Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3. Rudolf Cronau

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Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3 - Rudolf Cronau


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Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von

      Amerika am 4. Juli 1776.

      Nach dem im Kapitol zu Washington befindlichen Gemälde von J. Trumbull.

      * * *

      Der Anteil der Deutschen an der Erschließung und Besiedlung der westlich von den Alleghany’s gelegenen Gebiete – Die deutschen Ansiedler im Strombebiet des Ohio

       Der Anteil der Deutschen an der Erschließung und Besiedlung der westlich von den Alleghany’s gelegenen Gebiete – Die deutschen Ansiedler im Strombebiet des Ohio

      Von allen Dokumenten und großen Ereignissen der menschlichen Geschichte haben keine die freiheitlichen Bestrebungen und die Zustände der Völker so mächtig beeinflusst, wie die Unabhängigkeitserklärung und die Aufrichtung des Bundes der Vereinigten Staaten von Amerika. Die erste bedeutete nicht bloß eine entschlossene Lossagung von einem mächtigen Monarchen, dem man unverblümt sein Sündenregister vorhielt, sondern zugleich einen geharnischten Protest gegen die uralte, bisher unangefochtene Lehre vom Gottesgnadentum der Herrscher.

       Gleich die zu Anfang des Schriftstückes niedergelegten Erklärungen waren, von einer weltumwälzenden, alle früheren Anschauungen umstoßenden Bedeutung. Sie lauteten: „Wir halten die folgenden Wahrheiten als erwiesen: Dass alle Menschen gleich geschaffen und von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind. Dass zu diesen Rechten Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören; dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt wurden, welche ihre Befugnisse durch die Zustimmung der Regierten empfangen; dass, wenn jemals eine Regierung gegen ihren Zweck verstößt und zerstörend wirkt, das Volk das Recht hat, die Regierung zu ändern oder abzuschaffen, eine neue Regierung einzusetzen, deren Grundlage auf solche Prinzipien zu legen und ihre Gewalt in solche Formen zu kleiden, wie sie dem Volk zur Förderung seiner Sicherheit und Wohlfahrt am zweckdienlichsten scheinen.“

      Gleich einem Feuerbrand wälzte sich dieser durch Thomas Jefferson in Worte gefasste, durch George Washington so glänzend in die Tat umgesetzte Freiheitsgedanke über die ganze Erde. Er flackerte zuerst in Frankreich auf, dem Land, welches den Amerikanern gegen England zur Seite gestanden hatte. Dann trieb er die spanischen Kolonien Mittel- und Südamerikas zu ihren erfolgreichen Unabhängigkeitskämpfen. Er fand ferner in den Freiheitsbestrebungen der westindischen Neger, der südafrikanischen Buren, in den Verfassungskämpfen fast sämtlicher europäischen Länder ein lebhaftes Echo.

      In Deutschland hatte man den Verlauf der amerikanischen Unabhängigkeitskämpfe mit äußerster Aufmerksamkeit verfolgt. Nicht bloß darum, weil viele hunderttausend Deutsche Amerika zu ihrer neuen Heimat erkoren hatten und zahllose Deutsche in den kämpfenden Heeren standen. Sondern weil auch in den Herzen der in Deutschland Zurückgebliebenen eine ungestüme Sehnsucht nach Freiheit brannte.

      Deutschlands Dichter und Philosophen feierten George Washington als einen Helden, der den größten aller Zeiten gleichzustellen sei. Das allgemeine Staunen wuchs, als Washington nach dem siegreich zu Ende geführten Krieg die Regierung der jungen Republik übernahm und dieselbe unter der Beihilfe von Männern bewährten Verstandes, unantastbaren Charakters und erprobter Vaterlandsliebe zu einem vollendeten Erfolg machte.

      Dieser Erfolg bewirkte natürlich eine starke Zunahme der Einwandrung. Verbürgten doch die Vereinigten Staaten den Ankömmlingen volle Gleichstellung in sozialer, und volle Freiheit in religiöser und politischer Beziehung. Obendrein waren durch den Krieg dem Gebiet der Union neue gewaltige Ländermassen hinzugefügt worden, die sich bis zum Mississippi erstreckten und wo sich den Einwanderern tausend Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer materiellen Lage darboten.

      Über die Stärke der deutschen Einwandrung während des vom Ende des Kriegs bis zum Jahre 1820 reichenden Zeitraums sind wir nur ungenügend unterrichtet. Weder in Europa noch in Amerika stellte man über den Abgang und Zuzug von Personen statistische Erhebungen an. Aber aus manchen anderen Quellen können wir schließen, dass die deutsche Einwandrung in die Vereinigten Staaten während der genannten Periode beträchtlich gewesen ist.

       Die Neuankömmlinge ließen sich entweder in den an der Ostküste bereits bestehenden Ortschaften nieder oder rückten den Kolonisten nach, welche sich zum Einmarsch in die jenseits der Alleghany-Gebirge liegende Gebiete entschlossen.

      Die furchtbaren Gräueltaten, welche von den verbündeten Briten und Indianern während des Krieges sowohl in jenen Gebieten, wie in den anstoßenden Teilen von New York, Pennsylvanien, Maryland und Virginien verübt worden waren, hatten den Zug der Ansiedler dorthin gänzlich zum Stocken gebracht. Die Ländereien der „Ohio Compagnie“, der „Mississippi Compagnie“ und anderer Kolonisationsgesellschaften lagen brach. Desgleichen die großen Besitzungen, welche George Washington als Anerkennung für seine während des Franzosenkriegs geleisteten Dienste zugesprochen worden waren. Wie sich aus noch erhaltenen Briefen ergibt, hatte Washington bei der Frage der Besiedlung seiner Besitzungen in erster Linie an deutsche Ackerbauer gedacht. Im Februar 1774 schrieb er von Mount Vernon an James Tilghman in Philadelphia: „Gewichtige Gründe fordern eine rasche, erfolgreiche und zugleich billige Kolonisierung dieser Ländereien. Von allen Vorschlägen, die mir unterbreitet wurden, versprechen keine bessere Erfolge, als die Besiedlung der Ländereien mit Deutschen aus der Pfalz.“

      Aus anderen Quellen wissen wir, dass Washington sich eifrig erkundigte, wie dieser Plan ausgeführt werden könne und ob es ratsam sei, einen intelligenten Deutschen nach der Pfalz zu senden, um dort Auswandrer anzuwerben und ihre sichere Überführung nach Amerika zu bewirken. In derselben Angelegenheit wandte er sich an den Reeder Henry Riddle und versprach den deutschen Bauern, die für ihn angeworben würden, nicht bloß die Reisekosten bis zum Ohio zu bezahlen, sondern sie auch bis zur ersten Ernte mit allem Nötigen zu unterstützen und ihnen für vier Jahre den Pachtzins zu erlassen. – Allen diesen Plänen machte der Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges ein Ende.

      Auch nach dem Kriege geschah die Besiedlung des Ohiogebietes nur langsam. Die unwirtlichen, mit ihren höchsten Gipfeln 2.000 m emporsteigenden Ketten der Appalachen- oder Alleghanygebirge bildeten einen Wall, der dem Vordringen der Ansiedler gen Westen außerordentliche Hindernisse bereitete. Denn das ungeheure, vom 32. bis zum 49. Grad n. Br. reichende Gebirgssystem bestand nicht etwa aus einem einzigen Rücken, sondern aus zahlreichen parallelen Ketten, die sämtlich mit dichten, an Unterholz reichen Urwäldern bewachsen waren. Diese zu durchdringen und die Ketten zu überschreiten, hatten bereits die ersten Erforscher dieses Gebirgssystems, die beiden Deutschen Johann Lederer und Henry Batte, während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sich vergeblich bemüht. Überall waren sie auf ein Chaos von Steinblöcken und gefallenen Baumriesen gestoßen, über und zwischen welchen üppig wuchernde Moose, Schlingpflanzen, Rhododendronsträucher und Balsamtannen dem menschlichen Fuß das Vordringen wehrten, dagegen Bären, Panthern, Wölfen, Füchsen und anderen Raubtieren sichere Schlupfwinkel darboten.

      Erst nachdem die Gefahr blutiger Zusammenstöße mit Franzosen und Briten geschwunden und es gelungen war, in der Gebirgsmauer einige Pässe zu entdecken, kam die Westwärtsbewegung der Ansiedler wieder in Fluss.

       Es standen für dieselben mehrere Wege offen: im Süden das berühmte Cumberland Gap, ein von Nordkarolina und Virginien nach Tennessee und Kentucky leitender Engpass; ferner der vom Potomac zum Monongahela führende Saumpfad, den der englische General Braddock im Jahre 1754 zu seinem unglücklichen Vorstoß gegen das französische Fort Duquesne benutzt hatte. Drittens der Weg, der von Henry Bouquet im Jahre 1758 bei seiner gegen dasselbe Fort gerichteten Expedition gebahnt worden war. Weiter im Norden gesellte sich dazu das Mohawktal, welches in späteren Zeiten auch den Eisenbahnen als wichtigste, zum Westen führende Pforte diente.

Grafik 146

      Cumberland Gap. Nach einem Gemälde von W. L. Sonntag

      Die Entdeckung des Cumberlandpasses schreibt man dem Virginier Walker zu, einem jener kühnen Männer, die sich von dem Gemeinwesen absonderten, um in das sie mächtig anziehende geheimnisvolle Innere des nordamerikanischen Kontinents vorzudringen und


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