Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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unterm Druck des Adels seufzt, und leider kann er selbst nicht wirken, da er von lauter Aristokraten umgeben ist. Haben wir uns nur aber erst legitimiert, dann setzt er sich an unsere Spitze, und seine Truppen sind zu unsern Diensten, und Breme und alle braven Männer sind an seiner Seite.

      MAGISTER. Wie habt Ihr das alles erforscht und getan und habt Euch nichts merken lassen?

      BREME. Man muß im stillen viel tun, um die Welt zu überraschen. Er geht ans Fenster. Wenn nur erst der Hofrat fort wäre, dann solltet ihr Wunder sehen.

      MARTIN auf Bremen deutend. Nicht wahr, das ist ein Mann!

      ALBERT. Er kann einem recht Herz machen.

      BREME. Und, lieber Magister, die Verdienste, die Ihr Euch heute nacht erwerbt, dürfen nicht unbelohnt bleiben. Wir arbeiten heute fürs ganze Vaterland. Von unserm Dorfe wird die Sonne der Freiheit aufgehen. Wer hätte das gedacht!

      MAGISTER. Befürchtet Ihr keinen Widerstand?

      BREME. Dafür ist schon gesorgt. Der Amtmann und die Gerichtsdiener werden gleich gefangen genommen. Der Hofrat geht weg, die paar Bedienten wollen nichts sagen, und der Baron ist nur der einzige Mann im Schlosse; den locke ich durch meine Tochter herüber ins Haus und sperre ihn ein, bis alles vorbei ist.

      MARTIN. Wohl ausgedacht.

      MAGISTER. Ich verwundere mich über Eure Klugheit.

      BREME. Nu, nu! wenn es Gelegenheit gibt, sie zu zeigen, sollt Ihr noch mehr sehen, besonders was die auswärtigen Angelegenheiten betrifft. Glaubt mir, es geht nichts über einen guten Chirurgus, besonders wenn er dabei ein geschickter Barbier ist. Das unverständige Volk spricht viel von Bartkratzern und bedenkt nicht, wie viel dazu gehört jemanden zu barbieren, eben daß es nicht kratze. Glaubt mir nur, es wird zu nichts mehr Politik erfordert, als den Leuten den Bart zu putzen, ihnen diese garstigen barbarischen Exkremente der Natur, diese Barthaare, womit sie das männliche Kinn täglich verunreinigt, hinweg zu nehmen und den Mann dadurch an Gestalt und Sitten einer glattwangigen Frau, einem zarten liebenswürdigen Jüngling ähnlich zu machen. Komme ich dereinst dazu, mein Leben und Meinungen aufzusetzen, so soll man über die Theorie der Barbierkunst erstaunen, aus der ich zugleich alle Lebens- und Klugheitsregeln herleiten will.

      MAGISTER. Ihr seid ein originaler Kopf.

      BREME. Ja, ja, das weiß ich wohl, und deswegen habe ich auch den Leuten verziehen, wenn sie mich oft nicht begreifen konnten und wenn sie, albern genug, glaubten mich zum besten zu haben. Aber ich will ihnen zeigen, daß, wer einen rechten Seifenschaum zu schlagen weiß, wer mit Leichtigkeit, Bequemlichkeit und Gewandtheit der Finger einzuseifen, den sprödesten Bart zahm zu machen versteht; wer da weiß, daß ein frisch abgezognes Messer ebenso gut rauft als ein stumpfes, wer mit dem Strich oder wider den Strich die Haare wegnimmt, als wären sie gar nicht dagewesen; wer dem warmen Wasser zum Abwaschen die gehörige Temperatur verleiht und selbst das Abtrocknen mit Gefälligkeit verrichtet und in seinem ganzen Benehmen etwas Zierliches darstellt – das ist kein gemeiner Mensch, sondern er muß alle Eigenschaften besitzen, die einem Minister Ehre machen.

      ALBERT. Ja, ja, es ist ein Unterschied zwischen Barbier und Barbier.

      MARTIN. Und Herr Breme besonders, das ist dir eine ordentliche Lust.

      BREME. Nu, nu, es wird sich zeigen. Es ist bei der ganzen Kunst nichts Unbedeutendes. Die Art, den Schersack aus- und einzukramen, die Art, die Gerätschaften zu halten, ihn unterm Arm zu tragen – ihr sollt Wunder hören und sehen. Nun wird's aber Zeit, daß ich meine Tochter vorkriege. Ihr Leute, geht an eure Posten! Herr Magister, halten Sie sich in der Nähe.

      MAGISTER. Ich gehe in den Gasthof, wohin ich gleich meine Sachen habe bringen lassen, als man mir im Schlosse übel begegnete.

      BREME. Wenn Sie stürmen hören, so soll's Ihnen freistehen, sich zu uns zu schlagen oder abzuwarten, ob es uns glückt, woran ich gar nicht zweifle.

      MAGISTER. Ich werde nicht fehlen.

      BREME. So lebt denn wohl und gebt aufs Zeichen acht.

      Dritter Auftritt

      BREME allein. Wie würde mein sel'ger Großvater sich freuen, wenn er sehen könnte, wie gut ich mich in das neue Handwerk schicke. Glaubt doch der Magister schon, daß ich große Konnexionen bei Hofe habe. Da sieht man, was es tut, wenn man sich Kredit zu machen weiß. Nun muß Karoline kommen. Sie hat das Kind so lange gewartet, ihre Muhme wird sie ablösen. Da ist sie.

      Vierter Auftritt

      Breme. Karoline.

      BREME. Wie befindet sich der junge Graf?

      KAROLINE. Recht leidlich. Ich habe ihm Märchen erzählt, bis er eingeschlafen ist.

      BREME. Was gibt's sonst im Schlosse?

      KAROLINE. Nichts Merkwürdiges.

      BREME. Der Hofrat ist noch nicht weg?

      KAROLINE. Er scheint Anstalt zu machen. Sie binden eben den Mantelsack auf.

      BREME. Hast du den Baron nicht gesehen?

      KAROLINE. Nein, mein Vater.

      BREME. Er hat dir heute in der Nationalversammlung allerlei in die Ohren geraunt?

      KAROLINE. Ja, mein Vater.

      BREME. Das eben nicht die ganze Nation, sondern meine Tochter Karoline betraf?

      KAROLINE. Freilich, mein Vater.

      BREME. Du hast dich doch klug gegen ihn zu benehmen gewußt?

      KAROLINE. O gewiß.

      BREME. Er hat wohl wieder stark in dich gedrungen?

      KAROLINE. Wie Sie denken können.

      BREME. Und du hast ihn abgewiesen?

      KAROLINE. Wie sich's ziemt.

      BREME. Wie ich es von meiner trefflichen Tochter erwarten darf, die ich aber auch mit Ehre und Glück überhäuft und für ihre Tugend reichlich belohnt sehen werde.

      KAROLINE. Wenn Sie nur nicht vergebens hoffen.

      BREME. Nein, meine Tochter, ich bin eben im Begriff, einen großen Anschlag auszuführen, wozu ich deine Hilfe brauche.

      KAROLINE. Was meinen Sie, mein Vater?

      BREME. Es ist dieser verwegenen Menschenrasse der Untergang gedroht.

      KAROLINE. Was sagen Sie?

      BREME. Setze dich nieder und schreib.

      KAROLINE. Was?

      BREME. Ein Billet an den Baron, daß er kommen soll.

      KAROLINE. Aber wozu?

      BREME. Das will ich dir schon sagen. Es soll ihm kein Leids widerfahren, ich sperre ihn nur ein.

      KAROLINE. O Himmel!

      BREME. Was gibt's?

      KAROLINE. Soll ich mich einer solchen Verräterei schuldig machen?

      BREME. Nur geschwind.

      KAROLINE. Wer soll es denn hinüber bringen?

      BREME. Dafür laß mich sorgen.

      KAROLINE. Ich kann nicht.

      BREME. Zuerst eine Kriegslist. Er zündet eine Blendlaterne an und löscht das Licht aus. Geschwind, nun schreib, ich will dir leuchten.

      KAROLINE für sich. Was soll das werden? Der Baron wird sehen, daß das Licht ausgelöscht ist; er wird auf das Zeichen kommen.

      BREME zwingt sie zum Sitzen. Schreib! »Luise bleibt im Schlosse, mein Vater schläft. Ich lösche das Licht aus, kommen Sie.«

      KAROLINE widerstrebend. Ich schreibe nicht.

      Fünfter Auftritt

      Die Vorigen. Der Baron am Fenster.

      BARON. Karoline!

      BREME.


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