Wolfsblut. Jack London

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Wolfsblut - Jack London


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      »Es ist eine Wölfin,« flüsterte Heinrich zurück, »und das erklärt die Flucht des Dicken und des Frosch. Sie ist der Köder für das Rudel. Sie lockt die Hunde heraus, und dann stürzen sie alle drauf und fressen sie auf.«

      Das Feuer knisterte. Ein Stück Holz fiel mit lautem Geprassel heraus. Bei dem Geräusch sprang das fremde Tier ins Dunkel zurück.

      »Heinrich, ich glaube –« fing Bill an.

      »Was denn?«

      »Ich glaube, das war die Bestie, der ich eins mit dem Knüttel versetzte.«

      »Ohne Zweifel,« war Heinrichs Antwort.

      »Und hier möchte ich mir die Bemerkung erlauben,« fuhr Bill fort, »dass die Vertrautheit des Tieres mit Lagerfeuern verdächtig und unanständig ist.«

      »Es weiß ganz sicher davon mehr, als ein anständiger Wolf wissen sollte,« gab Heinrich zu. »Ein Wolf, der so viel weiß, dass er mit den Hunden zur Fütterung kommt, hat Erfahrungen gehabt.«

      »Der alte Villan hatte mal einen Hund, der mit den Wölfen auf und davon lief,« fuhr Bill nachdenklich fort. »Ich muss es wissen, denn ich schoss ihn da drüben im Rudel am »Kleinen Stock« auf einer Elchweide, und der alte Villan weinte wie ein Kind. Er sagte, er hätte ihn drei Jahre lang nicht gesehen. Die ganze Zeit war der bei den Wölfen gewesen.«

      »Ich glaube, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Der Wolf ist eigentlich ein Hund und hat manch liebes Stück Fisch aus der Hand eines Menschen gefressen.«

      »Wenn ich könnte, wie ich wollte, so sollte der Wolf, der eigentlich ein Hund ist, am längsten gelebt haben,« erklärte Bill. »Wir können nicht noch mehr Hunde verlieren.«

      »Aber du hast nur noch drei Patronen,« warf Heinrich ein.

      »Ich will auch auf einen ganz sicheren Schuss warten,« war die Antwort.

      Am Morgen schürte Heinrich das Feuer und kochte das Frühstück, während sein Kamerad noch schnarchte. »Ich konnt's nicht übers Herz bringen, dich zu wecken,« sagte Heinrich, als er ihn darauf zum Frühstück rief. »Du schliefst so schön.«

      Bill fing schlaftrunken an zu essen. Er bemerkte, dass seine Tasse leer war, und streckte die Hand nach dem Kaffeetopf aus. Aber der Topf stand neben Heinrich und war zu weit entfernt.

      »Hör mal, Heinrich,« sagte er vorwurfsvoll, »hast du nicht was vergessen?«

      Heinrich blickte sich um und schüttelte den Kopf. Bill hielt ihm die leere Tasse hin.

      »Du kriegst keinen Kaffee,« verkündete Heinrich.

      »Ist er alle geworden?« fragte Bill besorgt.

      »Das hoffe ich nicht.«

      »Denkst du, ich werde mir den Magen dran verderben?«

      »Ich hoffe auch das nicht.«

      Die Röte des Ärgers stieg in Bills Gesicht empor. »Dann möchte ich aller höflichst bitten, dass du dich erklärst,« sagte er.

      »Treiber ist weg,« antwortete Heinrich.

      Ohne Hast und mit der Miene eines Menschen, der sich in sein Geschick ergibt, drehte Bill den Kopf herum und zählte von seinem Platze aus die Hunde.

      »Wie ist das geschehen?« fragte er ruhig.

      Heinrich zuckte die Achseln. »Weiß nicht. Wahrscheinlich hat Einohr ihn losgemacht. Selber hätt' er's nicht tun können, das ist sicher.«

      »Der verfluchte Spitzbub!« Bill sprach ernst und langsam ohne ein Zeichen des Ärgers, der in ihm tobte. »Weil er sich nicht selbst losbeißen konnte, musste er's mit Treiber tun.«

      »Na, Treibers Müh und Arbeit ist jedenfalls vorbei. Wahrscheinlich ist er um diese Zeit schon verdaut und galoppiert im Bauche von zwanzig Wölfen im Lande umher,« war Heinrichs Grabrede auf diesen letzten verlorenen Hund. »Trink einen Schluck Kaffee, Bill.«

      Aber Bill schüttelte den Kopf.

      »So sei doch nicht närrisch,« nötigte Heinrich und hob den Topf in die Höhe.

      Doch Bill schob die Tasse zur Seite. »Ich ließe mich eher hängen, als dass ich's täte. Ich habe gesagt, ich wollte keinen Kaffee, wenn ein Hund fehlte, und ich will auch keinen.«

      »Der Kaffee ist aber verdammt gut,« meinte Heinrich.

      Aber Bill war eigensinnig und aß sein Frühstück trocken, indem er es nur mit den gemurmelten Flüchen über den Streich, den Einohr ihm gespielt hatte, hinunterspülte.

      »Heut' abend bind' ich sie aber weit voneinander an,« sagte Bill, als die Wanderung begann.

      Sie waren wenig mehr als hundert Meter gegangen, als Heinrich, welcher der Vordermann war, sich bückte und etwas aufhob, an das er mit dem Schneeschuh gestoßen hatte. Es war so dunkel, dass er es nicht sehen konnte, aber er erkannte es am Gefühl. Er warf es rückwärts, wo es an dem Schlitten aufsprang und bis zu Bills Schneeschuhen hüpfte.

      »Vielleicht kannst du's noch brauchen,« sagte Heinrich.

      Bill ließ einen Ausruf hören. Es war alles, was von Treiber übrig war, – der Stock, womit er angebunden gewesen war.

      »Sie haben ihn mit Haut und Haar aufgefressen,« verkündete Bill. »Der Stock ist so kahl, wie 'ne Pfeife. Sogar die Lederriemen an beiden Enden sind weg. Sie müssen verdammt hungrig sein; und ich sehe schon, sie werden uns auch noch kriegen, bevor die Fahrt vorbei ist.«

      Heinrich lachte trotzig. »Ich bin zwar von Wölfen noch nie so sehr verfolgt worden, aber ich hab' Schlimmeres im Leben durchgemacht. Es braucht mehr als so 'ne Handvoll vertrackter Bestien, um dir und mir den Garaus zu machen, Bill, mein Sohn.«

      »Das weiß ich doch nicht,« meinte Bill voll böser Ahnung.

      »Schön, du wirst es wissen, wenn wir nach Mc Gurry kommen.«

      »Ich glaube nicht recht daran,« beharrte Bill.

      »Dein Magen ist nicht in Ordnung, und das quält dich,« belehrte Heinrich. »Dir fehlt eine tüchtige Dosis Chinin, und die werd' ich dir verabfolgen, wenn wir nach Mc Gurry kommen.«

      Bill brummte unwirsch zu dieser Diagnose und versank in sein früheres Schweigen. Der Tag verging wie die andern alle. Um neun Uhr wurde es hell, und um zwölf erwärmte die unsichtbare Sonne den südlichen Horizont, worauf das kalte Grau des Nachmittags einsetzte, das drei Stunden später in dunkle Nacht versank.

      Gerade als die Sonne die machtlose Anstrengung zu scheinen machte, zog Bill die Büchse unter den Stricken des Schlittens heraus und sagte: »Geh nur ruhig weiter, Heinrich, ich will sehen, was ich tun kann.«

      »Du tätest besser, beim Schlitten zu bleiben,« ermahnte ihn der Gefährte. »Du hast nur drei Patronen, und man weiß nie, was noch kommen kann.«

      »Wer unkt nun?« versetzte Bill triumphierend.

      Heinrich gab keine Antwort und wanderte allein weiter, indem er oft ängstliche Blicke in die graue Einöde warf, worin der Gefährte verschwunden war. Eine Stunde später traf er auf Bill, der die Biegungen, die der Schlitten machen musste, abgeschnitten hatte.

      »Sie sind über eine weite Fläche verstreut,« meldete er. »Sie folgen uns und schauen zugleich nach Raub aus. Du siehst, sie haben uns sicher, nur dass sie wissen, sie müssen auf uns warten. Mittlerweile suchen sie alles Essbare auf, was ihnen in den Weg kommt.«

      »Du meinst doch wohl nur, sie glauben uns sicher zu haben,« warf Heinrich ein.

      Aber Bill hörte nicht auf ihn. »Ich habe einige gesehen. Sie sind fürchterlich mager. Seit Wochen, glaube ich, haben sie keinen Bissen gehabt außer Fett, Frosch und Treiber, und es sind ihrer so viele, dass das nicht weit gereicht hat. Ja, furchtbar mager sind sie. Die Rippen sehen wie ein Waschbrett aus, und der Bauch ist dicht unter dem Rückgrat. Sie sind


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