Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe


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das gehört sich nicht; es muß jetzt alles gemein sein.

      MARTIN. Indessen habt Ihr's doch angefangen.

      BREME. Gebt mir die Hände, brave Männer! So standen einst die drei großen Schweizer, Wilhelm Tell, Walther Staubbach, Fürst von Uri, die standen auf dem Grütliberg beisammen und schwuren den Tyrannen ewigen Haß und ihren Mitgenossen ewige Freiheit. Wie oft hat man diese wackern Helden gemalt und in Kupfer gestochen! Auch uns wird diese Ehre widerfahren. In dieser Positur werden wir auf die Nachwelt kommen.

      MARTIN. Wie Ihr Euch das alles so denken könnt.

      ALBERT. Ich fürchte nur, daß wir im Karrn eine böse Figur machen können. Horcht! es klingelt jemand. Mir zittert das Herz im Leibe, wenn sich nur was bewegt.

      BREME. Schämt Euch! ich will aufziehen. Es wird der Magister sein, ich habe ihn herüber bestellt. Die Gräfin hat ihm den Dienst aufgesagt; die Konteß hat ihn sehr beleidigt. Wir werden ihn leicht in unsere Partei ziehen. Wenn wir einen Geistlichen unter uns haben, sind wir unserer Sache desto gewisser.

      MARTIN. Einen Geistlichen und Gelehrten.

      BREME. Was die Gelehrsamkeit betrifft, geb' ich ihm nichts nach, und besonders hat er weit weniger politische Lektüre als ich. Alle die Chroniken, die ich von meinem seligen Großvater geerbt habe, waren in meiner Jugend schon durchgelesen, und das Theatrum Europäum kenn' ich in- und auswendig. Wer recht versteht, was geschehen ist, der weiß auch, was geschieht und geschehen wird. Es ist immer einerlei; es passiert in der Welt nichts Neues. Der Magister kommt. Halt! wir müssen ihn feierlich empfangen. Er muß Respekt vor uns kriegen. Wir stellen jetzt die Repräsentanten der ganzen Nation gleichsam in Nuce vor. Setzt euch.

      Er setzt drei Stühle auf die eine Seite des Theaters, auf die andere einen Stuhl. Die beiden Schulzen setzen sich, und wie der Magister hereintritt, setzt sich Breme geschwind in ihre Mitte und nimmt ein gravitätisches Wesen an.

      Zweiter Auftritt

      Die Vorigen. Der Magister.

      MAGISTER. Guten Morgen, Herr Breme. Was gibt's Neues? Sie wollen mir etwas Wichtiges vertrauen, sagten Sie.

      BREME. Etwas sehr Wichtiges, gewiß! Setzen Sie sich. Magister will den einzelnen Stuhl nehmen und zu ihnen rücken. Nein, bleiben Sie dort, sitzen Sie dort nieder! Wir wissen noch nicht, ob Sie an unserer Seite niedersitzen wollen.

      MAGISTER. Eine wunderbare Vorbereitung.

      BREME. Sie sind ein Mann, ein freigeborner, ein freidenkender, ein geistlicher, ein ehrwürdiger Mann. Sie sind ehrwürdig, weil Sie geistlich sind, und noch ehrwürdiger, weil Sie frei sind. Sie sind frei, weil Sie edel sind, und sind schätzbar, weil Sie frei sind. Und nun! Was haben wir erleben müssen! Wir sahen Sie verachtet, wir sahen Sie beleidigt; aber wir haben zugleich Ihren edlen Zorn gesehen, einen edlen Zorn, aber ohne Wirkung. Glauben Sie, daß wir Ihre Freunde sind, so glauben Sie auch, daß sich unser Herz im Busen umkehrt, wenn wir Sie verkehrt behandelt sehen. Ein edler Mann und verhöhnt, ein freier Mann und bedroht, ein geistlicher Mann und verachtet, ein treuer Diener und verstoßen! Zwar verhöhnt von Leuten, die selbst Hohn verdienen, verachtet von Menschen, die keiner Achtung wert sind, verstoßen von Undankbaren, deren Wohltaten man nicht genießen möchte, bedroht von einem Kinde, von einem Mädchen – das scheint freilich nicht viel zu bedeuten; aber wenn Ihr bedenkt, daß dieses Mädchen kein Mädchen, sondern ein eingefleischter Satan ist, daß man sie Legion nennen sollte – denn es sind viele tausend aristokratische Geister in sie gefahren –, so seht Ihr deutlich, was uns von allen Aristokraten bevorsteht, Ihr seht es, und wenn Ihr klug seid, so nehmt Ihr Eure Maßregeln.

      MAGISTER. Wozu soll diese sonderbare Rede? wohin wird Euch der seltsame Eingang führen? Sagt Ihr das, um meinen Zorn gegen diese verdammte Brut noch mehr zu erhitzen, um meine aufs Äußerste getriebene Empfindlichkeit noch mehr zu reizen? schweigt stille! wahrhaftig, ich wüßte nicht, wozu mein gekränktes Herz jetzt nicht alles fähig wäre. Was! nach so vielen Diensten, nach so vielen Aufopferungen mir so zu begegnen, mich vor die Türe zu setzen! und warum? wegen einer elenden Beule, wegen einer gequetschten Nase, mit der so viele hundert Kinder lustig auf und davon springen. Aber es kommt eben recht, eben recht! Sie wissen nicht, die Großen, wen sie in uns beleidigen, die wir Zungen, die wir Federn haben.

      BREME. Dieser edle Zorn ergetzt mich, und so frage ich Euch denn im Namen aller edlen, freigebornen, der Freiheit werten Menschen, ob Ihr diese Zunge, diese Feder von nun an dem Dienste der Freiheit völlig widmen wollt?

      MAGISTER. O ja, ich will, ich werde!

      BREME. Daß Ihr keine Gelegenheit versäumen wollt, zu dem edlen Zwecke mitzuwirken, nach dem jetzt die ganze Menschheit emporstrebt?

      MAGISTER. Ich gebe Euch mein Wort.

      BREME. So gebt mir Eure Hand, mir und diesen Männern.

      MAGISTER. Einem jeden; aber was haben diese armen Leute, die wie Sklaven behandelt werden, mit der Freiheit zu tun?

      BREME. Sie sind nur noch eine Spanne davon, nur so breit, als die Schwelle des Gefängnisses ist, an dessen eröffneter Türe sie stehen.

      MAGISTER. Wie?

      BREME. Euer Ehrenwort, daß Ihr schweigen werdet!

      MAGISTER. Ich gebe es.

      BREME. Der Augenblick ist nahe, die Gemeinden sind versammelt, in einer Stunde sind sie hier. Wir überfallen das Schloß, nötigen die Gräfin zur Unterschrift des Rezesses und zu einer eidlichen Versicherung, daß künftighin alle drückenden Lasten aufgehoben sein sollen.

      MAGISTER. Ich erstaune!

      BREME. Da habe ich nur noch ein Bedenken wegen des Eids. Die vornehmen Leute glauben nichts mehr. Sie wird einen Eid schwören und sich davon entbinden lassen. Man wird ihr beweisen, daß ein gezwungener Eid nichts gelte.

      MAGISTER. Dafür will ich Rat schaffen. Diese Menschen, die sich über alles wegsetzen, ihresgleichen behandeln wie das Vieh, ohne Liebe, ohne Mitleid, ohne Furcht frech in den Tag hineinleben, solange sie mit Menschen zu tun haben, die sie nicht schätzen, solange sie von einem Gott sprechen, den sie nicht erkennen: dieses übermütige Geschlecht kann sich doch von dem geheimen Schauer nicht losmachen, der alle lebendigen Kräfte der Natur durchschwebt, kann die Verbindung sich nicht leugnen, in der Worte und Wirkung, Tat und Folge ewig miteinander bleiben. Laßt sie einen feierlichen Eid tun.

      MARTIN. Sie soll in der Kirche schwören.

      BREME. Nein, unter freiem Himmel.

      MAGISTER. Das ist nichts. Diese feierlichen Szenen rühren nur die Einbildungskraft. Ich will es euch anders lehren. Umgebt sie, laßt sie in eurer Mitte die Hand auf ihres Sohnes Haupt legen, bei diesem geliebten Haupte ihr Versprechen beteuern und alles Übel, was einen Menschen betreffen kann, auf dieses kleine Gefäß herabrufen, wenn sie unter irgendeinem Vorwande ihr Versprechen zurücknähme oder zugäbe, daß es vereitelt würde.

      BREME. Herrlich!

      MARTIN. Schrecklich!

      ALBERT. Entsetzlich!

      MAGISTER. Glaubt mir, sie ist auf ewig gebunden.

      BREME. Ihr sollt zu ihr in den Kreis treten und ihr das Gewissen schärfen.

      MAGISTER. An allem, was ihr tun wollt, nehm' ich Anteil; nur sagt mir, wie wird man es in der Residenz ansehen? Wenn sie euch Dragoner schicken, so seid ihr alle gleich verloren.

      MARTIN. Da weiß Herr Breme schon Rat.

      ALBERT. Ja, was das für ein Kopf ist!

      MAGISTER. Klärt mich auf.

      BREME. Ja, ja, das ist's nun eben, was man hinter Hermann Breme dem Zweiten nicht sucht. Er hat Konnexionen, Verbindungen da, wo man glaubt, er habe nur Kunden. So viel kann ich euch nur sagen, und es wissen's diese Leute, daß der Fürst selbst eine Revolution wünscht.

      MAGISTER. Der Fürst?

      BREME. Er hat die Gesinnungen Friedrichs und Josephs, der beiden Monarchen, welche alle wahren Demokraten als


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