Ausm leben mittenmang. Beate Morgenstern

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Ausm leben mittenmang - Beate Morgenstern


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lässt.

      Ich nehme sie an, dachte Annette, sagte es nicht. Hatte Inga eine Meinung, war sie schwer davon abzubringen. So tat Annette genau das, was die Cousine schon so oft an ihr kritisiert hatte.

      Du gehst so auf mich zu, sagte Inga. Du bist so offen zu mir. Deswegen habe ich mir fest vorgenommen, ich spreche dieses Mal an, was mich an dir stört.

      Annette stieg Röte ins Gesicht. Eine Unterhaltung sollte sich in ungefährem Rahmen bewegen und nicht direkt auf sie zu. Wenn tatsächlich etwas zu sagen war, tat man das leichthin und nebenbei. Welchen Anlass hatte sie Inga gegeben, dass sie eine Aussprache für notwendig befand?

      Wie ich zu dir bin, bin ich nämlich eigentlich nicht, sagte Inga. Hinterher ärgere ich mich, dass ich so gereizt war. Wollen wir wirklich eine tiefere Beziehung, muss das mal zur Sprache kommen.

      Ich kenne dich so lange. Annette machte den Versuch zu begütigen. Weißt du noch, wie ich dich zwei Tage mit zum Unterricht auf die Oberschule genommen haben? In Halle in die Franckeschen Stiftungen? Ich hab den Lehrern gesagt, du interessierst dich, wie das bei uns in der DDR ist. Keiner nahm Anstoß. Das Fach Kunsterziehung hat dir sehr gefallen. Ihr hattet dieses Fach wohl nicht.

      Natürlich erinnere ich mich. Und wie mich deine zweite Schwester bei unserer Omi verpetzt hat. Das war ganz übel. Ich hätte mich unmöglich benommen, hat deine Schwester geschrieben. Und meine Mutter hat's gelesen. Sie las alle Briefe an Omi. Es gab einen Riesenkrach zu Hause. Auch diese Erzählung Inga war nicht neu, ebenso wie Ingas Verärgerung über den missglückten Besuch im Osten, obwohl Annette alles getan hatte, um der zwei Jahre jüngeren Cousine zu gefallen, sie auch heftig bewundert hatte wegen ihres selbst gestrickten roten Pullovers, ihrer selbst geschneiderten weißen Bluse mit Rüschen. Inga hatte so großes Geschick.

      Wir mussten helfen, dachte Annette. Das kannte Inga nicht, jedenfalls nicht so, wie das unsere Mutter von uns verlangte. Ingas Mutter tat lieber alles selbst. Dass die Cousine sich für den häuslichen Ablauf nicht interessierte, nie eine Hand gerührt, nie eine Hilfe angeboten, das hat unsere Mutter geärgert. Ihr fiel eine Bemerkung ein, die Inga bei ihrem Aufenthalt damals gemacht hatte. Sie lachte. Etwas hat meine Mutter wirklich gekränkt, sagte sie. Ich fand, du kannst nichts dafür. Aber sie hat es dir übel genommen.

      Ach, und was?

      Du hast gesagt: Bei uns in Deutschland!

      Ja, was war daran falsch?

      Na, als ob wir im Osten nicht in Deutschland wohnten.

      Es war halt der Osten, die Ostzone.

      Wieder schwieg Annette, um weiteren Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Und dann haben wir uns einige Male in Berlin gesehen, sagte Annette. Ich kenne dich so lange, du bist meine Cousine. Mein Bäsle. Deswegen hast du was bei mir gut.

      Ich hab einen Bonus bei dir.

      Kann man auch so sagen. Und was ärgert dich an mir?

      Dein Verhältnis zu deinem Freund. Jedes Mal tust du so, als ob er gleich stirbt. Wollen wir uns verabreden, musst du erst mit ihm sprechen. Dabei seid ihr kein Liebespaar und lebt getrennt. Das finde ich so was von unmöglich, meine Liebe. Ingas Stimme jetzt noch höher als sonst, fast wie ein Trompetenstoß.

      Es ist doch meine Sache und nicht ihre, dachte Annette. Dann erinnerte sie sich, wie oft sich Inga über ihre eigene Mutter ereifert hatte, weil die sich - Ingas Meinung nach - zu sehr dem Vater unterordnete. Die Cousine hatte bestimmte Ansichten und ertrug offenbar nicht, wenn Menschen ihrer näheren Umgebung anders lebten, als es ihr richtig erschien. Unwillkürlich lächelte sie. Das Phänomen war ihr zu bekannt: durch ihre Mutter. Die musste auch immer sagen, wenn ihr etwas nicht gefiel, musste bekennen. Und recht haben.

      Ohne mich wäre er ganz allein, sagte Annette. Es geht ihm wirklich nicht gut. Umsonst bekommt er nicht seine Rente. Zuhause zu sitzen und niemanden zu haben, mit dem man reden kann, richtig reden, das ist einfach schlimm. Außerdem brauche ich ihn auch. Er ist wie mein Zuhause. Ich hab genauso Angst wie er, ganz allein zu sein.

      Hast du dir mal überlegt, warum du dich nur mit verheirateten Männern einlässt? So brauchst du dich nicht zu entscheiden!

      Ich lerne keinen kennen, der frei ist, verteidigte sich Annette. Und für einen, den man noch gar nicht kennt, alles aufgeben. Und nach anderthalb Jahren ist alles aus?

      Wenn es eine schöne Zeit war, warum nicht?

      Sie hat recht, dachte Annette. Wenn ich mich stark verlieben würde, sagte sie, dann müsste ich für ihn eine Lösung finden. Dann hätte ich die Kraft. Ganz verlassen würde ich ihn natürlich nicht.

      Du fühlst dich verantwortlich für ihn?

      Ja.

      Jeder hat ein Recht auf ein eigenes Leben. Du verbaust dir deins, das ist wirklich ärgerlich.

      Sicher. Aber sieh mal zu, wie jemand leidet, und du kannst es ändern.

      Er wird uns alle überleben, sagte Inga. Ich hab ihn ja mal kennengelernt. Er machte einen sehr robusten Eindruck.

      Dich wird er nicht überleben. Annette lachte. Du bist zäh. Wie Omi. Übrigens, hast du inzwischen einen Joggingpartner gefunden? Oder bist du immer noch unglücklich, weil du Runden weiter laufen möchtest, wenn die anderen schon am Ende sind?

      Das hast du dir gemerkt? Nein, ich hab noch keinen Joggingpartner gefunden.

      Weißt du, dass du genau der Typ Frau bist, vor dem ich mich fürchte, sagte Annette in einem Anfall aggressiver Ehrlichkeit.

      Inga bezahlte. Es war eine glatte Summe. Als ihr auffiel, dass sie der Bedienung kein Trinkgeld gegeben hatte und ihr hinterher rief, hörte die nicht mehr. Der Eiskaffee war gut gewesen. Bis dahin hatte Annette nie Eiskaffee getrunken. Nun würde sie es öfter tun.

      Das Haus, in dem Inga wohnte, lag außerhalb der Stadt. Ein Bungalowbau ähnlich dem von Ingas Eltern. Ein hoher Zaun umgrenzte das Gartenstück, das allerdings kleiner als bei ihren Eltern. Meine Burg!, sagte Inga.

      Festungsartig war der Bau Annette immer vorgekommen. Es gab zwar einen riesigen zentralen Raum in der Mitte, in dem die Seiten zum Garten hin ganz und gar aus Glas bestanden, ausgenommen dort, wo sich der Kamin befand. Doch der Blick wurde von dem hohen Zaun gefangen gehalten. Hier erhole ich mich, sagte Inga aufatmend, wies Annette die Tür gleich neben dem Eingang. Du kennst dich ja aus.

      Ich hab mich immer gefragt, wie du es aushältst, wenn du auf Wolle wartest, weil der noch zu tun hat, sagte Annette. So allein im Haus und so weit weg von der Stadt.

      Ich bin froh. Den ganzen Tag hab ich Patienten. Immer muss ich mich auf eine völlig andere Situation einstellen, da brauche ich abends meine Ruhe.

      Ach ja, du hast den ganzen Tag Menschen um dich. Das ist was anderes, sagte Annette. Sie selbst arbeitete seit Jahren als freie Autorin zu Hause.

      Annette stellte ihre Tasche im Gastzimmer ab, legte ihre Kleidung über einen Stuhl. Inga zog die Couch aus, holte Bettzeug. Sie bezogen es gemeinsam.

      Schiebetüren in der Art, wie man sie in Japan hatte. Die Holzstreben schwarz gebeizt, statt Papier Milchglas. Fußbodenheizung unter den Marmorplatten. Die Einrichtung modern, karg, einige Kunstgegenstände, wovon Annette eine gebrannte rote Plastik besonders gefiel, ein weiblicher Akt, verschwenderisch die Formen, die dem Schönheitsideal der Cousine völlig zuwiderliefen, ein Hochzeitsgeschenk von Ingas Eltern. Steinplatten zwischen der Außenseite des Flachbaus und dem eigentlichen Garten. Eine Markise zum Herausziehen sorgte dafür, dass sie im Schatten saßen. Überall im Garten blühte etwas, der Zaun überdeckt von Blumen, Gewächsen, Stauden. Rosen rankten sich an einem Strauch hoch hinauf. Rosafarbene Rosen bildeten an einem seitlichen Holzgestell ein Gehänge. Inga machte auf orangefarbene Lilien im Vordergrund aufmerksam, sagte die Namen der und jeder Blume, deren Zeit schon vorüber war und derer, die noch kommen würden. Einzelne Bäumchen. Der Garten ist gerade groß genug, sagte sie. Größer dürfte er nicht sein, das würde ich nicht schaffen. Das ganze Jahr über blüht etwas.

      Wie ein Sommerzimmer, sagte Annette. Wie noch ein großes Zimmer draußen. Jetzt versteh


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