B wie Beziehungswelt. Dieter Lüders
Читать онлайн книгу.Dort hat man zusammen gelernt, was Hinfallen und wieder Aufstehen ist. Von ganz klein auf oder in der Schule von nur klein auf. Auch von größer auf geht gut. Wer sich in der Schule oder in der Berufsschule kennen gelernt hat, der weiss alles vom anderen. Als Kind, da hat man sich noch nicht so viel Mühe gegeben, sich zu zeigen. Da war man einfach, und basta. Partnerschaft, Familiengründung, Ehekrise, alles Fremdworte. Doktorspiele, na gut. Es war Kindheit. Man wollte die Welt entdecken und hat gemerkt, ups, da gibt es auch noch andere. Sitzenbleiben, Umzug und anderes Ungemach. Nicht viele kennen sich so lange Zeit. Oft kam etwas dazwischen. Auslandsaufenthalte und Fernbeziehung. Harte Proben und meist auch verheerend. Anstreben kann man diese Anbahnung nicht mehr; nachtrauern kann man ihr. Und das sollte man auch. Nur wer trauern kann, der kann sich auch freuen. Nur wer noch Gefühle hat, der kann auch Partner werden. Nur wer seine Gefühle lebt, mehr oder weniger öffentlich, wenn möglich, der wird auch als Mensch gesehen. Gefühle sind eine Glasfassade. Gehabe und Gebaren sind Pappmaché.
Wenn Männer sich mit ihrem Kopf beschäftigen, nennt man das Denken. Wenn Frauen das gleiche tun, heißt das Frisieren.
Anna Magnani
Auf der Arbeit / im Job
Acht Stunden unterm Strich ist man jeden Tag mit seinen Kollegen zusammen. Da kommt man sich nahe. Spätestens wenn einen der Chef bloßstellt, dann ist Hose-Runterlassen angesagt. Einen Anpfiff wegstecken, das spricht Bände. Mit Lob umzugehen, das kann viel verraten. Auch in den Pausen ist viel Austausch möglich. Nicht umsonst ist der Arbeitsplatz einer der meistverbreiteten Ehestifter. Aber auch hier gibt es Haare in der Suppe. Versetzungen und Gerede. Heimlichkeiten kommen auf den Plan. Einfach ist das nicht. Und die Lösung ist es auch nicht. Wo sind denn nur glückliche Ehepaare am Werkeln? So geht es also auch nicht. Aber wo sind die Probleme und Fallstricke? Was zerstört Beziehungen am Arbeitsplatz? Entstehen tun sie von selber, und das nicht in geringer Zahl. Nur, dauerhaft und nachhaltig, das scheinen sie nicht zu sein. Es ist das Gerede. Man zerreisst sich den Mund darüber, dass sich zwei gefunden haben. Also wird es verschwiegen und vertuscht. Der andere denkt sofort: schämt er sich für mich? Vielleicht gibt es viel mehr verdeckte Ehepaare, als man auf den ersten Blick erkennt. Verdecken ist doch das wichtigste an Arbeitsplatzbeziehungen. Störfeuer kommen sonst von vielen Seiten. Entscheidungen könnten sonst auf die Partnerschaft umgemünzt werden. Sachlichkeit und Unternehmensgunst wären dann nur Nebensache. Abteilungskämpfe schlügen sich direkt auf die Partnerschaft nieder. Nur weil ihr zusammen seid... Ein Totschlagargument. Liebe und Beziehung in der Firma sind also herzlich willkommen, und sie überleben in diesem Fall auch nur dank einer Fassade. Doch die muss um die Beziehung herum aufgebaut werden, nicht dazwischen. Hier haben also zwei Leute die Aufgabe, etwas darzustellen. Diejenigen, welche daran rütteln wollen, die greifen einzeln an. Sie sind also jeweils in der Minderheit und sollten damit nicht durchkommen. Deren Kollegenbeziehungen sind nicht so haltbar und tragfähig wie eine intime Zweisamkeit. Die sollte das ertragen.
Amors Streifschüsse nennt man Flirt.
Georg Thomalla
Sonstige Orte
Im Supermarkt, bei einer Taufe, beim Sport, in der U-Bahn oder bei einer Hochzeit. Es gibt unzählige Möglichkeiten, bei denen sich Menschen kennen lernen. Bei einem Telefonat mit dem Stromanbieter, oder der Handwerker, der die Waschmaschine repariert. Zu Hause oder im Urlaub, die Stewardess oder die Krankenschwester. Es gibt bald acht Milliarden Menschen auf unserer Erde. Man kann weniger und weniger alleine sein. Immer und überall sind sie, die anderen Menschen. Man müsste sich Scheuklappen aufsetzen, wollte man nicht sehen, was auf unserem Globus umher wimmelt. Es gibt nur leider kein Zeichen, dass man auf der Suche ist. So wie Kraftfahrzeuge ein Kennzeichen, so sollten Singles eines tragen: bin noch zu haben. Und warum läuft man nicht mit solch einem T-Shirt-Aufdruck herum? Weil es peinlich ist. Es ist nicht gottgewollt, dass der Mensch alleine ist. Man würde die Nase rümpfen, sähe man so jemanden. Aber als ernst zu nehmenden Partner würde man den nicht ansehen. Was würde er sich in Zukunft auf die Brust schreiben? Meine Frau ist frigide? Braucht mein Mann Viagra? Ansehen darf man sich nichts lassen. Andererseits sollen es aber auch alle wissen. Was für eine Krux... Man kann nicht durch's Leben gehen, ohne Botschaften auszusenden. Dass man auf der Suche ist, das darf man aber nicht senden. Also übertüncht man es. Und genau nach diesen Übertünchungszeichen muss man suchen. Wer nun annimmt, dass Suchen etwas damit zu tun hat, dass man sich umschaut wie auf einem Bazar, wo alles in Überzahl angeboten wird, der täuscht sich. Singles in Überzahl sind zwar vorhanden, aber die Maskeraden des Glücks stehen davor. Diese gilt es zu durchschauen. Es ist eher wie mit der Erdölbohrerei. Man muss hier und da mal eine Probebohrung wagen und sich einen Reim auf das zutage Beförderte machen. Ansprechen und mal etwas riskieren, das ist der Kern. Warum und wieso man nun jemanden anspricht, das ist nach dem oben gelesenen völlig egal. Könnten Sie meine Tasche mal kurz halten? Mein Schuhband ist aufgegangen, und überhaupt. Der Zweck heiligt die Mittel. Wer wirklich mit einem anderen Menschen reden will, warum auch immer er ihn näher kennen lernen will, dem fällt ein geeigneter Vorwand zur rechten Zeit ein - an welchem Ort und in welcher Situation auch immer. Hilfsmittel wie Partnerbörsen und Kontaktportale, Institute und Veranstaltungen stören dabei nur. Wer wirklich will, der kann. Und wer nicht kann, der will nicht wirklich. Das ist das eigentliche Problem. Nicht die Vermittler sind mangelhaft, man selber ist es. Es mangelt an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, wenn man niemanden offen und frei ansprechen kann. In sich trägt man die Blockade zur Zweisamkeit. Das sollte man auch nicht auf Institute und Portale, auf Zeitungsannoncen und andere Helferlein abwälzen. Wer so etwas tut, dem sei gesagt, dass er mit sich selber nicht im Reinen ist. Er hat eine unbezahlte Rechnung in der Brieftasche auf seiner Brust. Vor seinem Herzen trägt er etwas her, was ihm im Weg steht. Entweder er trägt es mutwillig vor sich her und will es nicht ablegen, oder er weiss davon nichts. Wer dieses hier gelesen hat, der sollte wissen, dass er sich vor einer Partnerschaft nicht mehr fürchten muss. Er ist enttarnt und durchschaut. Die Bahn ist also frei. Bitte, geh hinaus und such dir jetzt und hier deinen Partner. Sprich denjenigen an, mit dem du glaubst dein Leben teilen zu können. Wenn es heute nicht klappt, ok. Versuch es morgen wieder. Sprich morgen oder übermorgen hier oder woanders jemanden an. Tust du es nicht, so hast du noch ein Problem. Du! Du bist vielleicht noch nicht reif für eine Beziehung. Dieses Problem hält dich ab von einer Eheabsicht. Gib nicht Geld aus, um Leute oder Institutionen damit zu betrauen, dich um deine Selbsterkenntnis herum zu mogeln. Finde dein Problem. Bist du nicht reich genug für ein Haus und den Platz für deinen Nachwuchs? Hast du geheime Wünsche, die du nur deiner Traumpartnerin offenbaren willst, dann träum weiter. Menschen sind nicht dazu geschaffen, dass sie ihren Eigensinn und ihre Gelüste ausleben. Und das auch noch in Gemeinschaft eines Partners. Gut, man kann sich sein Leben dahin zurecht biegen, aber glücklich wird man damit nicht. Partnerschaft, die nachhaltig ist, die glücklich macht, die gipfelt in einer Ehe und im Kindersegen. Kinder müssen dabei nicht aus Fleisch und Blut sein. Gute Ideen sind auch wie Kinder. Weisheiten kann man auch gebären, und sie werden Generationen überdauern. Von Kindern weiss man das nicht. Es ist eher so, dass man erst Weisheit haben muss. Was auch immer danach kommt. Aber ohne die Weisheit des Schöpfers wird man nicht schöpfen können. Gar nichts. Ohne dem Meister auf die Finger geschaut zu haben, wird alles nur Stümperei sein. Menschen schaffen - wie das funktioniert, das weiss nur er. Menschen wissen sich zu helfen, wenn sie ihrer Herkunft auf den Zahn fühlen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Umwege sind da, Abwege sind da. Patchwork ist möglich, aber nicht nachhaltig.
Liebe auf den ersten Blick ist ungefähr so zuverlässig wie Diagnose auf den ersten Händedruck.
George Bernhard Shaw
Nachbarschaft
Nachbarschaft ist nicht gleich Nachbarschaft. Im Idealfall wohnen sie Tür an Tür. Man borgt sich eine Tasse voll Mehl für den Kuchen, und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Es gibt aber verschiedene Wohngegenden. In der Stadt ist es unterschiedlich. Wohngegenden mitten in der Stadt sind mit vielen Geschäftsräumlichkeiten belegt. Dort hat man nicht so viele Nachbarn. Altbauwohngegenden sind schon eher geeignet. Etwas weiter zur Stadtgrenze hin wohnt man sehr gemischt. Hier findet