Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3. Rudolf Cronau

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Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3 - Rudolf Cronau


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Orte, deren Bevölkerung aus englischen, deutschen, schottischen, irischen, französischen, holländischen und indianischen Elementen bestand. An vielen Orten zählten Deutsche zu den Gründern. Major Benjamin Steitz und Mathias Denman besaßen z. B. im Jahre 1788 den größten Teil des Bodens, auf dem Cincinnati erbaut wurde. Einem deutschen Helden des Unabhängigkeitskrieges, Major David Ziegler, fiel die Ehre zu, im Jahre 1802 als erster Bürgermeister des Dorfs gewählt zu werden.

Grafik 144

      Ein Fort des 18. Jahrhunderts

      Israel Ludlow gründete in Gemeinschaft mit einigen Amerikanern im Jahre 1795 Dayton; Ebenezer Zane (Zahne) 1796 Zanesville und Neu-Lancaster.

      Die Namen der in den Staaten Ohio, Indiana, Kentucky und Tennessee gelegenen Orte Frankfort, Potsdam, Hannover, Germantown, Berlin, Minster, Freiburg, Glandorf, Wirtemberg, Osnaburg, Speyer (Spires), Bern, Geneva, Saxon, Oldenburg, Hermann, Ferdinand, Betzville, Baumann, Neu-Elsass, Bremen, Wartburg und viele andere verraten schon durch ihren Klang die deutsche Herkunft ihrer ersten Besiedler. Deutsche gründeten auch die Stadt Steubenville, deren Namen an den berühmten Organisator des amerikanischen Heeres erinnert.

      In der Folge wurden die Täler des Ohio und seiner Nebenflüsse, insbesondere auch die vom Mohawktal nach Buffalo, Cleveland, Pittsburg und Detroit führenden Straßen zu einem Hauptsiedlungsgebiet der Deutschen in Nordamerika.

       Es war hauptsächlich das junge unternehmungslustige Volk der östlich von den Alleghanys bestehenden älteren Niederlassungen, das sich hier ansiedelte, um, wie die Väter es getan, im Urbarmachen neuer schöner Landschaften die eigne Kraft zu proben.

      Gestärkt wurde es später durch stetig wachsende Scharen aus Deutschland kommender Einwandrer. Gemeinschaftlich verliehen diese Deutschen zahlreichen Plätzen jenes eigenartige Gepräge, das die ältere deutsche Einwandrung manchen Teilen der Oststaaten aufgedrückt hatte. In friedlichem Wettbewerb mit ihren Mitbürgern anglo-amerikanischer Abkunft halfen sie im Lauf der Jahrzehnte die ungeheure, vom Stromsystem des Ohio bewässerte Wildnis in jene Gefilde verwandeln, die heute zu den ertragreichsten der ganzen Union gehören.

      Wie die Deutschen im Osten sich vielfach als Pioniere der Industrie und des Handels zeigten, so trugen sie auch zur industriellen Entwicklung des Ohiogebiets in reichstem Maße bei. Kaum war Louisiana in den Besitz der Amerikaner übergegangen, so wendeten sie ihre Aufmerksamkeit der wichtigen Frage zu, wie die weite Entfernung nach der zum Hauptstapelplatz für alle Ein- und Ausfuhrgüter werdenden Stadt New Orleans am raschesten zurückgelegt werden könne.

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      Cincinnati im Jahre 1802

      Der Verkehr mittels der Flöße und Flachboote war äußerst langwierig. Obendrein konnte man diese Transportmittel nur für eine einzige Reise flussabwärts benutzen, da mit solchen Fahrzeugen unmöglich gegen die starke Strömung des Mississippi angekämpft werden konnte.

Grafik 143

      Ein Flachboot auf dem oberen Ohio

      Zur Rückfahrt mussten die Mannschaften stets leichte Kanus verwenden.

      Auch die Rundreisen der später an Stelle jener Flachboote tretenden Kielboote gestalteten sich überaus langwierig. Zwischen den beiden äußersten Punkten, Pittsburg und New Orleans, dauerten sie gewöhnlich ein volles Jahr. Diese lange Zeit wurde auf die Hälfte verkürzt, als der ehemalige Rheinschiffer Heinrich Bechtle im Auftrag des in Cincinnati lebenden Kaufmanns Martin Baum mehrere Segelbarken baute, die zur Rundreise nicht mehr als sechs Monate benötigten.

       Deutsche gaben auch die erste Anregung zur Anlage des die Ohiofälle umgehenden Kanals bei Louisville. Ein Deutscher namens Bernhard Rosefeldt baute ferner das erste Dampfschiff der westlichen Ströme. Es erhielt den Namen der Stadt New Orleans und legte seine erste Reise dorthin im Jahre 1811 zurück.

      Die Entdeckung der unerschöpflich reichen Kohlen- und Eisenerzlager im Ohiogebiet hatte die Übertragung der Eisenindustrie dorthin zur Folge. Wie auf der Ostseite der Alleghanygebirge, so halfen die Deutschen auch hier diese Industrie mächtig entwickeln. Der bei Strasburg geborene Georg Anschütz wurde durch Anlage einer Schmelze im Jahre 1792 der Pionier der Eisenindustrie Pittsburgs. Der kluge deutsche Geschäftsmann Jakob Meyers aus Baltimore errichtete um dieselbe Zeit am Slate Creek in Kentucky ein Schmelzwerk, wo außerdem allerlei Bedarfsgegenstände, Werkzeuge, Öfen, Kochtöpfe, Geschützläufe und andere Dinge hergestellt wurden. Anfangs litten die Arbeiter freilich so sehr unter den Nachstellungen der Indianer, dass die Hälfte der Leute stets Waffendienst verrichten musste. Deutsche namens Schreeve gründeten auch im Greenup County einen Hochofen mit Dampfgebläse, der von 1824 bis 1860 in Betrieb war.

      Mit dem immer mächtiger anschwellenden Strom der Einwandrung verbreiteten die Deutschen sich über das ganze südlich von den großen Seen liegende Gebiet. Sie befanden sich unter den ersten Bewohnern der Städte Indianapolis, Louisville, Knoxville, Nashville, Chicago, Peoria und Milwaukee und erwarben überall durch Fleiß, Ausdauer und Ordnungsliebe die Achtung ihrer Mitbürger. Dass sie durch ihre Erfolge sogar den Neid minder glücklicher Mitbewerber herausforderten, erhellt aus manchen, von Nativismus durchtränkten Klagen, denen man in verschiedenen anglo-amerikanischen Zeitungen jener Periode begegnet, und wo es heißt, dass die Deutschen im Erobern des Handels und Gewerbes unwiderstehlich seien.

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      Fort Washington am Ohio. Nach einer Zeichnung vom Ende des 18. Jahrhunderts.

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      Amerikanische Flussdampfer aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

      * * *

       Die deutschen Ansiedler im Mississippital

       Die deutschen Ansiedler im Mississippital

      Der erfolgreiche Unabhängigkeitskrieg hatte den Amerikanern zwar den Zutritt zu der großen Stromseele des nordamerikanischen Kontinents, zum Mississippi gebracht, aber sie besaßen nicht die volle Kontrolle über diesen wichtigen Wasserweg. Sein Westufer sowie sein Mündungsgebiet, das ehemalige Louisiana, waren nach der Verdrängung der Franzosen vom nordamerikanischen Kontinent in den Besitz der Spanier übergegangen, die von freier Schifffahrt auf dem „Vater der Ströme“ nichts wissen wollten.

      Ungehinderter Verkehr bedeutete aber für sämtliche am Ohio und auf dem Ostufer des Mississippi gegründeten amerikanischen Niederlassungen und Staaten eine Lebensfrage, da sie sonst ihre Erzeugnisse nicht ausführen konnten. Die Lage war unerträglich. Denn der überaus schwierige Transport über die Alleghanygebirge verbot sich der ungeheuren Kosten wegen.

       Da, mit Anbruch des 19. Jahrhunderts, änderten diese Zustände sich plötzlich in einer für die Amerikaner überaus günstigen Weise. Spanien musste am 1. Oktober 1800 sein ganzes Besitztum am Mississippi an Frankreich zurückgeben. Napoleon Bonaparte aber, der seinen bereits in der Luft liegenden unvermeidlichen Krieg mit England voraussah, empfand den überseeischen Besitz als eine schwere Last, da er außerstande war, Louisiana gegen einen englischen Flottenangriff zu schützen. Er beschloss deshalb, sich jenes Riesenreichs in einer Weise zu entäußern, die Frankreich nicht nur materiellen Nutzen bringen, sondern zugleich seinen Gegnern einen argen Strich durch die Rechnung machen sollte.

       „Die Engländer“, so erklärte er seinen Ministern, „streben, die Reichtümer und den Handel der ganzen Welt an sich zu reißen. Um die Völker von ihrer unerträglichen kommerziellen Tyrannei zu befreien, ist es nötig, ihren Einfluss durch eine Seemacht zu balancieren, die ihnen eines Tages die Handelssuprematie streitig machen kann. Diese Macht sind die Vereinigten Staaten. Stärke ich deren Stellung durch Abtreten des Mississippigebiets, so erhält England im Welthandel einen Mitbewerber, der seinen Übermut früher oder später dämpfen wird.“

      Die mit den Vereinigten Staaten


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