Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke

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Der Weg nach Afrika - Helmut Lauschke


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dabei noch spassten. Sie fragten Dr. Ferdinand im Vorbeigehen nur, ob er seine 'Paaseiers' (Ostereier) auch verzehrt hätte, worauf er nachdenklich wurde, an das Ostereiersuchen seiner Kinder dachte, und sagte, dass das Ostern diesmal ohne Eier war. Am Einfahrtstor, dessen Rohrpfosten nach wie vor verbogen waren, der rechte schief und abgeknickt zur Strasse herausstand, und der abgerissene linke Torflügel verbeult gegen den Gitterzaun lehnte, begrüsste er den Pförtner, der auf dem Stuhl sass und dabei war, ein gekochtes Ei aus der Schale zu nehmen, wobei er die Schalenstücke auf den Boden warf und mit dem Schuh in den Sand rieb. Er ging über den Vorplatz, auf dem Menschen waren, die sich in einer kürzeren Schlange vor der Rezeption aufgestellt hatten. Wenige der Genächtigten lagen in Decken gehüllt und hatten ihre Kinder dabei. An den Uringeruch des Vorplatzes hatte er sich gewöhnt, als er den Eingang zur Intensivstation betrat, wo ihm eine Schwester fast in die Arme fiel, die ihn mit dem Pförtner reden sah und ihm entgegeneilte, weil da ein Patient war, der nicht mehr atmen wollte. Sie eilten in den ersten Raum. Dr. Ferdinand setzte das Stethoskop auf die Brust, doch das Herz schlug nicht mehr, und es wollte nicht wieder schlagen, als sie sich mit den Massnahmen zur Wiederbelebung abmühten. Die Pupillen blieben weit, die rechte weiter als die linke, dass nur noch der Tod festzustellen war, dessen Zeitpunkt auf das Ende der erfolglosen Wiederbelebungsversuche festgelegt wurde. Der Patient trug einen Kopfverband, unter dem eine genähte Hautwunde war, die vom Hinterkopf zur linken Schläfe reichte. Die Aufzeichnung im Krankenblatt wies auf ein Schädel-Hirntrauma hin, das der junge Patient in einer Schlägerei erlitt, der bei der Aufnahme jedoch noch klar bei Bewusstsein war, dass er über starke Kopfschmerzen klagte. Das Röntgenbild des Schädels war von schlechter Qualität, es zeigte eine Fraktur über dem linken Schläfenbein. Die Schwester der Frühschicht konnte auf Befragen nicht sicher angeben, seit wann sich der Zustand verschlechtert hatte, weil die Station über Nacht voll belegt und mit zwei Schwestern unterbesetzt war, und die dritte Schwester aus Krankheitsgründen nicht zum Dienst erschien. Dr. Ferdinand sah den Engpass ein, meinte aber, dass einer der fünf Räume dem neuen Kollegen aus Südafrika vorbehalten war, in dem seine Privatpatienten lagen, die einer intensiven Überwachung nicht bedurften. Die Schwestern sahen es ein, ohne deshalb nach Worten zu suchen, die den Verlauf des verstorbenen Patienten erhellten. Seit dem Erscheinen des weissen Kollegen, der von der Augenheilkunde bei seiner ersten Vorstellung sprach, die er hier betreiben wollte, hat sich in dieser Station einiges verändert. So führte er im letzten Raum, der zu einem Entbindungsraum mit der Möglichkeit zur kleinen Wundversorgung hergerichtet war, Geburten bei weissen Frauen durch, die er sich privat bezahlen liess.

      Nach dem Prinzip der gesonderten Zahlung unternahm er auch Wundversorgungen und Fraktureinrichtungen mit Gipsen an schwarzen Patienten, die vom 'Workman's Compensation Act, 1941', der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung vergleichbar, gut und zuverlässig vergütet wurden. Da wagte sich dieser 'Ophthalmologe' schon an die Sehnennaht der Hand heran. Eingriffe der besonderen Häufigkeit waren bei ihm Warzenentfernungen und Hautausschneidungen von Bezirken, die dieser Doktor fast stets für tumorverdächtig erklärte. Mit dieser Erklärung, die eine psychologische Tiefenwirkung erzielte, verdiente er sich an der einfachsten Chirurgie die goldene Nase. Sein Patientenkreis erweiterte sich beträchtlich. Diese Art der Hautbehandlung liess er ausschliesslich seinen Privatpatienten zukommen, die es ihm 'cash' bezahlten, um unnötigen Steuerbelastungen von vorherein aus dem Wege zu gehn, was wiederum allgemeine Praxis war. Er sammelte die gut betuchten Patienten bei der permanenten Sprechstunde im kleinen Raum der ersten Untersuchung ein, der dem doppelflügigen Seiteneingang zur Intensiv- und nun auch zur Privatstation direkt in fünf Meter Entfernung gegenüberlag. Diesen strategisch günstigen Raum hatte der Kollege mit den leicht abstehenden Ohren gleich für sich und seine Aktivitäten voll in Beschlag genommen, wobei er sich vom Krankenhausablauf mit seinen vielen, mittellosen Patienten nicht stören liess. Seine Vorstellung vom Geldmachen ging auf, und keiner störte ihn dabei, denn es gab ausser Dr. Witthuhn, der das Nebenbei im nur kleinen Massstab in seinem Wohnhaus nach Dienstschluss betrieb und sich dabei auf die innere Medizin beschränkte, keine Konkurrenz, die er hätte fürchten müssen, da den anderen Doktoren die Behandlung von Privatpatienten vom ärztlichen Direktor und dem Superintendenten untersagt war. Dieser weisse Kollege mit dem blassen Gesicht, der stets eine weisse, dünne Leinenjacke mit gefüllten Taschen trug, wie sie Friseure mit weniger gefüllten Taschen tragen, hatte seine Pfründe rasch gefunden, und er baute sie mit klarem Ziel vor Augen zum Monopol aus. Am Nacht- und Wochenenddienst für die allgemeinen Patienten, die das Geld nicht hatten, beteiligte er sich von vornherein nicht. Das lag nicht in seinem Sinn. Die Arbeit ohne zusätzlichen Verdienst überliess der lächelnde Schlawiner von seinem ersten Tag an den andern Kollegen, denen er es neidlos zumutete, für die Patienten mit den leeren Händen zu jeder Tages- und Nachtzeit herausgerufen zu werden, während er sich und seiner Frau, um ein Kind brauchten sie sich nicht zu sorgen, einen gemütlichen Abend und ein geruhsames Wochenende gönnte. Zu zweit bewohnten sie eine unverhältnismässig grosse Villa gegenüber vom Hospital mit einem grossen Garten und einigen Bäumen, in den er einen grossen Swimmingpool setzen liess, um die Freizeit bei der grossen Hitze in angenehmer Weise zu nutzen. Der üppige Verdienst brachte bald ein neues Auto, einen Honda 'Ballade', denn was sonst sollte er hier bei freiem Wohnen, dem freien Strom- und Wasserverbrauch mit all dem Geld unweit der angolanischen Grenze machen, wobei er zusätzlich und regelmässig das monatliche Gehalt eines 'Senior medical officer' bezog? Andererseits war Dr. Johan (mit einem 'n') immer freundlich, und das um so mehr, wenn er Dr. Ferdinand um einen chirurgischen Rat fragte oder ihn um eine chirurgische Gefälligkeit bat, die dieser ihm kostenlos gab und machte, weil ein Kollege dem andern eine solche Bitte nicht ausschlägt, auch wenn dem Bittenden das Geld im Nacken sass.

      Dr. Ferdinand hatte bald erkannt, dass dieser Kollege gewitzt war, die Augenheilkunde wie eine Tarnkappe vorschob, um die dringende Notwendigkeit seiner Tätigkeit zu begründen und dafür den Lohnstreifen für alle Fälle zu bekommen. Es offenbarte sich bald, dass es diesem Schlauberger um mehr als die Augenheilkunde ging, er wollte hier im Durcheinander des Krieges noch schnell sein gutes Geld machen, da die Zeichen der totalen Umwälzung am Horizont immer deutlicher abzulesen waren, wo es keine Steuerprobleme und keine Steuerfahnder gab, wo das Bruttoeinkommen gleich das Netto war, weil der Steuerabzug nur auf den Gehaltsstreifen zur Wirkung kam. Da keiner wusste, wie lange ein solches Steuerparadies noch dauern würde, man annehmen musste, dass es so lange nicht mehr dauern konnte, war dieser Kollege mit dem besonderen Sinn für Münzen und Noten vom Bienenfleiss befallen, für den es sich immer mehr lohnte, je fleissiger er wurde und die wiederkehrenden Warzen ausbrannte, läppische Hautflecken ausschnitt und die gesetzten Wunden kostspielig vernähte. Er war ein aufgeweckter Psychologe, wenn er seinen, zur 'Cash'-Zahlung stets bereiten Patienten den Verdacht der Bösartigkeit vorhielt und sie dadurch permanent im Auge behielt. Er verstand es ohne weiteres, die erforderlichen Tiefen zu erreichen und dort ein bisschen Feuer zu machen, weil er wusste, dass es ihm auf die einfachste Weise gutes Geld brachte. Er war clever und hatte die Rechnung von Anfang an mit dem weissen Wirt gemacht. Deshalb ging seine Rechnung später voll und ganz auf, die die Privatpatienten prompt bezahlten. Es war ein gutes Geschäft, bei dem keiner mit der Wimper zuckte.

      Dr. Ferdinand sah mit den beiden Schwestern nach den anderen Problempatienten, die an diesem Ostermontag keine Besonderheiten aufwiesen. Er machte seine Eintragungen und wünschte den Schwestern einen ruhigen Tag. Dann ging er durch die anderen Säle, richtete im orthopädischen Männer- und Frauensaal einige Extensionen, wechselte Verbände und entfernte bei dem einen und anderen Patienten einige Hautnähte. Er fragte die Schwestern über die nächtliche Ruhestörung der Koevoet, die es gelassen nahmen und meinten, dass sich auch die Patienten daran gewöhnt hätten, die es mit Verachtung hinnahmen und kein gutes Wort an ihnen liessen. Einige sprachen es schon jetzt aus, dass diese rücksichtslosen Burschen in ihren Familien nichts mehr zu suchen hätten, wenn das System erst einmal den Bach runtergegangen sei. Einige Eltern konnten es nicht begreifen, dass aus ihren Söhnen solche rüden Burschen geworden sind, die keinen Respekt vor den Menschen mehr hatten. Dr. Ferdinand ging zum Kindersaal, in dem es laut zuging, die Kinder herumrannten, wenn sie nicht ans Bett gefesselt waren, und einige, kleine Häufchen im Korridor herumlagen, die später von einer Schwester beseitigt wurden, da an diesem Tag die Putzfrau nicht erschien. Die Kinder waren an sein Gesicht und seine Hände gewöhnt, bei ihm fürchteten sie sich nicht an der weissen Haut. So kamen sie auf ihn zugelaufen, die grösseren Kinder fassten seine Hand, die kleineren klopften ihm gegen die Hose und liefen ihm


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