Anna Q und die Suche nach Saphira. Norbert Wibben

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Anna Q und die Suche nach Saphira - Norbert Wibben


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anders als im Dunkeln, gegen sie wehren können. Sein Blick fällt auf einen verzierten Bogen und einen Köcher mit Pfeilen. Mit dem Elfenbogen in der Hand und einem aufgelegten Geschoss tritt es vorsichtig durch den Ausgang. Es will einen kurzen Rundumblick wagen.

      Sofort kneift das Mädchen die Augen zusammen. Die Sonne ist im Osten hinter den Bergkuppen erschienen. Ihre Strahlen werden von den vielen Kristallen hoher Schneewehen gleißend hell zurückgeworfen. Erleichtert registriert es, dass keine Wölfe zu sehen sind. Der Blick schweift über die schroffe Landschaft. Große Bäume gibt es hier nicht, lediglich verkümmerte Exemplare sind als Windflüchter bergab in der Ferne zu sehen. Einige zerzauste Büsche schauen halb verborgen unter hohen Wehen hervor. Komischerweise wirken sie auf das Mädchen ermutigend, etwa so, als wollten sie sagen: Schau her, wenn die Schneelast schwer wird, geben wir nach, um nicht zu brechen. Sobald die Sonne kräftiger wird und die Schmelze einsetzt, richten wir uns aber wieder auf.

      Das Mädchen schüttelt den Kopf. Was sollen diese Gedanken und warum ist es überhaupt hier oben in den Bergen?

      Im nächsten Moment schrickt es zusammen. Ein hoher, schriller Ton zerreißt die morgendliche Stille. Die Augen werden zu schmalen Schlitzen und suchen trotz Gegenlicht nach den Kreaturen, die voller Selbstvertrauen ihre Herausforderung laut brüllend kundtun. Das Mädchen blickt hastig umher. Wie soll es sich gegen diese Ungeheuer schützen? Es sind bisher nur die Schreie zu hören, aber allein die verursachen ein Kribbeln der Kopfhaut. Der Bogen wird in die Höhle geworfen, dann das Feuer ausgetreten und die letzte Glut mit Schnee erstickt, den Hände flink darauf schaufeln. Reicht das als Schutzmaßnahme? Schnell schnappt es den Bogen und den Köcher, hebt den Umhang vom Boden auf und wickelt ihn um sich. Als das Mädchen vor die nächtliche Zuflucht tritt, sind drei Punkte am Himmel zu erkennen, die scheinbar direkt aus der Sonne kommend, heranrasen. Die Schnelligkeit der Kreaturen ist gewaltig. Macht es da überhaupt Sinn, vor ihnen in dem tiefen Schnee davonzulaufen? Abgesehen von dem Geschwindigkeitsunterschied, wird das Mädchen eine weithin sichtbare Spur hinterlassen! Sein Blick fällt auf einen der halb verwehten Büsche. Mit grimmigem Gesichtsausdruck stolpert es mehr, als dass es rennt, seine Spur vom gestrigen Abend zurück. Vielleicht gibt es dort unten eine besser geeignete Zuflucht, obwohl es sich an Gestern nicht erinnert.

      Die Fährte führt im Zickzack den steilen Berggipfel wieder hinab. Erneut schrillen Schreie durch die kalte Winterluft. Sie klingen so laut, dass die Wesen, die sie ausstoßen, direkt über dem Mädchen sein müssten. Sein Herz klopft heftig, und eisige Schauer rieseln über seinen Rücken. Am Himmel nach den Kreaturen zu suchen, traut es sich nicht, wichtiger ist jetzt schnelle Flucht und ein besser verborgenes Versteck. Wie konnte es nur so töricht sein, fast auf einer Bergkuppe ein Feuer zu entzünden. Das musste doch in der Nacht weithin sichtbar gewesen sein und die Feinde herbeigelockt haben! Unwillkürlich zuckt das Mädchen bei den lauten Schreien zusammen, duckt sich und zieht die Schultern hoch. Das ist eine unbedachte Bewegung beim Laufen, weshalb es prompt auf der vereisten Spur ausrutscht. Das Mädchen rudert mit den Armen, doch es kann seinen Sturz nicht aufhalten. Es schlittert liegend und mit den Füßen voraus über den festgetrampelten Schnee, um in der nächsten Kurve wie ein Geschoss geradeaus in die etwa kniehohe Schneewand zu schießen. Die Rutschpartie dauert nicht lange, dann wird sie durch ein Gebüsch gestoppt. Prustend richtet sich das Mädchen auf und bekommt ein kleines Schneebrett von den Zweigen des Busches auf den Kopf und in den Nacken. Der Himmel verdunkelt sich, und ein weiterer Schauer läuft über seinen Rücken. Das Rauschen großer Flughäute und erneutes Kreischen ziehen den Blick unweigerlich nach oben. Drei riesige Eisdrachen umzingeln die Bergkuppe und den Höhleneingang. Im nächsten Augenblick zischen Eisspeere in den Eingang. Eines dieser Wurfgeschosse, das eine besonders widerwärtig aussehende, gezackte Spitze hat, wird zielsicher dorthin gejagt, wo noch letzte Wärmespuren vom gelöschten Feuer zu ahnen sein müssen. Eisdrachen können sie besser wahrnehmen, als Hunde die Witterung eines Kaninchens. Einer der Lindwürmer dreht seinen weißen Kopf in die Richtung, in die das Mädchen geflüchtet ist. Sein schriller Schrei durchschneidet die Morgenluft. Er klingt wie zerberstendes Eis. Er stößt seinen weißen Atem aus, der sogar den Schnee noch erstarren und zu durchsichtigem Eis gefrieren lässt. Die Köpfe der beiden anderen rucken herum. Eisblaue Augen, mit darin loderndem, silbernem Feuer, blicken starr. Plötzlich meint das Mädchen, von ihnen gesehen zu werden. Es will aufspringen und fortlaufen, doch irgendetwas lähmt es. Die Drachen kreischen erneut und schwingen sich in die Luft. Sie breiten ihre Flughäute aus und segeln schnell heran.

      Anna öffnet mit Anstrengung ihre Augen. Das Herz klopft wild und ein gieriger Atemzug beweist, dass sie soeben unwillkürlich die Luft angehalten hat. Sie wollte von den Eisdrachen nicht entdeckt werden, wozu das Ausatmen unweigerlich geführt hätte. Aber wieso eigentlich?

      »Das war doch nur ein Traum!«, versucht sich das Mädchen, zu beruhigen. »Drachen spucken normalerweise Feuer, wenn sie in Geschichten auftauchen, aber keine Eisspeere!« Das hat sie noch nie gehört oder gelesen, aber warum träumt sie ein derartiges Durcheinander? Ob es damit zu tun hat, dass sie vor dem Einschlafen an ihren Vater dachte, der jetzt in der Antarktis unterwegs ist? Anna lässt sich wieder aufs Bett sinken. »Schnee und Eis gibt es am Südpol jede Menge, Berge und sicher auch Höhlen. Wölfe gibt es dort jedoch nicht! Und wie komme ich dazu, von einem Elfenbogen zu fantasieren? Derartige Dinge in einem Traum zusammenzufassen, ist komisch, zumal ich weder von den Tieren, noch von Elfen gelesen habe.« Annas Blick wandert zu ihrem Schreibtisch, doch im Dunkeln der Nacht kann sie dort fast nichts erkennen. Lediglich ein feines, bläuliches Leuchten scheint von der Stelle auszugehen, wo die Bilder von Vater und Mutter an der Wand hängen. Annas Blick wandert zum Fenster. Wird ein derartiges Licht von draußen hereingeworfen? Am Nachthimmel sind einige Sterne hinter schnell ziehenden Wolken zu erkennen, sonst nichts. Nicht einmal der Mond ist zu sehen. Dann huscht ein dunkler Schatten am Fenster vorbei und ein lautes Krächzen schallt herein. Anna versucht, ihre aufflackernde Angst durch Logik einzudämmen und zwingt sich, langsam zu atmen. »Der Schrei stammt vermutlich von einer Eule, die auf der Jagd nach einer Maus ist. Das ist im Traum zu hören gewesen und wurde von meinem Gehirn in eine abenteuerliche Geschichte verwoben.« Dass eine Eule sich bei der Jagd nicht durch ein Geräusch verrät, fällt ihr nicht auf. Genauso wenig, dass der Schrei nicht zu einer Eule passt. Das Krächzen klang eher nach einem Rabenvogel! Trotz dieser Widersprüchlichkeiten schlummert Anna wieder ein. Den Rest der Nacht träumt sie nicht.

      Eine Schwarzdrossel klappt die Augendeckel mehrfach auf und zu. Den Kopf dreht sie wachsam nach links und rechts, und den hell leuchtenden, gelben Schnabel streckt sie nach vorne. Der Vogel sitzt auf einer von vielen Spitzen eines alten Eisentors und trillert mehrmals. Das gelb umrandete Augenpaar hat etwas entdeckt. Das Tier flattert mit kurzen Flügelschlägen von seinem Hochsitz. Es wirkt fast wie ein schneller Sprung und die Drossel landet entfernt zum Weg unter einem Gebüsch. Sie legt den Kopf schräg, hüpft zweimal vorwärts, wartet kurz und pickt mit der Schnabelspitze in den weichen Untergrund. Der Kopf wird zurückgezogen, um dann erneut den Schnabel in den Boden zu stoßen. Erdbrocken fliegen zur Seite. Dieser Versuch ist erfolgreich. Ein Regenwurm wird langsam aus dem Erdreich gezogen. Jetzt ist es geschafft. Ein kurzer frohlockender Ruf des Vogels, dann fliegt er mit seiner Beute im Schnabel davon. Er sucht das Junge, das in der Nähe auf dem Boden herumhüpft.

      Vom Tor führt ein mit kleinen Kieseln bestreuter Weg zu einem imposanten Gebäude. Es ist ein ehemaliges Schloss, das mit vielen Spitzen und Türmchen verziert ist. Die drei Etagen bieten mit den vielen Fenstern einen beeindruckenden Anblick. Das Haupthaus und seine Nebengebäude werden seit Jahrzehnten als Internat genutzt. Landesweit ist das »CC«, wie es oft abgekürzt anstatt »Cinnt caisteal« genannt wird, eine angesehene Einrichtung. Anders als in vielen sonstigen Schulen, liegt dessen Schwerpunkt nicht nur im Sport, was sich auch in ihrem Leitspruch ausdrückt: »Scientia potestas est.« Das bedeutet: »Wissen ist Macht.«

      Am Spätnachmittag findet an manchen Tagen kein Unterricht in den Klassenräumen statt. Trotzdem gibt es keinen Müßiggang, da diese Zeit für vielfältige Aktivitäten genutzt wird. Die Schüler und Schülerinnen üben entsprechend ihren Neigungen Fähigkeiten, die sehr unterschiedlich sind.

      Auf


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