B wie Beziehungswelt. Dieter Lüders

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B wie Beziehungswelt - Dieter Lüders


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Art der Partnerfindung ist, dass man mit Worten nicht alles beschreiben kann. Und die wenigen Worte, die man zur Verfügung hat, an denen hängt die ganze Beziehung hinterher. Du hast doch geschrieben, dass du tolerant bist? Bin ich ja auch, aber nur mir selbst gegenüber. Ich darf alles, und du darfst gar nichts. Oder umgekehrt - das Selbstunterschätzen: Du darfst alles, und ich fordere gar nichts. Diese Art der Toleranz führt ins Nichts. Wer nach allen Seiten offen ist, der ist nicht ganz dicht.

      Wer wiederum zu engstirnig ist, der ist zwar ganz dicht, aber auch geradezu vernagelt und verkorkst. Nicht nur den Begriff der Toleranz kann man wie eine Münze von zwei ganz unterschiedlichen Seiten sehen. Jedes Charaktermerkmal kann man negieren. Kinderlieb? Was für Kinder? Alle Kinder? Nur die guten oder auch die ungezogenen? Die eigenen oder nur die eigenen nicht mehr? Häuslich: Stubenhocker und Sofapantoffel oder Inneneinrichtungsgenie? Treu: Wem oder was? Dem Esszwang und dem Nikotin treu?

      Schnell wird man sich den Charaktereigenschaften des anderen in den seltensten Fällen nähern. Jeder bringt schon Begriffsmerkmale mit. Und jeder wird seiner Ansicht treu bleiben wollen. Es wird lange dauern, bis beide mit denselben Worten auch dasselbe meinen. Es gibt viel zu entdecken; so ist das mit den Annoncen. Es ist mehr eine Entdeckungsreise für Reisefreudige. Aber eine Partnersuche ist das gewöhnlich nicht.

      Es ist Neugier und Widerstand gegen den Stillstand. Echte Partnersuche sollte eher etwas mit Menschenfreundlichkeit zu tun haben. Da macht man nicht zwei Häufchen: A-Körbchen und B-Körbchen. Bei A gleich anrufen oder bei B später melden.

      Bei Zuschriften hat man sich eine ganz schöne Herausforderung aufgeladen. Diese Worte kann man nicht richtig deuten, weil sie geschrieben und nicht gesprochen wurden. Wenn ich zu jemandem sage, dass er ein Schwein ist, dann ist das schlimm. Wenn ich es ihm schriftlich gebe, dann ist das noch schlimmer. Aber wenn ich das zu einem Hund sage, dann freut er sich. Wenn ich es einem Hund schriftlich gebe, dann frisst er den Zettel, oder er hebt sein Beinchen darauf.

      Gesprochene Worte wirken anders als geschriebene. Ob etwas ernst gemeint ist oder nicht, wie ernst es ist oder wie spaßig es gemeint ist, das hängt auch von den begleitenden Gesten ab. Auf Papier bekommt man die nicht untergebracht.

      Ein Mann kann mit jeder Frau glücklich werden, solange er sie nicht liebt.

      Oscar Wilde

      Eheanbahnungsinstitut

      Wie die vorangegangenen Punkte, so habe ich auch das ausprobiert. Nicht aber als Kunde, sondern als Institutsleiter. Ich habe einer alteingesessenen Unternehmung auf die Finger geschaut und dann in meiner Heimatstadt einen Gewerbeschein beantragt. Fortan war ich Chef eines Eheanbahnungsinstituts. Schnell hat sich aber herausgestellt, dass unsereins aber auch nur mit Wasser kochen kann. Diese Art der Beziehung hat eine dritte Partei: Den Vermittler.

      Mann und Frau und der Moderator dazwischen. Mit zwei Personen kann man aber kein Partnervermittler sein. Also muss eine gewisse Anzahl von Teilnehmern vorhanden sein oder beschafft werden. Ein großer Karteikasten mit allen Partnersuchenden in unserem Lande, das wäre der Idealfall. Der Vermittler lernt alle Leute selber kennen und kann dann sagen, wer zu wem passt. Der Realfall sieht aber ganz anders aus.

      Es gibt viele Institute. Das heißt, dass sich die Teilnehmer auf alle Institute verteilen. So kann es sein - und so ist es auch -, dass zwei Menschen füreinander bestimmt sind, aber beide werden von verschiedenen Unternehmen betreut. Zwischen diesen beiden wird es wahrscheinlich niemals zu einer Partnerschaft kommen.

      Die Firmen haben sich den Markt aufgeteilt. Manch einer verfügt nur über wenige hundert Kunden. Alt und Jung, groß und klein, reich und arm. Im seltensten Fall findet sich überhaupt eine Kombination. Es ist ein ungeschriebenes Geheimnis, dass viele Agenturen nur an sich selber denken. Lockangebote und nichts dahinter. Das ist die Realität in den meisten Fällen. Es gibt große Firmen, die eine Auswahl haben. Aber die kennen ihre Kunden dafür zu wenig. Sie haben sich ein paar Stichworte aufgeschrieben, und das ist alles.

      Zusammengefasst kann man also mit Fug und Recht behaupten, dass so etwas nicht funktionieren kann. Es gibt auf diese Art zustandegekommene Partnerschaften, keine Frage. Aber das beruht auf ebensolchem Zufall wie bei allen anderen Methoden. Die Idee an sich ist gut. Jemand fügt Männlein und Weiblein zusammen, so lautet die Wunschvorstellung. Der Vermittler nährt das Bild, indem er die wenigen Punkte hervorhebt und die Kunden dann zappeln und zahlen lässt.

      Wir haben bestimmt den richtigen Partner für Sie. Wenn Sie das nicht so sehen, dann sind Ihre Ansprüche zu hoch. Aha. Irgendjemanden will man aber nicht heiraten, aber das sehen die ganz anders. Im ärgsten Fall geht der Vermittler mit einem noch zur Bank und sieht zu, wie man einen Kleinkredit aufnimmt. Was sich wohl eine Bankangestellte dabei denkt?

      Ein junger Mann kommt mit einem Partnervermittler in die Bank und sagt der vielleicht jungen und attraktiven Bankmitarbeiterin, die vielleicht alleinestehend ist, dass er einen Kredit für die Partnersuche bei ihr aufnehmen möchte. Der Vermittler könnte das auch für ihn sagen, weil er ja zu schüchtern ist, die Bankmitarbeiterin als Partnerin in Betracht zu ziehen.

      Er könnte aber auch bei anderen Banken nach einem Kredit fragen... Eine coole Masche, wenn er nur nicht den Vermittler mitschleppen würde...

      Wie auch immer - ein Institut für Partnervermittlung ist eine legale Unternehmung und zahlt Steuern. Es ist legitim, aber nicht moralisch einwandfrei. Die Anzahl der Teilnehmer ist begrenzt, und es können nur die vorhandenen Kunden vermittelt werden. Manch eine Agentur sucht weitere Partner dann per Inserat. Das dauert und treibt den Preis. Viele füllen damit ihren Pool. Der Karteikasten ist das Maß aller Dinge in solchen Fällen.

      Man kann nämlich nur das vermitteln, was da ist. Und um das zu ermöglichen, bedarf es eines gewissen Wohlwollens. Schönreden, das ist das Stichwort. Woran man selber nicht gedacht hat, das wird möglich, wenn man es nur einmal, von einem wohlwollenden Vermittler, umgedreht zu hören bekommt. Jeder Charakterzug ist wie die Medaille mit ihrer zweiten Seite.

      Es kann gut sein, dass die Frau zehn Jahre jünger ist. Aber gewollt war das nicht. Das Aussehen, der Finanzstatus, alles kann man auch von der anderen Seite sehen. Bei Instituten ist man darin sehr geübt. Selbst zwei Scheidungen sind kein Hindernis, weil ja alle guten Dinge drei sind. Die dreizehnte Hochzeit, sie birgt nur für abergläubische Menschen Unheil, und sie sind doch wohl nicht abergläubisch? Nein, natürlich nicht... Eine Suggestivfrage.

      Diese Beziehung zwischen Partnersuchendem und Vermittler ist eben auch eine Beziehung, und jeder der beiden Parteien hat seine Methoden, wie er sich in dieser Beziehung verhält. Der Vermittler hat seine nächste Rate für das Auto oder sein Haus im Hinterkopf. Auch sein Fernseher müsste mal neu, und wenn er diesen Menschen vermittelt, dann kann er sich vielleicht die dritte Partnervermittlung für diesen Monat in den Kalender schreiben. Sein Umsatzziel. Was vielleicht noch interessanter und unbekannter ist, das ist der Grund, warum man sich einem Dritten offenbart und warum man sich deren Dienst kaufen möchte. In Wirklichkeit wollen Kunden eines solchen Instituts sich oft auch einfach nur aussprechen. Sie wollen ihre Sorge besprechen und erhoffen sich davon eine Lösung. Neutral sind derartige Mitspieler naturgemäß nicht. Sie haben ein Interesse, und das ist etwas anders gelagert als die Einsamkeit des Kunden. Einsamkeit treibt die merkwürdigsten Früchte. Warten und Hoffen genügt vielen nicht. Sie wollen was dagegen tun. Ok, das kann man tun. Aber man sollte sich gewiss sein, dass, wenn die erst einmal anfangen zu reden, man dann sehr schnell in deren Bann gezogen wird. Sollte es tatsächlich klappen, und man wacht nach einigen Jahren einmal auf und fragt sich, wie das alles gekommen ist und wo die Wurzeln sind, dann kann man nur sagen, dass der freundliche Mitarbeiter des Instituts in den Geschäftsräumen der Bank die letzten Zweifel ausgelöscht hat. Möglicherweise hatte man die sechstausend Euro ja auch in bar auf den Tisch legen können. Dann wird man seinem Geld dankbar sein können. Eine glückliche Fügung sieht so nicht aus. Das ist ein harter Eingriff ins Schicksal. Es muss viel gebastelt und improvisiert werden. Und niemand möge hinterher Fragen stellen. Das ist wie bei der Schönheitschirurgie. Alles da, alles an seinem Platz. Aber ein Gesamteindruck ist nicht sichtbar. Es fehlt das Zusammenspiel der Elemente. Das Dazwischen ist nicht da. Es ist Patchwork. Der linke Kotflügel


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