Wolfsblut. Jack London

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Wolfsblut - Jack London


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wie ein geölter Blitz ging es mit ihm, als er erst los war. Nichts war mehr von ihm zu sehen.«

      »Wie sollte es auch?« erwiderte Heinrich. »Sie verschlangen ihn gewiss gleich lebendig. Ich wette, er bellte noch, als sie ihn hinunterschluckten, die verdammten Bestien.«

      »Er war immer ein bisschen dämlich,« meinte Bill.

      »Aber kein dummer Hund sollte so dämlich sein, dass er hinliefe, um Selbstmord zu begehen.« Dabei ließ Heinrich den Blick prüfend über die übrigen Hunde gleiten, als wollte er sich die Charakterzüge jedes Einzelnen vergegenwärtigen.

      »Ich wette, das würde keiner von den andern tun.«

      »Die könnte man nicht mal mit 'nem Knüppel vom Feuer jagen,« stimmte Bill bei. »Ich dachte immer, dass es mit Fett nicht ganz richtig wäre.« Und dies war die Grabrede auf einen toten Hund bei einer Nordlandfahrt – nicht dürftiger als die manches anderen Hundes und manches Mannes.

      2. Kapitel. Die Wölfin

      Als das Frühstück verzehrt und die wenigen Lagergerätschaften auf den Schlitten gepackt waren, drehten die Männer dem hellen Feuer den Rücken und verschwanden in der Dunkelheit. Sogleich begann wieder das fürchterlich traurige Geheul, das auf verschiedenen Seiten wie antwortend durch Kälte und Dunkelheit tönte. Der Männer Gespräch verstummte. Um neun ward es Tag. – Mittags erglänzte der Himmel im Süden in rosigem Lichte, aber die Rosenfarbe verblasste schnell. Das graue Tageslicht, das zurückblieb, dauerte bis drei Uhr, wo es ebenfalls erblich, und nun breitete die Polarnacht ihr dunkles Leichentuch über die einsame, schweigende Welt.

      Als die Dunkelheit hereinbrach, erklang das Geheul rechts, links und im Rücken näher, ja, mehr als einmal so nahe, dass die müden Hunde vor Angst zitterten und in der Aufregung durcheinander gerieten.

      Nach einem solchen kurzen Aufenthalt, als Bill und Heinrich das Gespann wieder in Ordnung gebracht hatten, sagte jener: »Ich wünschte, sie möchten ein anderes Wild irgendwo aufspüren und uns in Ruhe lassen.«

      »Sie fallen einem wirklich grässlich auf die Nerven,« stimmte Heinrich bei. Weiter sagten sie nichts, bis das Nachtlager aufgeschlagen wurde.

      Heinrich beugte sich über den Topf, in dem die Bohnen brodelten, und in den er kleine Stückchen Eis hineintat, als ein lauter Schlag und ein Ausruf von Bill sowie das scharfe Knurren und das Wehgeschrei eines Hundes ihn zusammenfahren ließ. Er richtete sich auf und sah noch, wie eine dunkle Gestalt über den Schnee lief und in der Finsternis verschwand. Dann erblickte er Bill, halb triumphierend, halb niedergeschlagen, unter den Hunden, wie er in der einen Hand einen dicken Knüttel, in der andern das Schwanzende eines gedörrten Lachses hielt.

      »Die Hälfte hat die Bestie doch gekriegt,« verkündete er, »aber ich gab ihr dafür auch einen tüchtigen Klapps. Hörtest du sie schreien?«

      »Wie sah sie denn aus?« fragte Heinrich.

      »Sehen konnte ich nicht. Aber sie hatte vier Beine und ein Maul und Haare und sah wie ein Hund aus.«

      »Es muss ein zahmer Wolf gewesen sein, glaub' ich.«

      »Verdammt zahm, was es auch ist, wenn es so zur Fütterung kommt und sein Stück Fisch holt.«

      Als das Abendbrot vorüber war und die beiden Männer auf dem länglichen Kasten saßen und ihre Pfeife schmauchten, zog sich der Kreis glühender Augen wieder dichter zusammen.

      »Ich wünschte, sie möchten auf ein Rudel Elche oder was Ähnliches stoßen und uns zufriedenlassen,« sagte Bill. Heinrich brummte etwas, was nicht wie eine Zustimmung klang, und eine Viertelstunde saßen sie schweigend da, wobei Heinrich ins Feuer und Bill auf den Augenkreis starrte, der in der Dunkelheit dicht hinter dem Feuer flimmerte.

      »Ich wünschte, wir könnten von hier in einer Tour nach Mc. Gurry fahren,« begann Bill wieder.

      »So hör endlich einmal mit deinem Gewünsche und Gekrächze auf,« brach Heinrich ärgerlich los. »Ich sag' dir, du hast dir den Magen verdorben. Schluck eine gute Dosis Natron runter, dann wird dir besser und deine Gesellschaft angenehmer werden.«

      Am folgenden Morgen wurde Heinrich durch grässliche Flüche aus Bills Munde geweckt. Er stützte sich auf den Ellenbogen und sah den Gefährten neben dem flackernden Feuer mitten unter den Hunden mit wutverzerrtem Gesicht und scheltend erhobenen Armen stehen.

      »Hallo!« rief Heinrich. »Was ist denn los?«

      »Frosch ist weg!« war die Antwort.

      »Nein!«

      »Ich sage ja!«

      Heinrich sprang aus den Decken und lief auf die Hunde zu. Er zählte sie und stimmte dann in die Verwünschungen ein, womit sein Kamerad den Mächten der Wildnis fluchte, die ihnen abermals einen Hund geraubt hatten.

      »Frosch war der stärkste von allen,« bemerkte Bill zuletzt.

      »Und er war auch nicht dämlich,« fügte Heinrich hinzu, und das war innerhalb zwei Tagen die zweite Grabrede.

      Das Frühstück wurde in düsterer Stimmung eingenommen und die vier noch übrigen Hunde vor den Schlitten gespannt. Der Tag war eine Wiederholung der vorhergegangenen. Die Männer wanderten stumm über die gefrorene Erde, und das Schweigen wurde nur durch das Geheul ihrer Verfolger unterbrochen, die ihnen unsichtbar folgten. Mit dem Einbruch der Dunkelheit am frühen Nachmittag klang das Geheul wieder näher, wie die Verfolger ihrer Gewohnheit gemäß näher kamen; die Hunde wurden aufgeregt und furchtsam und verwickelten sich in ihrer Angst in den Strängen, was die beiden Männer noch mehr entmutigte.

      »So, das wird die dummen Dinger doch wohl festhalten,« sagte Bill am Abend voller Befriedigung, als er sich von seiner Arbeit aufrichtete.

      Heinrich ließ den Kochtopf stehen und kam, um zu sehen, was der andere gemacht hatte. Bill hatte nicht nur die Hunde angebunden, sondern dies nach der Art der Indianer mit Stöcken getan. Um den Hals eines jeden Hundes hatte er einen ledernen Riemen so dicht befestigt, dass der Hund ihn mit den Zähnen nicht fassen konnte, und an diesen Riemen hatte er einen vier oder fünf Fuß langen Stock gebunden, und das andere Ende des Stockes mit einem zweiten Lederriemen an einem Pfahl im Boden festgemacht. So konnte der Hund wegen des Stockes weder an den einen noch an den anderen Lederriemen gelangen, um ihn zu durchnagen. – Heinrich nickte zufrieden mit dem Kopfe.

      »Es ist das einzige Mittel, um Einohr festzubinden,« sagte er. »Denn der beißt durch das Leder so glatt, als wenn es mit 'nem Messer durchschnitten wäre, nur dass es ein bisschen länger dauert. – Morgen werden sie alle am Platze sein.«

      »Darauf kannst du eine Wette eingehen,« bekräftigte Bill. »Wenn morgen einer fehlt, so will ich keinen Kaffee haben.«

      »Die wissen ganz genau, dass wir kein Pulver und kein Blei mehr haben,« bemerkte Heinrich beim Schlafengehen, indem er auf den Kreis glühender Punkte deutete. »Wenn wir ihnen nur eins auf den Pelz brennen könnten, so würden sie mehr Respekt haben. Sie kommen jede Nacht näher heran. Sieh eine Weile nicht ins Feuer, sondern scharf darauf hin. Sahst du den da?«

      Die Männer amüsierten sich eine Zeitlang damit, die Bewegungen der undeutlichen Gestalten am Rande des Feuerscheins zu beobachten. Wenn sie die Augen fest auf ein im Dunkel leuchtendes Augenpaar hefteten, so fing die Gestalt des Tieres an, allmählich Form anzunehmen, und sie konnten dann und wann die Formen sich bewegen sehen.

      Ein Lärm unter den Hunden zog die Aufmerksamkeit der Männer an. Einohr ließ ein flehendes Gewinsel hören, strebte am Ende seines Stockes ins Dunkel hinein und ließ nur davon ab, um von Zeit zu Zeit mit den Zähnen wahnsinnige Angriffe auf den Stock zu machen.

      »Sieh doch mal, Bill,« flüsterte Heinrich.

      Im vollen Feuerschein schlich von der Seite verstohlen ein Tier herbei, das einem Hunde auffallend ähnlich sah. Es bewegte sich mit einer Mischung von Argwohn und Kühnheit, beobachtete vorsichtig die Männer, heftete aber seine volle Aufmerksamkeit auf die Hunde. Einohr strebte


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