Liebe und Alltag in der DDR. Helena Zauber

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Liebe und Alltag in der DDR - Helena Zauber


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und ungewohnt.

      3. Kapitel

       U

      

       mso größer war die Freude

      Oh je, mein armer Hannes dachte ich damals und heute nach 35 Jahren, denke ich das auch.

      Er schrieb, dass er in einer „10-Mann-Bude“ sei. Dass er nur einmal in der Woche, mittwochs, duschen konnte, ansonsten nur mit kaltem Wasser waschen!

      Und das ihm! Er duschte mindestens einmal am Tag, manchmal zweimal. Er schrieb:

      „Ich muss ganz ehrlich sagen, es ist große Scheiße.“

      Versicherte mir aber, er nehme das alles nicht so verbissen. Wer das glaubte, kannte Hannes nicht.

      Die gute Nachricht war, dass die Vereidigung schon am 18. Mai sein würde.

      Das bedeutete, wir konnten uns schon nach gut zwei Wochen wieder sehen.

      Hannes bat mich, alleine zu kommen, da er bis 20:00 Uhr Ausgang bekäme.

      „Ich will keinen weiter hier haben.“, schrieb er.

      Dann kamen genaue Beschreibungen, wie ich zur Kaserne käme und eine Aufzählung, was ich ihm sofort schicken sollte.

      Wenn ich das heute lese, klingt es schon ein wenig nach Befehl. Aber ich war damals so verliebt und glücklich, dass Post von ihm kam, dass ich das wohl nicht bemerkte.

      Außerdem stand am Ende ja schließlich, dass er mich liebe!

      Der ganze Brief war tatsächlich nur eine A5-Briefkarte. Aber es waren Zeilen von meinem Hannes! Noch 12 Tage, dachte ich, bis zu unserem Wiedersehen.

      Meistens habe ich oft schon den nächsten Brief angefangen, wenn mein vorher geschriebene abgeschickt war. Das macht es heute ein wenig mühsam, gerade jetzt am Anfang, zu erkennen und sich zu erinnern, wann was war. Aber die Erinnerungen kommen beim Lesen. Manchmal muss ich eine Pause machen und sortieren, was ich gerade gelesen habe. Aber das meiste fällt mir wieder ein und ich hoffe, dass bleibt so während der Lektüre der 410 Briefe.

       H

      

       annes zweiter Brief,

      

      „Mein lieber Fratz! Ich hoffe, du hast meinen ersten Brief erhalten. Wie ist es so, ohne mich Ekelpaket? Ich jedenfalls würde viel lieber mit Dir Gnatzpaket zusammen sein als hier. Ich liebe Dich eben!“

      Gnatz- und Ekelpaket nannten wir uns scherzhaft, wenn Hannes und ich nach einem Streit Versöhnung feierten.

      Aber, das würde jedem so gehen, der nicht freiwillig bei der Armee ist, denke ich heute. Bin schon auf meine damalige Antwort gespannt. Er schrieb weiter:

      „Urlaub gibt es höchstwahrscheinlich im August für 5 Tage. Könntest Du Dir ja schon mal festhalten. Besuchen könntest Du mich ab Mitte Juni jeden Sonntag von 10:00 bis 21:00 Uhr.“

      Nichts, was darauf hindeutet, dass er sich freuen würde, wenn ich käme und auf den Urlaub, sondern:

      „Vom 15. Juni bis 7. Juli sind wir im Feldlager, also nicht hier. Ansonsten bleibe ich in Rostock. Flur bohnern (70 m lang), Revier reinigen, Schrankbau, Bettenbau sind zur Zeit meine Hauptbeschäftigungen. Ab Montag geht es los mit Frühsport, eine Woche lang jeden morgen 3000 m laufen. Unterwäsche, Strümpfe und Kragenbinden schicke ich Dir dann zum Waschen, d.h. wenn Du es für mich machen würdest? So das wär´s wieder für heute (Sonntag der 5. 5). Bis zur Vereidigung sei ganz lieb gegrüßt von Deinem Hannes.“

       M

      

       ein dritter Brief

      „Mein lieber Fratz! Heute habe ich Deinen Brief bekommen. Dem Hilferuf wird gefolgt. Die Latschen schicke ich mit den Schlafanzügen, die ich morgen erst kaufen muss. …alles weitere im Brief, der ja schon da sein muss. Ich küsse Dich ganz doll Dein Fratz.“

      So ein kurzer Brief war für mich sehr ungewöhnlich. Meine Briefe waren meist echt lang. Ich schrieb, dass ich Post meiner Schwester weiter geschickt habe, dass er ja doch Geld bekäme für den Monat Mai, was ja für den Umzug helfen würde und dass ich alles morgen, also am 7. 5.85 genauer schreiben würde. Wahrscheinlich wollte ich das Paket so schnell wie möglich aufgeben und habe diese Briefkarte mit den wichtigsten Informationen für Hannes kurz gefasst.

       U

      

       nd dieser, mein vierter Brief

      Darin berichte ich z.B. dass meine Freundin Konstanze mit mir Besorgungen machte. Ich für Hannes, sie für ihren Frank, der ja auch bei der Armee war. Es gab Engpässe beim Packpapier um die Pakete an unsere Männer einzuwickeln. Irgendwie gelang es uns dann doch, welches zu organisieren.

      Ich beschreibe auch, wie ich das erste Paket verschickt habe.

      Also ganz normaler „DDR-Alltag“.

      Dann kommen meine Reaktionen auf Hannes´ zweiten Brief:

      „Es ist ganz beschissen ohne Dich, Ekelpaket! An Deiner Stelle würde ich wohl auch lieber mit irgendwem zusammen sein, als dort in Rostock! Du schreibst, dass ich Dich besuchen kann. Willst Du das denn überhaupt? Ich könnte ja mindestens jeden zweiten Sonntag, wenn ich frei habe, kommen.“

      Weiter schrieb ich:

      „Natürlich kannst Du Deine stinkigen Socken und schwarzen Kragenbinden schicken.“

      Ich glaube, dass damals alle Ehefrauen, Freundinnen und Mütter von Soldaten das taten. Wohl denjenigen, die eine Waschmaschine, z.B. eine WM 66 hatten! Was nicht unbedingt für jeden Haushalt galt. Aber in der Wohnunterkunft gab es eine.

      Dann schrieb ich ihm noch genau, wie ich zur Vereidigung käme, mit welchem Zug usw. Dafür hatte ich das aktuelle Kursbuch durchstöbert.

      „Ich freue mich schon so auf den 18. 5.! Hoffentlich fällt kein Zug aus oder verspätet sich. Irgendwie ist das alles ganz komisch, ich weiß nicht! Manchmal sehe ich von der Kochstraße aus jemanden, der Dir auf den ersten Blick ähnelt. Dann wundere ich mich, dass Du nicht zu mir kommst. Beim Fernsehen abends, denke ich, Du kommst ja bestimmt gleich von der Spätschicht oder von einem Lehrgang wieder.

       Aber Frank ist tatsächlich noch beschissener dran als Du! Der muss nächstes Jahr im Mai nach Kasachstan Raketenschießen üben. Die haben wohl in Basepohl SS20! Da sind sie drei Wochen unterwegs für dreimal schießen.“

      Wenn ich das heute lese, stockt mir der Atem!

      War es mir damals nicht bewusst über was ich da schrieb? Oder war es der „Kalte Krieg“, der uns Menschen auf beiden Seiten so alltäglich vorkam, dass uns gar nicht bewusst war, auf welchem Pulverfass wir lebten, im Osten wie in Westen?

      Oder dachte ich, damit könnte ich Hannes trösten, dass er ja nur in ein ganz normales Feldlager musste?

      Fakt ist, dass wir uns damals, wie so viele andere auch, in unserer kleinen Welt einrichteten, unsere Liebe lebten und diese ungeliebte Armeezeit unbeschadet überstehen wollten. So schrieb ich weiter:

      „Soll ich mich mal um ein Zimmer in Rostock bemühen oder kannst Du sowas organisieren? Jetzt im Sommer geht das ja alles vielleicht irgendwie, aber im Winter?“

      Ich dachte wohl auch daran, dass es ziemlich teuer werden würde, wenn wir uns jedes Mal, wenn ich Hannes besuchte, ein Hotelzimmer nähmen. Wo sollten wir mit unserer Lust aufeinander sonst hin? Es draußen zu treiben, schien mir sehr kompliziert in einer Stadt wie Rostock. Mir fehlte unsere


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