Weihnachtsmärchen. Charles Dickens

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Weihnachtsmärchen - Charles Dickens


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verließen darauf die geschäftige Umgebung und gingen in

      einen abgelegenen Teil der Stadt, wo Scrooge nie vorher

      gewesen war, dessen Lage und schlechten Ruf er aber kannte.

      Die Straßen waren schmutzig und eng, die Läden und Häuser

      Die Straßen waren schmutzig und eng, die Läden und Häuser

      ärmlich, die Menschen halbnackt, betrunken, barfuß, häßlich.

      Gäßchen und Torwege strömten, wie ebenso viele Kloaken,

      abscheuerregende Gerüche und Schmutz und Menschen in die

      Straßen, und das ganze Viertel schien erfül t von Verbrechen,

      Unrat und Elend.

      In einem der tiefsten Winkel dieses Zufluchtsorts der Sünde und

      des Verbrechens befand sich ein niedriger, dunkler Laden unter

      einem Wetterdach, in dem Eisen, Lumpen, Flaschen, Knochen

      und Fleischabfälle verkauft wurden.

      Auf dem Fußboden lag ein Haufen verrosteter Schlüssel, Nägel,

      Ketten, Türangeln, Feilen, Wagen, Gewichte und altes Eisen aller

      Art. Geheimnisse, die zu enträtseln wenige verlangen würden,

      entstanden und verbargen sich in Bergen widerlicher Lumpen,

      Massen verdorbenen Fettes und ganzen Beinhäusern von

      Knochen. Mitten unter seinen Waren saß neben einem aus alten

      Kacheln zusammengesetzten Ofen ein grauhaariger, fast

      siebzigjähriger Schelm, der sich vor der Kälte draußen durch

      einen bauschigen Vorhang von allerlei, auf eine Leine gehängten

      Lumpen geschützt hatte und seine Pfeife voll Behagen rauchte.

      Scrooge und die Erscheinung traten neben diesen Mann, als eine

      Frau mit einem schweren Bündel in den Laden schlich. Kaum

      war sie eingetreten, als ihr eine zweite Frau, auch mit einem

      Bündel, folgte, und dieser dicht auf den Fersen ein Mann in

      Bündel, folgte, und dieser dicht auf den Fersen ein Mann in

      einem alten, schwarzen, abgetragenen Anzug, der nicht weniger

      vor dem Anblick der beiden erschrak, als diese voreinander

      erschrocken waren.

      Nach einigen Augenblicken wortlosen Staunens, an dem sich der

      Alte mit der Pfeife beteiligt hatte, brachen sie al e drei in ein

      lautes Gelächter aus.

      »Schau an, die Putzfrau ist die erste«, rief die zuerst eingetreten

      war. »Schau an, die Waschfrau ist die zweite, und der Sargträger

      ist der dritte. He, Joe, das ist ein Glücksfal ! Wir treffen uns hier

      alle drei, ohne daß wir uns verabredet haben.«

      »Ihr hättet euch an keinem bessern Ort treffen können«, sagte

      der alte Joe, die Pfeife aus dem Mund nehmend. »Kommt in den

      Salon. Ihr habt schon lange freien Zutritt dort, das wißt Ihr ja,

      und die anderen zwei sind auch keine Fremden. Wartet, bis ich

      die Ladentür zugemacht habe. Oh, wie sie knarrt! Ich glaube, es

      gibt kein so rostiges Stück Eisen in dem ganzen Laden, als die

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      Türangeln; und ich weiß, es gibt keine so alten Knochen hier, wie

      meine. Haha, wir passen zu unserm Geschäft. Kommt in den

      Salon!«

      Der Salon war der Raum hinter dem Lumpenvorhang. Der Alte

      kratzte das Feuer mit einem alten Rouleaustab zusammen, schob

      den Docht seiner qualmigen Lampe, denn es war Abend, mit

      den Docht seiner qualmigen Lampe, denn es war Abend, mit

      dem Pfeifenstiel in die Höhe und steckte diese dann wieder in

      den Mund.

      Während er damit beschäftigt war, warf die zuerst eingetretene

      Frau ihr Bündel auf den Boden und setzte sich mit kokettierender

      Frechheit auf einen Stuhl; dann legte sie die Hände auf die Knie

      und sah die beiden andern herausfordernd an.

      »Nun, was ist dabei, was ist schon dabei, Mrs. Dilber ?jeder hat

      das Recht, für sich zu sorgen. Und er tat es immer.«

      »Das ist wahr«, sagte die Waschfrau. »Keiner tat es eifriger.«

      »Na, warum gafft Ihr da einander an, als hättet Ihr Bange, wer

      der Schlauere sei? Wir wol en doch nicht einander die Augen

      aushacken, denk' ich.«

      »Nein, gewiß nicht«, sagten Mrs. Dilber und der Mann wie aus

      einem Munde.

      »Wir wol en es nicht hoffen.«

      »Na, gut denn«, rief die Frau, »das ist genug! Wem schadet's,

      wenn wir so ein paar Sachen mitnehmen, wie die hier? Einer

      Leiche gewiß nicht.«

      »Nein, gewiß nicht«, lachte Mrs. Dilber.

      »Wenn er sie noch nach dem Tode behalten wollte, wie ein alter

      Geizhals«, fuhr die Frau fort, »warum war er nicht besser zu

      seinen Lebzeiten? Wäre er's gewesen, dann hätte er auch

      jemanden um s ich gehabt, als er starb, statt daß er

      mutterseelenallein seinen letzten Atem fahren lassen mußte.«

      »Es ist das wahrste Wort, das je gesprochen wurde«, bestätigte

      Mrs. Dilber.

      »Es ist ein Gottesgericht.«

      »Ich wünschte, es wäre ein bißchen schwerer ausgefallen«,

      meinte die Frau,

      »und es wär's auch, verlaßt euch drauf, wenn ich hätte mehr

      bekommen können.

      Mach das Bündel auf, Joe, und sag mir, was es wert ist. Sprich

      dreist heraus. Ich fürchte mich nicht, die erste zu sein, noch es

      die hier sehen zu lassen. Wir wußten ganz gut, daß wir für uns

      sorgten, ehe wir uns hier trafen. Das ist keine Sünde. Mach das

      Bündel auf, Joe.«

      Aber die Galanterie ihrer Freunde wollte das nicht erlauben; und

      der Mann in dem abgetragenen schwarzen Rock brachte seine

      Beute zuerst. Es war nicht viel los damit: ein oder zwei

      Petschafte, ein silberner Bleistift, ein Paar Hemdknöpfe und eine

      Brosche von geringem Wert: das war al es. Die Gegenstände

      Brosche von geringem Wert: das war al es. Die Gegenstände

      wurden von dem alten Joe untersucht und geschätzt, worauf er

      die Summe, die er für das einzelne bezahlen wollte, an die Wand

      schrieb


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