23 - Und Schnitt!. Patrik Bitter
Читать онлайн книгу.Unterfangen. Am folgenden Morgen fand das offizielle Willkommenstreffen am Pool des Hotels statt.
Wir waren eine kleine, bunt gemischte Gruppe aus Amerikanern, Australiern und mich als einzigem Europäer. Der Grundsätzliche, wie sich jedoch später herausstellte, äußerst flexible Zeitplan wurde festgelegt:
Morgens dynamisches Yoga, danach Brunch und nachmittags noch entspannendes Yoga. Die Woche in Ubud verging äußerst schnell. Wenn wir kein Yoga machten, waren meistens Massagetermine im anliegenden „Zen Spa“ vereinbart.
Die traditionelle balinesische Massage war eine sehr entspannende und preiswerte Behandlung. Psychologisch war es sehr hilfreich, dass die anstrengenden und schweißtreibenden zwei Stunden Yoga am Morgen danach mit einem umfangreichen Brunchbuffet belohnt wurden.
Hinter dem „Yoga Barn“, unserer Übungsstätte, wurden für uns jeden Tag liebevoll präparierte und abwechslungsreiche Speisen vorbereitet – gesund, frisch und äußerst lecker. Besonders die Kokosnüsse hatten es mir wieder angetan.
Es gab Kokoswasser bis zum Abwinken!
Der „Yoga Barn“ war ein traumhafter Übungsort, gegründet von derselben amerikanischen Auswanderin, die auch das „KAFE“ ins Leben gerufen hatte.
Neben den großen Reisfeldern war das doppelstöckige Gebäude mit zwei großen Yogaräumen, sowohl unten als auch oben mit einem tollen Ausblick auf die Anbauflächen. Alles befand sich unter einem imposanten Holzdach, die Räume waren zu den Seiten hin offen und trotzdem fern vom Straßenlärm.
In den Yogastunden gab ich immer alles. Ich war berauscht vom Wetter, von Bali und von den Eindrücken. Ich fühlte mich, als ob ich auf einer unbrechbaren Welle ritt:
Der Junge, der als Kind noch pummelig und unsportlich war, war jetzt hier unter erfahrenen Yogaübenden und mit ihnen auf Augenhöhe.
Ich verbrachte viel Zeit mit der Gruppe und auch mit Lin. Es waren teilweise nur kleine Augenblicke, die mir doch klar in Erinnerung blieben. Wie ein Gespräch, was wir beim Schlendern zu zweit um die Hotelanlage führten:
Als wir dann am Pool vorbeikamen, sprang sie spontan mit einer sehenswerten Bombe in den Pool. Ihre Leichtigkeit und Unbekümmertheit, obwohl sie immerhin knapp 15 Jahre älter als ich war, beeindruckte mich erneut. Ich traute mich nicht, trug ich doch normale, pool-ungeeignete Kleidung. Ich entschied mich pragmatisch und rational zum Trockenbleiben.
Ein weiteres Highlight war das „White Water Rafting“. Auf Deutsch bedeutete es:
Wildwasser fahren mit einem Schlauchboot. Eigentlich wollte ich ja mit zum Elefantenreiten, doch entschied ich mich aus Solidarität mit Paul, Ted und Lin zum Rafting. Gerne schlug ich mich auf die Seite der Minderheit, denn vier Teilnehmer war die Mindestvoraussetzung. Ich erinnere mich noch äußerst lebhaft an den unglaublich langen Treppenabstieg durch den tropischen Wald gen Fluss: Ich zählte die Steinstufen nicht, aber gefühlt waren es mindestens 1000.
Paul war ein australischer Diplomat, der in Bangladesh bei der australischen Botschaft arbeitete.
Er war leicht ergraut, drahtig, recht intelligent und introvertiert. Ted hingegen war ein absoluter Sunnyboy, ein Australier durch und durch, stets gut gelaunt, groß, schlank und durchtrainiert. Von Beruf her war er Psychiater, was auf den ersten Blick doch recht ungewöhnlich schien.
Der Raft gestaltete sich als überraschend ruhig, denn das Wasser war recht still. So blieb genug Zeit, die imposante Natur rund um den Fluss zu genießen. Wir fuhren durch eine Schlucht mit steilen Felswänden, allerlei blühenden Pflanzen und ebenso an einigen Hütten und Einheimischen vorbei. Leider gab es auch weniger schöne Einblicke, wie die großen Müllberge nahe dem Ufer, die auch den Fluss verunreinigten. Wir erreichten einen Wasserfall.
Das war eine willkommene Gelegenheit, eine Erfrischung bei den tropischen Temperaturen zu erhalten. So sprangen alle aus dem Boot, um unter den Wasserfall zu gehen. Ich zögerte, denn mein Bauchgefühl war nach den kurz zuvor gesehenen Müllbergen nicht gut. Schlussendlich ließ ich mich von Lin überreden und kam in den Genuss eine erfrischende Dusche. Zurück ging es wieder nur über Treppen am anderen Ende des Flusses. Der Weg war ähnlich lang und erschwerend dazu hieß es diesmal Treppen steigen. Dabei wurden wir auf Schritt und Tritt von emsigen Verkäufern begleitet. Ich hatte schnell gelernt:
Konsequentes und erbarmungsloses Abblocken führte schnell zu einem unproblematischen Ende der Verkaufsgespräche, sodass sich die Verkäufer ein neues Opfer suchen mussten. Sie fanden es in Lin. Es war ein ungemein unterhaltsames Bild:
Das Verkaufsobjekt war eine kleine, handgeschnitzte Holzkiste. Der Startpreis lag bei um die 150.000 indonesische Rupien (etwas mehr als 10 Euro). Lin war freundlich und bekundete Interesse an eben jener Truhe, und wenn ein Verkäufer mal ein Geschäft gerochen hatte, ließ er so schnell nicht locker. Stufe um Stufe herauf fiel der Preis, wie auch Lins Fähigkeit, Contenance zu wahren. Paul und ich gingen etwas weiter zurück, jedoch stets in ausreichender Nähe, um den Dialog amüsiert mitzuverfolgen. Kurz bevor wir das Ende der Treppen erreicht hatten, einigten sie sich und die Truhe wechselte für 10.000 Rupien den Besitzer. Das entsprach einem Preisnachlass von mehr als 90%.
Wie so häufig saßen wir abends noch zusammen im Bali Buddha. Trotz relativ später Stunde warf man für uns noch um kurz vor 21 Uhr die Küche an. Lin saß in einer Yogaposition, sie verkörperte Yoga auf und fern der Matte.
Es gab stets viel zu erzählen, kamen wir doch alle aus unterschiedlichen Regionen und teilweise sogar Kulturen. Zudem kamen wir auf kleine Spiele wie „Errate das Lied“ anhand vom Vorsummen. Lin ließ mich ihr Rosenwasserlassi (ein indisches Erfrischungsgetränk) probieren. Teilweise kam ich mir vor, als würde ich sie vereinnahmen, doch immer wieder war es auch sie, die auf mich zukam. Schon in Köln sah sie in mir das, was ich einmal werden könnte und mehr als das, was ich zu dem Moment war.
Zudem lernte ich an diesem Abend Rama kennen.
Er war einer der balinesischen Taxifahrer, charmant, kräftig und stets gut gelaunt. Er erzählte äußerst stolz und unterhaltsam von seinem Ruhm als Darsteller auf einer DVD über Hahnenkämpfe. Zunächst verstand ich nicht, worüber er in stark akzentuierten Englisch sprach. Erst später erfuhr ich, das Hahnenkämpfe auf Bali im Rahmen der religiösen Rituale eine lange Tradition haben.
Lins Yogastunden waren äußerst unkonventionell und immer wieder überraschend. Es gefiel mir, jeden Tag etwas Neues und völlig Unerwartetes zu erleben.
In einer der Klassen sollten wir einfach einige Minuten einem der anderen Teilnehmer gegenübersitzen, ihn dabei anlächeln und durchweg in die Augen schauen. Mir fiel es nicht so leicht, gerade weil ich grundsätzlich schüchtern veranlagt war. Mein Gegenüber war eine attraktive Amerikanerin namens Patricia. Dazu gab es eine nette Anekdote:
Lin hatte mir ohne mein Wissen nach kurzer Zeit einen Spitznamen gegeben. Sie nannte mich Patricio. Das war innerhalb der Yogastunden für mich äußerst verwirrend, denn so richtig konnte ich Patricio und Patricia nicht auseinanderhalten, bis ich es endlich verstanden hatte.
Manchmal dauerte es halt etwas länger.
Direkt neben der Hauptstraße „Jalan Hanuman“ und nur wenige Minuten entfernt von unserem Hotel befand sich der „Monkey Forest“ (Affenwald). Er war eine Mischung aus Naturreservat und Tempelkomplex. Früh morgens war es dort noch recht ruhig, denn nur wenige Affen trieben ihr Unwesen. Wir wählten daher für den Besuch den nächsten Morgen um kurz vor sieben. Auch dort waren die hinduistischen Zeichen unübersehbar: Auf dem Weg in das Zentrum des Reservats war der Weg von Swastikas, dem Glückssymbol der Hindus übersät.
Die Affen kannten keine Scheu.
Lin sprang sogar ein besonders mutiger Affe auf Arm und Schulter. Ich zankte mich mit einem Streitsüchtigen um eine Wasserflasche. Kurz bevor die Affenbande komplett wach und der Lärmspiegel das Maximum überschreiten konnte, verließen wir den Wald.
Nach einer weiteren intensiven Yogasession stand ein kleiner Trip mit einem Überraschungsziel auf dem Programm. Zwei von unserer Gruppe, Ranjid und Jeff, fuhren mit dem Motorrad. Der Rest von uns fuhr mit einem Taxi bis zu einem Punkt, an dem es nur