Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper

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Der Pfadfinder - James Fenimore Cooper


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er gegen das östliche Ufer, stieg mit Vorsicht an's Land, und nahm seinen Weg unter dem Schutze der Finsterniß unentdeckt und im Grunde auch unbeargwohnt, mitten durch die Irokesen. Einmal wurde er angerufen; da er sich aber für Arrowhead ausgab, so wurden keine weitern Fragen an ihn gemacht. Aus ihren Reden war ihm bald klar geworden, daß der Haufen ausdrücklich auf Mabel und ihren Onkel lauerte, über dessen Rang sie jedoch augenscheinlich im Irrthum waren. Er hatte auch genug erfahren, um den Verdacht zu rechtfertigen, daß Arrowhead sie ihren Feinden verrathen habe, obgleich ein Beweggrund hiezu nicht leicht auszufinden war, da er die Belohnung für seine Dienste noch nicht empfangen hatte.

      Pfadfinder theilte von diesen Nachrichten seinen Gefährten nicht mehr mit, als er zu Milderung ihrer Besorgnisse für nöthig erachtete, indem er zugleich andeutete, daß es nun Zeit sei, ihre Kräfte zu brauchen, ehe die Irokesen sich von der Verwirrung erholt hätten, in welche sie durch ihre Verluste gerathen waren.

      „Wir werden sie ohne Zweifel an der Stromenge wieder finden," fuhr er fort, „und dort müssen wir an ihnen vorbei oder in ihre Hände fallen. Die Entfernung von der Garnison ist nur noch geringe, und ich habe daran gedacht, mit Mabel zu landen, sie auf einigen Seitenwegen weiter zu geleiten und die Kähne ihrem Schicksal in den Stromschnellen zu überlassen."

      „Es wird nicht, gelingen, Pfadfinder," unterbrach ihn Jasper lebhaft. „Mabel ist nicht stark genug, um in einer solchen Nacht durch die Wälder zu gehen. Setzt sie in meinen Kahn, und ich will mein Leben verlieren, oder sie über die Stromenge glücklich wegführen, so dunkel es auch sein mag."

      „Ich zweifle nicht, daß Ihr das werdet, Junge; Niemand zweifelt an Eurem guten Willen, der Tochter des Sergeanten einen Dienst zu leisten; aber das Auge der Vorsehung muß es sein und nicht das Eurige, welches in einer Nacht, wie diese, Euch glücklich über den Stromschuß des Oswego bringen kann."

      „Und wer wird sie denn zu Land glücklich nach der Garnison bringen? Ist die Nacht am Ufer nicht so dunkel, als auf dem Wasser? Oder glaubt Ihr, ich verstehe mich weniger auf meinen Beruf, als Ihr Euch auf den Eurigen?"

      „Kühn gesprochen, Junge; aber angenommen, ich verlöre meinen Weg in der Finsterniß — und ich glaube, es kann mir Niemand in Wahrheit nachsagen, daß mir das je begegnet ist — angenommen, ich verlöre den Weg, so würde daraus kein anderes Unglück entspringen, als daß wir die Nacht im Walde zubringen müßten; indeß eine falsche Wendung des Ruders oder ein breiteres Streichen des Kahns Euch und das junge Frauenzimmer in den Fluß werfen kann, aus dem, aller Wahrscheinlichkeit nach, des Sergeanten Tochter nicht mehr lebendig kommen wird."

      „Wir wollen das Mabel selbst überlassen; ich bin überzeugt, daß sie sich in dem Kahne sicherer fühlen wird."

      „Ich habe ein großes Vertrauen zu euch Beiden," antwortete das Mädchen, „und zweifle nicht, daß Jeder thun wird, was er kann, um meinem Vater zu beweisen, wie werth er ihm ist. Aber ich bekenne, daß ich nicht gerne den Kahn verlassen möchte, da wir die Gewißheit haben, daß Feinde, wie wir sie gesehen, in dem Walde sich befinden. Doch mein Onkel mag in dieser Sache den Ausschlag geben."

      „Ich liebe die Wälder nicht, so lange man eine so schöne Bahn, wie hier aufdem Fluß, vor sich hat. Außerdem, Meister Pfadfinder, um von den Wilden nichts zu sagen, Ihr überseht die Hayfische."

      „Hayfische! wer hat je von Hayfischen in der Wildniß gehört?"

      „Ach! Hayfische, oder Bären, oder Wölfe — es ist gleichgültig, wie Ihr das Ding nennt. Es ist eben Etwas, was die Lust und die Macht hat, zu beißen."

      „Hilf Herr! Mensch, fürchtet Ihr ein Geschöpf, das in einem amerikanischen Forste gefunden werden kann? Ich will zwar zugeben, daß eine Pantherkatze ein ungeberdiges Thier ist; doch was will das heißen, wenn ein geübter Jäger bei der Hand ist? Sprecht von den Mingo's und ihren Teufeleien, so viel Ihr wollt; aber macht mir keinen falschen Lärm mit Euren Bären und Wölfen."

      „Ja, ja, Meister Pfadfinder, das ist wohl Alles gut genug für Euch, der Ihr wahrscheinlich den Namen einer jeden Kreatur, mit der Ihr zusammen trefft, kennt. Gewohnheit ist schon Etwas, und macht einen Mann kühn, wo er sonst vielleicht schüchtern wäre. Ich habe in der Nähe des Aequators die Matrosen stundenlang unter fünfzehn bis zwanzig Fuß langen Hayfischen herumschwimmen sehen, und sie hatten dabei keine andern Gedanken, als die ein Landbewohner sich macht, wenn er Sonntags Nachmittags unter Seines Gleichen aus der Kirchthüre geht."

      „Das ist außerordentlich!" rief Jasper, welcher in seiner Treuherzigkeit sich jenen wesentlichen Theil seines Gewerbes, den man die Fähigkeit „ein Garn zu spinnen" nennt, noch nicht angeeignet hatte. „Ich habe immer gehört, daß der Tod gewiß sei, wenn man sich in das Wasser unter die Hayen wage."

      „Ich vergaß, zu sagen, daß die Jungen immer Spillenbäume, Kanonenspacken oder Kuhfüße mit sich nahmen und die Bestien auf die Nase schlugen, wenn sie ihnen lästig wurden. Nein, nein, ich finde kein Behagen an Bären und Wölfen, obgleich ich mir aus einem Walfisch so wenig mache, als aus einem Häring, wenn er getrocknet und gesalzen ist. Mabel und ich halten besser Stich in dem Kahne."

      „Mabel würde gut thun, das Fahrzeug zu wechseln," fügte Jasper bei. „Das meine ist leer, und der Pfadfinder wird zugeben, daß auf dem Wasser mein Auge sicherer ist, als das seine."

      „Das thue ich mit Freuden, Junge. Das Wasser gehört zu Euren Gaben, und Niemand wird in Abrede ziehen, daß Ihr sie auf’s Beste erprobt habt. Ihr habt Recht, wenn Ihr glaubt, daß des Sergeanten Tochter in Eurem Kahne sicherer sei, als in dem meinigen, und obgleich ich gerne selber in ihrer Nähe wäre, so liegt mir doch ihre Wohlfahrt zu sehr am Herzen, um sie nicht aufrichtig zu berathen. Bringt Euren Kahn dicht an unsere Seite, Jasper, damit ich Euch das, was Ihr als einen kostbaren Schatz betrachten müßt, übergeben kann."

      „Ich betrachte es als einen solchen," erwiederte der Jüngling, welcher keinen Augenblick verlor, um dieser Aufforderung nachzukommen; und als Mabel von dem einen Kahn in den andern getreten war, setzte sie sich zu dem Gepäcke, welches bisher die einige Last desselben ausgemacht hatte.

      Nachdem diese Anordnung getroffen war, trennten sich die Kähne und fuhren in einiger Entfernung von einander, wobei man sich vorsichtig, ohne ein Geräusch zu erregen, der Ruder bediente. Die Unterhaltung hörte nach und nach auf, und die Annäherung der gefürchteten Stromenge machte auf Alle einen inhaltsschweren Eindruck. Es war fast gewiß, daß ihre Feinde sich alle Mühe gegeben hatten, diesen Punkt vor ihnen zu erreichen, und der Versuch, in der tiefen Dunkelheit auf dem Strome über ihn weg zu kommen, schien so wenig wahrscheinlich, daß der Pfadfinder der Ueberzeugung lebte, die Wilden hätten sich an beiden Ufern vertheilt, in der Hoffnung, sie beim Landen abzufangen. Er würde auch seinen früheren Vorschlag nicht gemacht haben, wenn er es nicht seinen eigenen Fähigkeiten zugetraut hätte, dieses Vorgefühl eines günstigen Erfolgs von Seiten der Irokesen zu einer Vereitelung ihrer Plane zu benützen. Da aber nun die Anordnung fest stand, so hing Alles von der Geschicklichkeit der Kahnführer ab. Denn wenn ein Fahrzeug auf einen Felsen stieß, so mußte es, wenn es nicht zertrümmert wurde, fast nothwendig aufsitzen, und dann war man nicht blos den Zufällen des Stromes, sondern Mabel auch der Gewißheit ausgesetzt, in die Hände ihrer Verfolger zu fallen. Es war daher die äußerste Umsicht nöthig, und Jeder blieb zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um sich geneigt zu fühlen, mehr zu äußern, als was gerade die Dringlichkeit des Augenblicks erforderte.

      Die Kähne stahlen sich ruhig vorwärts, und das Brausen der Stromenge wurde hörbar. Cap mußte aller seiner Tapferkeit aufbieten, um sich auf seinem Sitz zu erhalten, indeß jene bedeutungsvollen Töne immer näher kamen, wobei die Finsterniß kaum die Umrisse des waldigen Ufers und das darüber hängende dunkle Himmelsgewölbe erkennen ließ. Der Eindruck, welchen die Wasserfülle auf ihn gemacht hatten, arbeitete noch in seiner Seele, und seine Phantasie war nicht unthätig, die Gefahren der Stromenge mit jenen des jähen Absturzes, den er durchgemacht hatte, sich gleich zu denken, wenn nicht der Zweifel und die Ungewißheit sie gar noch steigerte. Hierin war jedoch der alte Seemann im Irrthum, denn die Stromenge des Oswego und seine Fälle sind in ihrem Charakter und in ihrer Heftigkeit sehr verschieden, da die ersten nichts weiter als eine Stromschnelle war, welche über Untiefen und Felsen geht, indeß die letzteren den Namen, den sie


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