleidigt Sein kann auch Dominanz bedeuten.
Ich kann auch beleidigt sein, um dem anderen gegenüber Macht zu demonstrieren. „Ich spreche so lange nicht mehr mit Dir, bis Du Dich bei mir entschuldigt hast.“
Gott sagt: „Du darfst erst wieder ins Paradies, wenn Du mich wieder lieb hast“.
Doch, das setzt voraus, dass ich mich selbst daran erinnern muss, dass ich leide und warum.
Eine Erinnerung ist immer nur ein Gedanke.
Ich gebe Dir mal ein Beispiel:
Es gibt zwei Räume, in einem Raum befindet sich ein Stuhl, der andere Raum ist leer. Du sitzt auf dem Stuhl im ersten Raum.
Dann stehst Du auf und gehst hinüber in den zweiten, leeren Raum, und Du kannst den Stuhl nicht mehr sehen. In Deiner Erinnerung ist dieser Stuhl jedoch noch im Nachbarraum vorhanden. Die einzige Realität zu diesem Stuhl besteht nur noch in Deiner Erinnerung.
Deine Lebenserfahrung sagt Dir zwar, dass der Stuhl noch immer im Nachbarraum vorhanden ist, aber Dich selbst betrifft er nicht mehr. Die Frage ist: Was ist dieser Stuhl in Bezug zu Dir? Die Antwort lautet: Nichts. Der Stuhl befindet sich gerade jetzt in Deiner Erinnerung, nicht in Deiner Realität.
Ich kann nur so lange beleidigt sein, wie die Erinnerung den Status des Leids aufrechterhält. Auch wenn die Vergangenheit nur noch ein Gedanke ist und sich nur noch im Kopf abspielt, bleibt das Leid fortbestehen.
Ich denke Leid. Die Beleidigung ist fort und übrig bleibt das Jammern um vielleicht einen verletzten Stolz, der eigentlich schon vorher verletzt war, sonst gäbe es das Leid nicht.
Oder ich denke Leid, weil ich meinen Willen nicht gekriegt habe. Ich habe auf den anderen Zwang ausgeübt. Der hat nicht darauf reagiert und jetzt bin ich beleidigt.
Ein Gott, der straft, ist mit Mustern aus der Vergangenheit behaftet. Er ist mit den Erinnerungen aus der Vergangenheit verklebt und kann den augenblicklichen Zustand nicht als Realität wahrnehmen. Wenn Gott straft, lebt er in seinem Kopf, genau wie ich als Mensch, aus seiner Erinnerung heraus.
Und wieder kann ich die Frage an Gott stellen: Welchen Bezug hat die Sünde des Menschen zu Dir? Die Antwort lautet wieder: Keinen. Die Sünde ist vorbei. Sie ist Erinnerung. Übrig bleibt das Aufrechterhalten des Leids, des Stolzes oder der Macht.
Dies sind menschliche Eigenschaften, keine göttlichen. Ein beleidigter Gott würde verletztes Leid und enttäuschten Stolz in sich tragen, oje, wie kleinlich. Das wäre absolut undenkbar.
Aber es ist nett, sich zankende Götter im griechischen Olymp vorzustellen - für diejenigen die etwas einfacher gestrickt sind.
Das Jüngste Gericht ist das große „Traraa“ eines beleidigten Gottes.
Wäre sein Stolz oder sein Zwang zuvor im Gleichgewicht, wäre er überhaupt nicht beleidigt, und er könnte sein großes Zeremoniell mit den sieben Büchern und zwölf Reitern und dreiköpfigen Drachen einfach vergessen und die Leute willkommen heißen, die ihn besuchen.
Wir Menschen im christlichen Abendland müssen schon etwas beschämt zu Boden blicken: Unsere gesamte Gesellschaft, fast ein Viertel der Erdbevölkerung, ist seit Jahrtausenden darauf aufgebaut, nicht ein göttliches Wesen anzubeten, sondern irgendein gekränktes Waschweib.
Wir kommen noch darauf zu sprechen, an was oder an wen Gott sich eigentlich überhaupt rächen will: Wenn Du tot bist, muss Deine Seele für Dich geradestehen.
Diese hat aber kein Gehirn oder keinen USB- Stick, um Deine Erinnerungs- Daten irgendwohin abzuspeichern.
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