Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl. Carles Darwin

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Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl - Carles Darwin


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die Abänderungen auf die Nachkommen beider Geschlechter in einem entsprechenden späten Lebensalter vererbt. Hier würde denn kein wirklicher Widerspruch gegen unsere Regel eintreten, dass die Abänderungen, welche spät im Leben auftreten, ausschließlich auf das Geschlecht vererbt werden, bei dem sie zuerst erscheinen. Dieses letztere Gesetz scheint noch allgemeiner zu gelten als das andere, dass nämlich Abänderungen, welche in einem der beiden Geschlechter früh im Leben auftreten, zu einer Vererbung auf beide Geschlechter neigen. Da es offenbar unmöglich war, auch nur annäherungsweise zu schätzen, in einer wie großen Anzahl von Fällen durch das ganze Tierreich hindurch diese beiden Sätze Gültigkeit haben, so kam ich auf den Gedanken, einige auffallende und entscheidende Beispiele zu untersuchen und mich auf das aus ihnen erhaltene Resultat zu verlassen.

       Einen ausgezeichneten Fall bietet für diese Untersuchung die Familie der hirschartigen Tiere dar. Bei sämtlichen Arten, mit Ausnahme einer einzigen, entwickelt sich das Geweih nur beim Männchen, trotzdem es ganz sicher durch das Weibchen überliefert wird und auch wohl imstande ist, sich gelegentlich abnormer Weise bei diesem zu entwickeln. Andererseits ist beim Rentier das Weibchen mit einem Geweihe versehen, so dass bei dieser Art das Geweih entsprechend unserem Gesetze zeitig im Leben auftreten müsste, lange bevor die beiden Geschlechter zur Reife gelangen und in ihrer Konstitution sehr auseinander gehen. Bei allen den anderen Arten der Hirsche müsste das Geweih später im Leben auftreten und infolge hiervon nur bei demjenigen Geschlechte zur Entwicklung gelangen, bei dem es zuerst am Urerzeuger der ganzen Familie erschien. Ich finde nun bei sieben zu verschiedenen Sektionen der Familie gehörigen und verschiedene Gegenden bewohnenden Spezies, bei welchen nur die Männchen Geweihe tragen, dass das Geweih zuerst in einer Zeit erscheint, welche von neun Monaten nach der Geburt, und dies beim Rehbock, bis zu zehn oder zwölf oder selbst noch mehr Monaten nach derselben variiert, letzteres bei den Hirschen der sechs anderen größeren Spezies. [Ich bin Herrn Cupples sehr verbunden, welcher von Mr. Robertson, dem erfahrenen Oberwildwart des Marquis of Breadalbane, Erkundigungen über den Rehbock und den Hirsch in Schottland für mich eingezogen hat. In Bezug auf den Damhirsch bin ich Mr. Eyton und anderen für Mitteilungen zu Dank verpflichtet. Wegen des Cervus alces von Nord-Amerika s. Land and Water, 1868, p. 221 u. 254. und wegen Cervus virginianus und strongylocerus desselben Kontinents s. J. D. Caton in: Ottawa Acad. of Natur. Science. 1868, p. 13. Wegen des Cervus Eldi von Pegu s. Lieutenant Beavan in: Proceed. Zoolog. Soc. 1867, p. 762.] Aber bei dem Rentier liegt der Fall sehr verschieden. Denn wie ich von Professor Nilsson höre, welcher freundlich genug war, meinetwegen spezielle Untersuchungen in Lappland anstellen zu lassen, erscheinen die Hörner bei den jungen Tieren innerhalb der ersten vier oder fünf Wochen nach der Geburt, und zwar zu derselben Zeit bei beiden Geschlechtern. Wir haben daher hier ein Gebilde, welches sich zu einer äußerst ungewöhnlich frühen Lebenszeit in einer Spezies der Familie entwickelt und welches auch allein in dieser einen Spezies beiden Geschlechtern eigen ist.

       Bei mehreren Arten von Antilopen sind die Männchen allein mit Hörnern versehen, während in einer größeren Zahl beide Geschlechter Hörner haben. In Bezug auf die Periode der Entwicklung derselben teilt mir Mr. Blyth mit, dass im zoologischen Garten gleichzeitig einmal ein junger Kudu (Antilope strepsiceros), bei welcher Art nur die Männchen gehörnt sind, und das Junge einer nahe verwandten Spezies, nämlich das Eland (Antilope oreas), lebten, bei welchem beide Geschlechter gehörnt sind. Nun waren in strenger Übereinstimmung mit unserem Gesetz bei dem jungen männlichen Kudu, trotzdem derselbe bereits zehn Monate alt war, die Hörner merkwürdig klein, wenn man die schließlich von ihnen erreichte Größe in Betracht zieht, während bei dem jungen männlichen Eland, obgleich er nur drei Monate alt war, die Hörner bereits sehr viel größer waren als bei dem Kudu. Es ist auch der Erwähnung wert, dass bei der gabelhörnigen Antilope [Antilokapra amerikana. Ich habe Dr. Kanfield für Angaben in Betreff der Hörner des Weibchens zu danken; s. auch seinen Aufsatz in: Proceed. Zoolog. Soc. 1866, p. 209. s. auch Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 627.] nur einige wenige Weibchen, etwa eines unter fünf, Hörner haben; diese finden sich in einem rudimentären Zustand, wennschon sie zuweilen über einen Zoll lang werden. Es befindet sich daher diese Spezies, was den Besitz von Hörnern seitens der Männchen allein betrifft, in einem intermediären Zustand, und die Hörner erscheinen nicht eher, als ungefähr fünf oder sechs Monate nach der Geburt. Im Vergleich daher mit dem Wenigen, was wir von der Entwicklung der Hörner bei anderen Antilopen wissen und was in Bezug auf die Hörner der Hirsche, Rinder usw. bekannt ist, treten die der Gabelhorn-Antilope in einer intermediären Lebensperiode auf, d. h. weder sehr früh, wie bei Rindern und Schafen, noch sehr spät, wie bei den größeren Hirschen und Antilopen. Bei Schafen, Ziegen und Rindern, bei denen die Hörner in beiden Geschlechtern gut entwickelt sind, wenn sie auch in der Größe nicht völlig gleich sind, können sie schon bei der Geburt oder bald nachher gefühlt oder selbst schon gesehen werden. [Mir ist versichert worden, dass bei den Schafen in Nord-Wales schon zur Zeit der Geburt die Hörner immer gefühlt werden können und zuweilen selbst einen Zoll lang sind. In Bezug auf das Rind sagt Youatt (Cattle, 1834, p. 277), dass der Vorsprung des Stirnbeines bei der Geburt die Haut durchbohrt und dass die Hornsubstanz sich bald auf demselben bildet.] Unser Gesetz lässt uns indess in Bezug auf einige Schafrassen im Stich, z. B. bei den Merinos, wo nur die Widder gehörnt sind. Denn infolge eingezogener Erkundigungen [Prof. Victor Carus hat für mich bei den höchsten Autoritäten in Bezug auf die Merino-Schafe in Sachsen Erkundigungen eingezogen. An der Guineaküste in Afrika gibt es indessen eine Schafrasse, bei welcher wie bei den Merinos nur die Widder allein Hörner haben; und Mr. Winwood Reade teilt mir mit, dass in einem von ihm beobachteten Falle ein junger, am 10. Februar geborener Widder zuerst am 6. März die Hörner zeigte, so dass die Entwicklung der Hörner in diesem Falle zu einer späteren Lebensperiode eintrat, unserem Gesetze zufolge, als bei dem Waliser Schaf, bei dem beide Geschlechter gehörnt sind.] bin ich nicht imstande, zu sagen, dass die Hörner bei dieser Rasse später im Leben entwickelt werden als bei gewöhnlichen Schafen, bei denen beide Geschlechter gehörnt sind. Es ist aber bei domestizierten Schafen das Vorhandensein oder das Fehlen der Hörner kein scharf fixiertes Merkmal, denn eine gewisse Zahl von Merinomutterschafen trägt kleine Hörner und einige Widder sind hornlos, während bei den meisten Rassen gelegentlich auch hornlose Mutterschafe geboren werden.

      Dr. W. Marshall hat neuerdings die Protuberanzen, welche so häufig am Kopf von Vögeln auftreten, speziell studiert [Über die knöchernen Schädelhöcker der Vögel, in: Niederländ. Archiv für Zoologie. Bd. I. Heft 2. 1872.] und gelangt zu dem folgenden Schluss, dass sie sich bei denjenigen Arten, bei denen sie auf die Männchen beschränkt sind, spät im Leben entwickeln, während sie bei den Arten, bei denen sie beiden Geschlechtern zukommen, in einer sehr frühen Periode entwickelt werden. Sicherlich ist dies eine auffallende Bestätigung meiner zwei Vererbungsgesetze.

       Bei den meisten Arten der prachtvollen Familie der Fasanen weichen die Männchen auffallend von den Weibchen ab und erreichen ihre Körperzierde in einer verhältnismäßig späten Periode des Lebens. Der Ohrenfasan (Crossoptilon auritum) bietet indess eine merkwürdige Ausnahme dar, denn hier besitzen beide Geschlechter die schönen Schwanzfedern, die großen Ohrbüschel und den scharlachnen Sammet um den Kopf; und ich finde, dass alle diese Besonderheiten in Übereinstimmung mit unserem Gesetz sehr zeitig im Leben erscheinen. Das erwachsene Männchen kann indessen vom erwachsenen Weibchen durch das Vorhandensein von Spornen unterschieden werden; und in Übereinstimmung mit unserer Regel fangen diese, wie mir Mr. Bartlett versichert hat, sich nicht vor dem Alter von sechs Monaten zu entwickeln an und, können selbst in diesem Alter die beiden Geschlechter kaum unterschieden werden. [Beim gemeinen Pfau (Pavo cristatus) besitzt nur das Männchen Sporne, während der Javanische Pfau (Pavo muticus) den ungewöhnlichen Fall darbietet, dass beide Geschlechter mit Spornen versehen sind. Ich glaubte daher sicher erwarten zu dürfen, dass sich dieselben bei der letzten Spezies früher im Leben entwickeln würden, als beim gemeinen Pfau. Mr. Hegt in Amsterdam teilt mir aber mit, dass bei jungen, zu beiden Spezies gehörenden Vögeln des vorhergehenden Jahres eine am 23. April 1869 vorgenommene Vergleichung keine Verschiedenheit in der Entwicklung der Sporne zeigte. Indessen waren zu dieser Zeit die Sporne nur durch unbedeutende Höcker oder Erhebungen repräsentiert. Ich glaube annehmen zu dürfen, dass man es mir mitgeteilt haben würde, wenn später irgendeine Verschiedenheit in der Schnelligkeit der Entwicklung bemerklich gewesen wäre.] Der männliche und weibliche Pfau differieren auffallend voneinander in fast jedem Teile ihres Gefieders, mit Ausnahme des eleganten Federstutzes


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