Parsifal. Joachim Stahl
Читать онлайн книгу.des Planetoiden und geh dort auf Tauchstation, Jon!“
Das verschaffte ihnen eine Atempause, mehr aber auch nicht. Fieberhaft suchte Taunsend nach einem passenden Schachzug für diese vertrackte Situation. „Toni, sind die Lichtwerfer einsatzbereit?“
„Ja“, antwortete die junge Frau vom Armierungsstand ein Deck über der Kommandozentrale gewohnt wortkarg.
„Verbindung mit Bodentrupp herstellen“, befahl Taunsend.
Buffon brauchte erfreulicherweise nicht allzu lange, um wieder auf den Kommunikationsmodus umzustellen.
„Pet, was gibt’s?“ krähte Darlfreys stets etwas heisere Stimme unbeschwert. „Wir haben den Eingang zur Station geknackt. Gute Luft herrscht im Inneren leider nicht mehr, eher Vakuum. Wir werden uns jetzt zum Archiv begeben oder wo auch immer diese heißbegehrten Datenträger vor sich hin gammeln mögen. Ist das Abendessen schon fertig oder warum klopfst du an?“
„Die BRUNO und unser gesamter Begleitschutz haben das Feld geräumt.“
„Was? Warum das denn? Haben etwa die eine Esseneinladung bekommen?“
Taunsend schnaubte humorlos. „Alphaorder der ORB. Jedenfalls nähert sich soeben ein Schiff der Konföderation, leider sehr viel größer und vermutlich kampfstärker als wir. Ich weiß nicht, was sie hier suchen, vielleicht wollen sie uns aus reiner Gewohnheit die Suppe versalzen, apropos Essenseinladung. Wir gehen erst mal in Deckung, aber wir lassen euch nicht im Stich, das wisst ihr. Erledigt einfach weiter euren Auftrag und meldet euch per Subfunk, sobald ihr damit fertig seid. Ich hoffe, bis dahin ist mir etwas Schlaues eingefallen. DIANA Ende.“
„Verdammt, das hab ich mir anders vorgestellt.“ Hinter der Scheibe seines Raumhelmes wirkte Muns rundliches Gesicht so besorgt wie nur selten. Der Bordingenieur der DIANA stand in seinem tarnfarbigen Raumanzug Darlfrey gegenüber in der Schleusenkammer der verlassenen Forschungsstation.
„Ich weiß, du hast von lauschigen Büschen geträumt, in denen du mich vor und nach unserem Auftrag kurz vernaschen kannst, du Lustgreis. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“ Darlfrey zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln, auch wenn es ihr schwerfiel.
„Danke, jetzt geht es mir schon viel besser“, feixte Mun. Der leicht untersetzte Leutnant diente seit fast zwanzig Jahren in der Flotte und hatte seine Nerven in aller Regel gut im Griff. „Ich frage mich nur, warum dieser Valan ausgerechnet hier im kosmischen Nirgendwo eine Forschungsstation errichtet hat. Weshalb er diese Einöde dann wieder verlassen hat, kann ich schon besser verstehen. Hier würde ich es auch nicht lange aushalten.“
„Zum Glück fragst du dich selbst. Ich hab nämlich leider auch keine schlaue Antwort darauf. Und nun komm, bringen wir es hinter uns.“ Darlfrey betrat den etwa vier Meter breiten und gut zwei Meter hohen Korridor, der sich hinter der Schleusenkammer ins Innere der Station erstreckte.
Wie Taunsend bei der Einsatzbesprechung angekündigt hatte, war die Station nicht sonderlich groß. Das flache quaderförmige Gebäude, dessen Rückseite an eine Felswand angelehnt war, war etwa zwanzig Meter breit und vierzig Meter lang. Allzu viele Räume, die es zu durchsuchen galt, dürfte es also nicht enthalten.
Die Lufterneuerungsanlage, welche die Anlage einst mit Sauerstoff geflutet hatte, war nicht mehr in Betrieb. Das auf der Oberfläche des Planetoiden herrschende Vakuum hatte auch die Station erfasst, obgleich die Eingangstür geschlossen gewesen war und von Darlfrey und Mun durch den Einsatz ihrer HM-6-Strahler hatte geknackt werden müssen. Der breitgefächerte Lichtstrahl ihrer Helmscheinwerfer beleuchtete die hellgrauen Wände, deren Verkleidung nach etlichen Jahrzehnten der Vernachlässigung bereits etliche Risse aufwies.
„Es wäre schön, wenn wir einen Bauplan der Anlage hätten“, bemerkte Mun.
„Warum das denn? Hast du als Kind etwa nicht gerne Suchen gespielt?“
„Eher Verstecken. So hatte ich vor meinem schlagfreudigen großen Bruder wenigstens ab und zu mal meine Ruhe. Du musstest dich natürlich nie verstecken. Du bist ja sogar in der späten Blüte deiner Jahre und voll ausgewachsen noch so klein, dass man dich ohne Lupe kaum sehen kann.“
„Was ich vermutlich mit deinem besten Teil gemeinsam habe, mein lieber Kio, auch wenn ich das noch nie sehen musste und auch keinerlei Verlangen danach empfinde. Und jetzt mir nach, falls deine altersschwachen Augen mich in dieser Finsternis erkennen können.“ Mit raschen Schritten, die bei der geringen Schwerkraft des Planetoiden kaum Mühe erforderten, eilte Darlfrey in das Innere der Forschungsstation.
Die Lautlosigkeit der Szenerie zerrte an den Nerven. Selbst wenn ein Wesen in Todesangst geschrien hätte, wäre es im Vakuum der verlassenen Forschungsstation für andere nicht zu hören gewesen. Deshalb neigten Raumfahrer zur eigenen Beruhigung häufig zu mehr oder weniger sinnvollem Geplapper über den Helmfunk.
Darlfrey hatte sich mit zunehmendem Alter immer öfter gefragt, was schlimmer sei, taub zu werden oder zu erblinden. Nichts mehr sehen zu können war ihr meist als das kleinere Übel erschienen. Nicht nur wegen der Musik, die sie innig liebte. Doch die nur durch das Licht der Helmscheinwerfer durchbrochene Finsternis in der Station führte ihr buchstäblich vor Augen, wie unangenehm auch die ewige Dunkelheit sein musste.
An beiden Seiten des Ganges tauchten nach etwa zehn Metern die ersten Türen auf.
„Wollen wir mal anklopfen?“, fragte Mun.
„Das würde ja denen hinter der Tür die Überraschung verderben.“ Darlfrey drückte auf den Öffnungsknopf neben der Tür zu ihrer Linken. Wie von ihr erwartet, geschah nichts. Es wäre auch verwunderlich gewesen, wenn die Energieversorgung der Station noch funktioniert hätte. Für Stromausfälle gab es jedoch stets auch eine manuelle Vorrichtung zum Öffnen. Darlfrey griff nach dem dafür vorgesehenen Hebel an der linken Seite der Tür und rüttelte daran. Wiederum ohne Ergebnis.
„Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ Mun zückte den HM-6-Strahler und richtete ihn auf die Tür. „Oder hast du etwa ausnahmsweise eine bessere Idee als ich, Ronja?“
Darlfrey schüttelte den Kopf. „Ich bin zwar mit großem Abstand klüger als du, aber in technischen Fragen bist du mir über. Schieß die Tür auf! Beim Haupteingang zur Station hat es ja auch geklappt.“
Der Laserstrahl zerstörte den Schließmechanismus der Tür binnen weniger Sekunden. Mun drückte sie auf. Dahinter beleuchtete sein Helmscheinwerfer einen fensterlosen Raum voller Regale und Schränke. „Müssen wir die etwa alle durchwühlen?“
„Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig“, seufzte Darlfrey. „Ich übernehme die linke Seite, du die rechte, einverstanden?“
„Geniale Idee, Ronja. Und da behauptest du, ich wäre dir technisch überlegen.“
Ein heftiger Schlag erschütterte den Kreuzer, begleitet von einem krachenden Geräusch.
„DIANA unter Beschuss“, meldete Buffon mit zittriger Stimme. „Aber der Regenschirm hat dichtgehalten, keine Wasserschäden.“
Taunsend atmete tief durch. Die Konföderierten scherten sich offenbar wie befürchtet nicht darum, ob sie mit einer kriegerischen Handlung gegen ein Schiff der Sternenlicht Vereinigung den brüchigen Waffenstillstand zwischen den beiden Staatenbunden beendeten.
Die DIANA beschleunigte mit Höchstgeschwindigkeit in den Ortungsschatten des Planetoiden. Auch wenn Torr IV nur etwa 500 Kilometer Durchmesser aufwies, bot seine zerklüftete Oberfläche genügend Verstecke für einen lediglich 170 Meter durchmessenden Diskus.
„Zwischen diesen Felsen könnten wir uns auf die Lauer legen“, meldete Entwissel.
Taunsend musterte auf der Astroscheibe vor ihm die angegebene Steinformation, die an ein abstraktes Wimmelbild erinnerte. „Tu das. Und dann sämtliche Aggregate abschalten, die nicht unmittelbar lebensnotwendig sind, Schirme und Werfer inklusive. Wir müssen vermeiden, dass wir energetisch geortet werden können.“
Entwissel stieß ein überraschtes Knurren aus. „Aber dann sind wir wehrlos! Und wenn wir ohne Energie landen, kriegt