Parsifal. Joachim Stahl

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Parsifal - Joachim Stahl


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Grimm das hübsche, wenngleich bereits etwas faltige Gesicht. Mit über 50 Jahren war sie das älteste Besatzungsmitglied. „Kio, du bist sogar mir viel zu dick und hässlich. Außerdem bin ich grundsätzlich nicht an Familienvätern interessiert, mach dir also nur keine falschen Hoffnungen.“ Kokett zwinkerte sie mit ihren großen blauen Augen in das Aufnahmegerät.

      „Schön, dass ihr immer so guter Laune seid“, meldete sich Taunsend wieder zu Wort. „Ich hoffe, eure Stimmung steigt sogar noch höher, wenn ihr erst dort unten in der Station seid und das fröhliche Datenträgersammeln losgeht. Keine Sorge, allzu groß scheint die Anlage nicht zu sein. Innerhalb etwa einer halben Stunde müsstet ihr sie durchforstet haben. Mannschaftsquartiere und dergleichen übergeht ihr einfach, fündig werdet ihr eher in den Arbeitsräumen. Ihr seid lange genug in der Flotte, um zu wissen, wie die aussehen. Die Raumbehörde hat riesiges Interesse an diesen Datenträgern. Ihr dürft euch also einbilden, etwas Bedeutendes für die moranische Sicherheit zu tun. Ihr steigt dann mit den Fundstücken wieder in eure Phönix, bitte ohne Abstecher in die übrigens vegetationslose Oberfläche von Torr IV, und kommt schnurstracks zurück zu Papa Petrus. Nähere Einzelheiten über die ganze Angelegenheit verrate ich euch bei Interesse nach Abschluss eurer Mission.“ Er legte eine kurze Atempause ein. „Und damit uns vieren hier an Bord der DIANA in der Zwischenzeit nicht langweilig wird, hat sich ein unbekanntes Raumschiff in diesem System vor der BRUNO versteckt und weigert sich, auf unsere Funkrufe zu antworten. Man kann daraus messerscharf schlussfolgern, dass die Kameraden dort an Bord nichts Gutes im Sinn haben. Man munkelt, es könne ein Schiff der Konföderation sein. Aber mit der BRUNO und den drei anderen Kreuzern als Leibwache sollten wir in Ruhe unsere Arbeit machen können. Nur weiß man eben nie. Das Weltall ist bekanntlich wie das Leben und steckt voller Überraschungen. Also, packen wir es an und hoffen auf ein gutes Gelingen!“

      3. Szene

      „Herr Admiral, eine Meldung von der ORB“, drang die Stimme der Kommunikationsoffizierin Uhura an Hoffmanns Ohren.

      Überrascht hob Hoffmann die Augenbrauen und wandte sich dem Visiophon vor ihm zu. Per Hologramm tauchte das zerfurchte Gesicht der Generalin Pamina Neyd auf, die als Leiterin der Obersten Raumbehörde Morans fungierte. Ihr streichholzkurzes Haar war bereits ähnlich stark ergraut wie das Hoffmanns. Und auch Neyd war zu uneitel, um es wie in ihren Alterskreisen sonst meist üblich zu färben. „Pamina, ich grüße dich. Wir haben soeben die befohlene Bergung der Datenträger auf Torr IV begonnen. Alle vier Raumkreuzer der BRUNO sind ausgeschleust, weil wir per Resonanzkontakt ein unbekanntes Schiff angepeilt haben, das auf unsere Kontaktversuche nicht reagiert. Und wir möchten lieber kein Risiko eingehen, wie du dir denken kannst.“ Er lächelte schmallippig in die Kamera.

      Neyd musterte ihn ernst. Sie hatten im letzten Krieg als Unteroffiziere auf demselben Schlachtkreuzer der militärischen Flotte gedient und standen einander entsprechend nah. Erst nach Neyds Beförderung an die oberste Spitze der Raumbehörde war ihr Kontakt allmählich abgeflaut. Es bleibt eben nicht mehr viel Zeit für alte Freunde und Bekannte, wenn man die Verantwortung für eine ganze Raumflotte mit knapp 500 Schiffen und insgesamt über 5.000 Besatzungsmitgliedern trägt, die von einer Vielzahl als Bodenpersonal dienenden Frauen und Männern unterstützt werden.

      „Deshalb rufe ich nicht an, Omar“, entgegnete die Generalin. „Es tut mir leid, aber ihr müsst diese Mission sofort abbrechen. Es gibt einen neuen Auftrag für euch, der keinerlei Aufschub duldet.“

      Hoffmann atmete tief durch. „Was ist passiert? Ein Angriff auf Moran?“

      Neyd schüttelte leicht den Kopf. „Nein, zum Glück nichts so Dramatisches. Die Sache ist mir selbst ein Rätsel. Aber wir haben von der Regierung die Order erhalten, ein moranisches Entführungsopfer aus der Hand von Raumpiraten zu befreien. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt anscheinend wichtiger als alles andere. Deshalb ergeht dieser Befehl an euch auch als Alphaorder.“

      Gegen seinen Willen stieß Admiral Hoffmann ein ungläubiges Lachen aus. „Wie bitte? Etwas so Banales wie ein Piratenüberfall soll unseren sorgsam ausgearbeiteten Einsatzplan auf den Kopf stellen? Das kann nicht dein Ernst sein, Pamina!“

      Wie um Entschuldigung bittend zuckte Neyd mit den Schultern. „Du weißt, dass die Regierung uns gegenüber weisungsbefugt ist. Wer zahlt, bestimmt die Musik. Bei dem Entführungsopfer muss es sich meines Erachtens um jemanden handeln, der einem einflussreichen Regierungsmitglied sehr am Herzen liegt. Bitte glaube mir, ich bin selbst irritiert und halte das auch für äußerst fragwürdig. Aber offenbar ist man der Ansicht, es brauche ein so großes Schiff wie die BRUNO, um dieses kleine Piratenproblem zu lösen. Wenn es dich tröstet, kannst du dir also sagen, dass man in den entscheidenden Kreisen auch die Kampfkraft eures Forschungsraumers durchaus zu schätzen weiß. Und insbesondere eure Kreuzer der ORION-Klasse verfügen ja in der Tat über eine beeindruckende Stärke.“ Sie seufzte. „Die Zielkoordinaten lasse ich euch gleich zukommen. Schleuse die vier Kreuzer ein und mach dich unverzüglich auf den Weg. Wie gesagt, das ist eine Alphaorder. ORB Moran Ende.“ Die holografische Darstellung von Neyds Gesicht erlosch.

      Admiral Hoffmann schüttelte fassungslos den Kopf. Aber er war nicht gewillt, an diesem absurden Spiel bedingungslos mitzuwirken. Ja, er war ein leitender Offizier und das hierarchische System dieses Berufszweiges war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Doch hatte er in all den Dienstjahren weder sein Herz versteinern lassen noch sein Gehirn ausgeschaltet. Er wusste, was zu tun war und würde sämtliche Konsequenzen bereitwillig in Kauf nehmen.

      4. Szene

      „Ich fürchte, wir bekommen Vertreterbesuch.“ Buffon hatte die Ortung übernommen, da die dafür zuständige Ronja Darlfrey die DIANA an Bord der Phönix vor einigen Minuten verlassen hatte. Etwas umständlich bediente er die für ihn ungewohnten Ortungs-Kontrollfelder seines Pultes.

      Es wäre auch möglich gewesen, diese Aufgabe dem Bordcomputer zu übertragen, aber es schadete nichts, den jungen Burschen etwas zu fordern, hatte Taunsend stillschweigend entschieden. Man wächst mit seinen Aufgaben. Und das konnte dem noch etwas unfertig wirkenden Buffon wahrlich nicht schaden.

      „Ein großer Brocken“, erläuterte der Fähnrich. „Sieht aus wie eine Röhre mit allerlei Anbauten, über 500 Meter lang und 100 Meter im Durstmesser.“

      „Also ein Schlachtkreuzer der Konföderation“, murmelte Taunsend, nachdem die holografische Darstellung des fremden Schiffes endlich über der Astroscheibe erschienen war. Das Auftauchen des zuvor versteckten Raumers war zu erwarten gewesen, nachdem die GIORDANO BRUNO unvermittelt das System verlassen hatte, um eine dringendere Mission zu erfüllen. Der Gegner wagte sich nun aus dem Ortungsschatten des Weißen Zwerges. Die Konfrontation mit der GIORDANO BRUNO hatte er gescheut, doch ein einzelner ihrer Kreuzer war für ihn offenbar ein Widersacher, den man vertreiben oder gar vernichten konnte. Zwar verfügte die DIANA wie jedes Schiff der ORION-Klasse über einen Overkill-Werfer, der ganze Planeten zerstören konnte, aber dieser war für ein Feuergefecht gegen ein anderes Raumschiff viel zu ungenau. So blieben ihr hierfür nur ihre vier konventionellen Strahler. Und diese waren den zahlreichen schweren Lasergeschützen eines Schlachtkreuzers deutlich unterlegen.

      „Schutzschirm aktivieren!“, befahl Taunsend. Zwar herrschte derzeit kein Kriegszustand zwischen der Sternenlicht Vereinigung und der Fraktalkonföderation, doch die wechselseitige Beziehung war chronisch gespannt. Weder auf politischer noch auf ökonomischer Ebene gab es engere Kontakte. Man wusste nicht einmal viel voneinander. Und das, obwohl in beiden Sternenreichen Abkömmlinge der irdischen Menschheit lebten. Zwar gab es ein Datennetz, welches den gesamten von Menschen besiedelten Teil der Galaxis miteinander verband, doch uneingeschränkten Zugriff darauf hatten nur die Geheimdienste und die höchsten Regierungsebenen.

      „Was machen wir nun?“ Astrogator Entwissels Stimme klang belegt. „Soll ich auf Fluchtkurs gehen?“

      „Auf keinen Fall!“ Taunsend rieb sich nachdenklich das bärtige Kinn. „Wir lassen Ronja und Kio da unten nicht im Stich. Aber wir sollten auch keinen Zweikampf mit dem Brocken riskieren. Sein aggressives Auftauchen trotz unserer Anwesenheit lässt darauf schließen, dass er es auf ein Feuergefecht mit uns ankommen lassen würde, und dabei würden wir mit ziemlicher Sicherheit den Kürzeren ziehen. Womöglich ist er aus


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