Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper

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Der Pfadfinder - James Fenimore Cooper


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in ihrer vollen Gewalt, und während er auf die schweren Athemzüge der beiden Krieger, welche sich an den Kehlen gefaßt hielten, horchte, trieb er so eilig als er es vermochte, dem westlichen Ufer zu. Dieses hatte er bald erreicht, und nach kurzem Suchen die zurückgebliebene Gesellschaft, wie auch seine Kleider wieder aufgefunden. Wenige Worte genügten, um die Lage, in welcher er den Delawaren verlassen, und die Art, wie er den Kahn gerettet, auseinander zu setzen.

      Als die am Ufer Befindlichen die Mittheilung Jaspers gehört hatten, trat eine tiefe Stille ein, und jeder lauschte aufmerksam in der eiteln Hoffnung, etwas zu vernehmen, was über den Ausgang des schrecklichen Kampfes, welcher im Wasser stattgefunden, oder noch fortdauerte, Aufschluß geben konnte. Aber man vernahm nichts durch das Geräusch des brausenden Flusses, und es gehörte mit zu der Politik ihrer Feinde auf dem entgegengesetzten Ufer, eine todtengleiche Stille zu beobachten.

      „Nehmt dieses Ruder, Jasper," sagte Pfadfinder ruhig, obgleich es den Uebrigen dünkte, daß seine Stimme melancholischer als gewöhnlich tönte, „und folgt mir mit Euerm Kahn. — Es ist nicht räthlich, lange hier zu bleiben."

      „Aber der Serpent?"

      „Die große Schlange ist in den Händen ihrer eigenen Gottheit, und wir leben oder sterben, je nach den Absichten der Vorsehung. Wir können ihm nicht helfen und würden zuviel wagen, wenn wir müßig hier bleiben und wie Weiber im Unglück jammern wollten. Diese Finsternis, ist kostbar." —

      Ein lauter, langer, durchdringender Schrei drang vom Ufer herüber und unterbrach die Worte des Wegweisers.

      „Was bedeutet dieser Lärm, Meister Pfadfinder?" fragte Cap. „Er klingt ja mehr wie das Zetergeschrei der Teufel, als wie Töne aus den Kehlen von Menschen und Christen."

      „Christen sind es keine, geben sich auch für keine aus, und wollen keine sein; und wenn Ihr sie Teufel nennt, so habt Ihr sie kaum unrecht betitelt. Dieser Schrei ist ein Freudenruf, wie ihn die Sieger ausstoßen. Es ist kein Zweifel, der Körper des Serpent ist todt oder lebendig in ihrer Gewalt."

      „Und wir —," rief Jasper, welcher den Schmerz einer edlen Reue fühlte, denn der Gedanke vergegenwärtigte sich seinem Geiste, daß er wohl dieses Unglück abzuwenden vermocht hätte, wenn er seinen Kameraden nicht verlassen haben würde.

      „Wir können dem Häuptling nichts nützen, Junge, und müssen diesen Platz so schnell als möglich verlassen."

      „Ohne einen Versuch zu seiner Befreiung? — ja ohne zu wissen, ob er todt oder lebendig ist?"

      „Jasper hat Recht," sagte Mabel, welche zwar zu sprechen vermochte, jedoch nur mit heiserer und erstickter Stimme. „Ich habe keine Furcht, Onkel, und will hier bleiben, bis ich weiß, was aus unserem Freunde geworden ist."

      „Das scheint vernünftig, Pfadfinder," warf Cap ein. „Ein rechter Seemann kann nicht wohl seinen Kameraden verlassen, und es freut mich, so richtige Grundsätze unter diesem Frischwasservolk zu finden."

      „Fort, fort damit," erwiederte der ungeduldige Wegweiser, indem er zugleich den Kahn in den Strom drängte. „Ihr wißt nichts, darum fürchtet Ihr nichts. Aber wenn Euch Euer Leben werth ist, so denkt daran, die Garnison zu erreichen und überlaßt den Delawaren den Händen der Vorsehung. Ach! der Hirsch, der zu oft zu der Lick geht, trifft am Ende doch mit dem Jäger zusammen!"

      Siebentes Kapitel.

      Dieß — Yarrow — ist der Strom, darob

      In schönem wachem Traume

      Die Phantasie sich kühn erhob —

      Ein Bild, verwischt im Schaume!

      O wär' des Sängers Harfe hier.

      Daß frohe Lieder klängen.

      Um aus dem schweren Busen mir

      Die Oede zu verdrängen!

      Wordsworth.

      Die Scene war nicht ohne ihre erhabenen Momente. Die glühende, hochherzige Mabel fühlte ihr Blut durch die Adern dringen und ihre Wangen erröthen, als der Kahn in den Strom einlenkte, um den Platz zu verlassen. Die Finsterniß der Nacht hatte nachgelassen, da die Wolken sich zerstreuten; aber das überhängende Gehölz umnachtete die Ufer so sehr, daß die Kähne wie in einem dunkeln Schachte, welcher sie gegen Entdeckung schützte, in der Strömung hinabfuhren. Demungeachtet aber durften sich die in den Kähnen Befindlichen keineswegs für sicher halten, und selbst Jasper, welcher für das Mädchen zu zittern begann, warf bei jedem ungewöhnlichen Tone, der von dem Walde ausstieg, besorgte Blicke umher. Das Ruder wurde mit Leichtigkeit und der äußersten Sorgfalt geführt, denn der leichteste Ton mochte in der tiefen Ruhe dieser Stunde und dieses Ortes den wachsamen Ohren der Irokesen ihre Stellung verrathen.

      Alles dieß erhob noch die großartigen Eindrücke der Lage des Mädchens und trug dazu bei, den gegenwärtigen Augenblick zu den aufregendsten zu machen, der Mabel je in ihrem kurzen Leben vorgekommen war. Muthig, voll Selbstvertrauen, wie sie war, und noch gehoben durch den Stolz, welchen sie als die Tochter eines Soldaten fühlte, konnte man kaum von ihr sagen, daß Furcht auf sie einwirke, aber ihr Herz schlug oft schneller als gewöhnlich, ihr schönes Auge strahlte, unbemerkt in der Finsterniß, mit dem Ausdruck der Entschlossenheit, und ihre belebten Gefühle steigerten noch die Erhabenheit dieser Scene und der Ereignisse dieser Nacht.

      „Mabel," sprach Jasper mit unterdrückter Stimme, als die Kähne so nahe bei einander schwammen, daß die Hand des jungen Mannes sie zusammenhalten konnte. „Sie haben keine Furcht und vertrauen freimüthig unserer Sorgfalt und unserm guten Willen Ihren Schutz — nicht wahr?"

      „Ich bin eines Soldaten Tochter, wie Ihr wißt, Jasper Western, und müßte erröthen, wenn ich Furcht bekennen sollte."

      „Verlassen Sie sich auf mich — auf uns Alle. Euer Onkel, der Pfadfinder, der Delaware, wenn der arme Bursche hier wäre, — und ich selbst werden eher Alles wagen, ehe Ihnen ein Leides zustoßen soll."

      „Ich glaube Euch, Jasper," erwiederte das Mädchen, indem sie unwillkürlich ihre Hand in dem Wasser spielen ließ. „Ich weiß, daß mein Onkel mich liebt und nie an sich selber denkt, ohne zuerst an mich gedacht zu haben; auch glaube ich, daß ihr Alle Freunde meines Vaters seid und gerne seinem Kinde beisteht. Aber ich bin nicht so schwach und zaghaft, als Ihr glauben mögt; denn obgleich ich nur ein Stadtmädchen und, wie die meisten von dieser Klasse, ein wenig geneigt bin, Gefahr zu sehen, wo keine ist, so verspreche ich Euch doch, Jasper, daß keine thörichte Furcht von meiner Seite der Ausübung Eurer Pflicht in den Weg treten soll."

      „Des Sergeanten Tochter hat Recht, und sie ist werth, ein Kind des wackern Thomas Dunham zu sein," warf der Pfadfinder ein. „Ach, mein Kind, wie oft spähete oder marschirte ich mit Ihrem Vater an den Flanken oder der Nachhut des Feindes in Nächten, die dunkler waren als diese, und zwar unter Umständen, wo Keiner wissen konnte, ob ihn nicht der nächste Augenblick in einen blutigen Hinterhalt führe. Ich war an seiner Seite, als er in der Schulter verwundet wurde, und der wackere Kamerad wird, wenn wir zu ihm kommen, Ihnen erzählen, wie wir's anstellten, um über den Fluß, der uns im Rücken lag, zu setzen, und seinen Skalp zu retten."

      „Er hat mir's erzählt," sagte Mabel mit mehr Feuer, als in ihrer gegenwärtigen Lage klug sein mochte. „Ich habe Briefe von ihm, in welchen er von allem Diesem Erwähnung thut, und ich danke Euch von Grund meines Herzens für Eure Dienste. Gott möge es Euch vergelten, Pfadfinder; und es gibt keine Erkenntlichkeit, die Ihr von der Tochter fordern könntet, welche sie nicht mit Freuden für ihres Vaters Leben leisten würde."

      „Ja, das ist so die Weise von euch sanften und reinen Geschöpfen. Ich habe früher Einige von euch kennen gelernt, und von Andern gehört. Der Sergeant selbst hat mir von seinen jüngern Tagen erzählt, von Ihrer Mutter, von der Art, wie er um sie freite und von all den Querstrichen und widrigen Zufällen, bis er es zuletzt durchsetzte."

      „Meine Mutter lebte nicht lange genug, um ihn für Alles zu entschädigen, was er that, sie zu gewinnen," sprach Mabel mit bebender Lippe.

      „So


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