Wolfsblut. Jack London

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Wolfsblut - Jack London


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Hunde,« wiederholte der andere mit vollkommener Seelenruhe. »Ich nahm auch sechs Stück Fisch heraus. Einohr bekam aber keinen. Ich ging hernach an den Sack und brachte ihm seinen.«

      »Wir haben aber nur sechs Hunde,« behauptete Heinrich.

      »Du, Heinrich,« fuhr Bill fort, »ich will nicht sagen, dass es alles Hunde waren, aber sieben haben Fisch bekommen.«

      Heinrich machte eine Pause im Essen, blickte über das Feuer hinweg und zählte die Hunde.

      »Es sind jetzt nur sechs,« sagte er.

      »Ich sah den andern über den Schnee weglaufen,« beharrte Bill mit kühler Bestimmtheit, »und ich zählte sieben.«

      Heinrich blickte ihn mitleidig an. »Ich werd' mich mächtig freuen, wenn die Fahrt erst vorüber ist.«

      »Wie meinst du das?« fragte Bill.

      »Ich meine, dass unsere Fracht hier dir auf die Nerven fällt und du anfängst, Gespenster zu sehen.«

      »Daran hab' ich auch gedacht,« antwortete Bill ernsthaft. »Drum, als ich das so quer über den Schnee laufen sah, untersuchte ich denselben und sah Spuren darin. Dann zählte ich die Hunde, und es waren und blieben sechs. Die Spur ist noch im Schnee. Willst du sie sehen? Ich kann sie dir zeigen.«

      Heinrich erwiderte nichts, sondern kaute schweigend weiter, bis er den Rest der Mahlzeit mit einer Tasse Kaffee hinuntergespült hatte. Dann wischte er sich mit dem Rücken der Hand den Mund ab und sagte: »Du glaubst also, es war –«

      Ein langgezogener, furchtbar trauriger Ton, der irgendwo aus der Dunkelheit hervorkam, unterbrach seine Rede. Er hielt inne, um zu lauschen. Dann schloss er den Satz mit einer Handbewegung nach dem Geheul hin, – »einer von denen?«

      Bill nickte. »Ich möchte hunderttausendmal lieber das, als was andres glauben, und du hast ja selbst den Lärm gehört, den die Hunde machten.«

      Ein Geheul nach dem andern, wobei eines immer wie die Antwort auf das andere klang, verwandelte die Stille ringsum in den lärmenden Tumult eines Tollhauses. Von allen Seiten kamen die Töne, und die Hunde drängten sich angstvoll aneinander und so dicht um das Feuer herum, dass die Hitze ihnen den Pelz versengte.

      Bill warf mehr Holz auf die Glut, bevor er sich eine Pfeife anzündete.

      »Ich denke, du bist ein bisschen melancholisch gestimmt,« bemerkte Heinrich.

      »Du, Heinrich...« Er sog nachdenklich eine Weile an der Pfeife, bevor er fortfuhr: »ich dachte gerade daran, wie viel hunderttausendmal glücklicher doch der da dran ist, als wir, du und ich, es je sein werden.«

      Dabei deutete er mit dem Daumen abwärts auf die Kiste, auf der sie saßen.

      »Wenn wir, Heinrich, du oder ich, sterben, können wir glücklich sein, so viel Steine auf unsere Kadaver zu bekommen, dass die Hunde davon abgehalten werden.«

      »Aber wir haben auch keine Verwandten und kein Geld und all das, wie der da,« entgegnete Heinrich. »Eine lange Reise als Leiche ist etwas, was wir uns nicht leisten können.«

      »Was mich wundert, Heinrich, ist, was so 'n Mensch wie der da, der im eigenen Lande ein vornehmer Herr war und sich um Essen und Trinken und ums Nachtquartier nie hat zu sorgen brauchen, – was so einer hierher in diesen gottverlassenen Winkel kommt, das kann und kann ich nicht recht einsehen.«

      »Er hätte ein hohes Alter erreichen können, wenn er zu Haus geblieben wäre,« stimmte Heinrich bei.

      Bill öffnete den Mund, um zu sprechen, besann sich jedoch eines andern. Er deutete stattdessen in das Dunkel hinein, das wie eine Mauer sie auf allen Seiten umgab. Es waren in der dichten Finsternis weder Formen, noch Gestalten zu erblicken, nur ein Augenpaar konnte man wie glühende Kohlen darin leuchten sehen. Heinrich deutete mit einer Kopfbewegung nach einem zweiten und einem dritten Augenpaar. Ein Kreis glühender Augen schien sich um das Lager zu ziehen. Hin und wieder bewegten sich die glühenden Punkte, verschwanden, um einen Augenblick später wieder aufzutauchen.

      Die Ruhelosigkeit der Hunde hatte zugenommen, sie rannten in einem Anfall plötzlicher Angst nach der Innenseite des Feuers und drängten sich an die Männer heran. Bei der wilden Flucht war einer dicht am Feuer zu Falle gekommen, und während der Geruch seines versengten Pelzes die Luft erfüllte, winselte er vor Schmerz und Angst. Unterdessen hatte sich der Kreis glühender Augen unruhig hin- und her bewegt und einen Augenblick sogar ein wenig zurückgezogen, aber wieder kehrten die leuchtenden Punkte an den früheren Platz zurück, als die Hunde ruhiger wurden.

      »Heinrich, es ist ein großes Unglück, dass wir keine Patronen mehr haben.«

      Bill hatte seine Pfeife ausgeraucht und half dem Gefährten, auf die Tannenzweige, die sie noch vor dem Abendessen auf den Schnee gelegt hatten, die wollenen Decken und Pelze zum Nachtlager auszubreiten. Heinrich brummte zustimmend und machte sich daran, seine Mokassins aufzuschnallen.

      »Wie viele Patronen haben wir noch, sagtest du?« fragte er.

      »Drei,« war die Antwort. »Ich wünschte, es wären dreihundert. Dann wollte ich ihnen schon was zeigen, den verdammten Bestien.«

      Bill schüttelte ärgerlich die Faust nach den glühenden Augen hin und fing ebenfalls an, sich die Mokassins auszuziehen, die er am Feuer aufstellte.

      »Ich wünschte, diese Kälte möchte mal endlich nachlassen,« fuhr er fort. »Wir haben nun schon vierzehn Tage lang fünfzig Grad gehabt, und ich wollte, ich hätte mich nie auf diese Fahrt begeben, Heinrich. Mir gefällt sie nicht! Mir ist nicht wohl dabei, und wenn ich einmal beim Wünschen bin, so möcht' ich, die Fahrt wäre erst vorbei, und du und ich, wir säßen am Feuer in Fort Mc. Gurry so um diese Zeit des Tages, und spielten Karten. Ja, das möcht' ich!«

      Heinrich brummte und kroch ins Bett. Beim Einduseln weckte ihn die Stimme des Gefährten.

      »Hör mal, Heinrich – den andern, der dazukam und den Fisch bekam –, warum bissen den die Hunde nicht weg? Das beunruhigt mich.«

      »Du plagst dich zu sehr, Bill,« kam schläfrig die Antwort. »Du warst doch vorher nie so. Nun hör 'mal auf und schlafe, dann bist du morgen wieder frisch und munter. Du hast dir den Magen verdorben, und das quält dich!«

      Die Männer schliefen unter derselben Decke schwer atmend nebeneinander. Das Feuer brannte herunter und der Kreis glühender Augen zog sich immer enger um das Lager. Die Hunde drängten sich angstvoll aneinander und knurrten jedesmal drohend, wenn ein Augenpaar näher herankam. Einmal wurde der Lärm so toll, dass Bill erwachte. Er kroch vorsichtig aus dem Bett, um den Schlaf seines Kameraden nicht zu stören, und warf mehr Holz auf das Feuer. Als es aufflammte, zog sich der Augenkreis weiter zurück. Zufällig blickte er nach den sich zusammendrängenden Hunden hinüber, rieb sich die Augen und blickte schärfer hin. Darauf kroch er unter die Decken zurück.

      »Du, Heinrich,« sagte er, »hör doch mal, Heinrich!«

      Dieser, aus dem Schlafe erwachend, brummte: »Was ist denn los?«

      »Nichts,« war die Antwort. »Nur dass es jetzt wieder sieben sind. Ich hab' sie eben gezählt.«

      Heinrich beantwortete die Kunde mit einem Brummen, das in ein Schnarchen überging, als der Schlaf ihn übermannte. – Am Morgen erwachte Heinrich zuerst und trieb den Gefährten zum Aufstehen an. Der Tag brach erst drei Stunden später an, obgleich es schon sechs Uhr war, und so ging Heinrich in der Dunkelheit umher und kochte das Frühstück, während Bill die Decken zusammenrollte und den Schlitten zur Abfahrt bereit machte.

      »Hör mal, Heinrich,« fragte er plötzlich, »wie viel Hunde sagtest du, dass wir hätten?«

      »Sechs.«

      »Falsch!« verkündete Bill triumphierend.

      »Wieder sieben?« fragte Heinrich.

      »Nein, aber fünf, denn einer ist weg.«

      »Höll und Teufel!« rief Heinrich wütend, ließ


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