Ich war ein Kind der DDR. Margarithe W. Mann

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Ich war ein Kind der DDR - Margarithe W. Mann


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dazu ein paar Zeilen ergänzen.

      Sehr oft fuhr mein Opa auch in seine Praxis nach Lobenstein und Lauscha, wo er sich ebenfalls intensiv um seine Patienten kümmerte. Ich habe mir sagen lassen, dass mein Großvater ein sehr guter Arzt gewesen ist, der jeden einzelnen Patienten liebte und dem der Eid des Hippokrates noch etwas bedeutete. Damals stand noch der Mensch im Vordergrund, heute ist es der Profit, aber dazu komme ich später noch. Als angehender junger Mediziner versorgte und betreute er während des ersten Weltkrieges verletzte Soldaten auf dem Schlachtfeld und im Lazarett. Nach dem Krieg nahm er seine verantwortungsvolle Aufgabe als Landarzt auf. Auch nach dem 2. Weltkrieg, (als Lagerarzt verpflichtet), setzte er seine Tätigkeit als Landarzt fort und erarbeitete sich später den Titel Medizinalrat um als Kreistuberkulosearzt zu fungieren. Während seiner damaligen Dienstjahre als Landarzt waren die Bedingungen äußerst erschwert, besonders im Winter. Oft musste er seinen Weg zu Fuß oder auch mit den Skiern fortsetzen, wenn der Schnee so hoch war, dass selbst der Pferdeschlitten stecken blieb. Dennoch gab es für meinen Opa niemals ein: Das geht nicht. Auch in den fünfziger Jahren, als er dann mit dem Auto fahren konnte, es war zu dieser Zeit ein alter BMW, endete die Fahrt nicht selten auf freiem Feld in einer Schneewehe. Als beliebter „ Herr Doktor“, wie ihn die Leute nannten, schaffte er sich eine gewisse Position, die ihm einen äußerst guten Ruf einbrachte. Natürlich gab es im Krieg und auch in den Jahren danach sehr viele Menschen, besonders bei der Landbevölkerung, die zwar durch ihre Landwirtschaft genug zu essen, aber kein Geld hatten, um einen Arzt bezahlen zu können. Sie entlohnten meinen Opa mit Naturalien, die er dann an die ärmsten Patienten weitergab, wenn er zu ihnen zum häuslichen Arztbesuch gerufen wurde und er sie besuchte. Er brachte ihnen also noch etwas mit, anstatt entlohnt zu werden. Seine Hosentaschen waren stets gefüllt mit Bonbons für die Kinder. Vom erzählen meiner Mutter weiß ich, dass meine Oma dann immer sagte: „Meine Güte Gottfried, so wirst du nie zu etwas kommen“. Aber er antwortete nur: „Ach lass` nur Wally, wir haben doch immer noch genug“.

      Meine Großmutter Walburga war in meinem Geburtsjahr 1953 als Lehrerin für die Fächer Mathematik, Musik und Handarbeiten bereits in Rente. Sie war übrigens so ziemlich die einzige in unserer Familie, die gut singen und rechnen konnte. Alle anderen Familienmitglieder sind bis in die heutige Zeit hinein als total unmusikalisch und als „Mathematikkünstler“ zu bezeichnen.

      Die Eltern meines Vaters und seine älteste Schwester stammten ursprünglich aus Oldenburg in Niedersachsen, zogen später nach Osterburg (Altmark) und bauten ein Haus, indem mein Vater 1928, geboren wurde, so wie auch noch zwei weitere Schwestern meines Vaters. Mein Opa väterlicherseits war Schneidermeister und besaß seine Werkstatt im Hof. Die Mutter meines Papas durfte ich leider nicht mehr kennenlernen. Wie gesagt bin ich zu Ostern 1953 geboren und die Oma verstarb plötzlich zu Pfingsten des gleichen Jahres, bevor sie uns besuchen und mich in Augenschein nehmen konnte. An meinen Großvater väterlicherseits kann ich mich nur sehr wage erinnern, er heiratete nach dem Tod meiner Oma noch einmal. Nach den Berichten meiner Mutter soll dessen Wahl nicht so recht im Sinne der übrigen Familie gewesen sein, wohl auch, weil der Opa sich so schnell entschied, ein zweites Mal zu heiraten. Mir selber kommt es nicht zu darüber zu urteilen. Mir ist nur der letzte Besuch in Erinnerung geblieben, an dem ich meinen Opa im Krankenhaus Osterburg mit den Eltern besucht hatte. Seine Haut war ganz gelb, heute weiß ich, dass er eine Lebererkrankung hatte, 1960 ist er verstorben.

      Mein Papa, 1928 geboren, war zu der Zeit, als ich in das weltliche Dasein eintreten durfte, Leiter der Konsumgenossenschaft in Saalfeld und meine Mutter Waldheide, 1923 geboren, war mit mir ein Jahr zu Hause. Das war zu dieser Zeit nur möglich, weil sie von meinem Opa finanziell unterstützt werden konnte.

      Die Eltern meiner Mutter, sowie meine Mutter selber, stammten wie schon gesagt aus Oberschlesien und gelangten 1948 während der Flucht über Brünn (Tschechien) nach Pirna (ehemalige russische Besatzungszone). Von da aus zogen sie, bedingt durch die Tätigkeit meines Großvaters über Eggesin nach Neubrandenburg, um schließlich 1950 in Saalfeld sesshaft zu werden. Meine Mutter hatte noch eine Schwester, Sieglinde, die in diesen Jahren im Harz wohnte und auch wie ihr Mann Theo im Gesundheitswesen arbeitete, beide waren sie Apotheker.

      Im Sommer 1953 zogen meine Großeltern, sowie auch meine Eltern mit mir in der Sonneberger Straße in ein Mehrfamilienhaus. Gemeinsam mit uns wohnte dort auch noch der Bruder meiner Oma, mein Onkel Josef, der, um es vornehm auszudrücken, etwas speziell war. Gegenüber auf der anderen Straßenseite befand sich über viele Jahre hindurch die naturkundliche Sammlung des Forschungsreisenden Emil Weiske.

      Habt Ihr eigentlich schon gewusst, dass ich bereits als Baby in der Regionalzeitung von mir zu hören machte? Nein? Dann will ich es euch verraten: Ich war das erste Kind, welches in diesen Jahren in Saalfeld und Umgebung gegen Tuberkulose geimpft wurde. Was glaubt ihr wohl, wer mich geimpft hat? Genau, es war mein Opa als Kreistuberkulosearzt persönlich.

      Als ich etwa ein Jahr alt war zogen meine Eltern mit mir nach Lauscha. Wir hatten dort eine Wohnung im gleichen Haus, in der sich auch die Dienststelle meines Großvaters und ein Labor befand. Man könnte es auch als kleines Ärztehaus bezeichnen. Es war ein großes Mehrfamilienhaus im oberen Lauscha in der Friedensstraße. Wie gesagt hielt dort mein Opa einen Teil seiner Sprechstunden mit integrierter Röntgenabteilung ab. Meine Mutter nahm als Laborantin im gleichen Haus ihre Arbeit auf. Mein Vater bekleidete das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters im Rathaus der Stadt Lauscha. Und ich? … ich sollte natürlich in der Kinderkrippe untergebracht werden. Allerdings machte ich meinen Eltern damit einen Strich durch ihre Rechnung, … ich war ein ständig kränkelndes Kind. Also suchte mein Opa für mich ein Kindermädchen und hatte dann endlich beim dritten Anlauf Glück damit. Das erste Mädchen war unehrlich und wurde beim Stehlen erwischt. Das andere Mädchen, welches sich um mich kümmern sollte, hatte für mich kleine Mohnsäckchen angefertigt und mir diese wie einen Nuckel in den Mund gesteckt, damit ich schlafen sollte. Sie wollte nicht so viel Arbeit mit mir haben.

      Während wir in dieser Dienststelle wohnten, prägten sich erste Erinnerungen in meinem Leben ein. An alle einzelnen Begebenheiten meiner ersten Lebensjahre, sowie an diese Wohnung kann ich mich natürlich nicht mehr im erinnern. Ganz wage tauchen noch Bilder vor mir auf, von einer relativ großen Küche zum Beispiel, in der ein Tisch in der Mitte stand. Ich weiß aber noch, dass mein Opa öfter mit uns an diesem Tisch saß, sicher immer dann, wenn er zwischen seinen Sprechstunden eine Pause gemacht hatte.

      Es ist natürlich klar, dass ich als Kleinkind von den wirtschaftlichen Verhältnissen im Land nichts mitbekommen habe, sondern diese Dinge später von meinen Eltern erfragen musste. So berichtete man mir unter anderem, dass es zu dieser Zeit noch Lebensmittelkarten gab. Das heißt, jeder Haushalt hatte nur ein bestimmtes Kontingent an Waren zur Verfügung, jeder Einkauf musste sorgfältig bedacht werden. Diese Karten waren in bestimmte Rubriken eingeteilt, die bei jedem Einkauf vom Verkäufer abgeschnitten wurden. So gab es zum Beispiel Abschnitte für Süßigkeiten, es konnte gewählt werden zwischen Zucker oder Schokolade. Erst im nächsten Monat gab es dann eine neue Karte. Man musste also genau überlegen, wie man diese Dinge einteilte, oder ob es vielleicht gerade ein Monat war, in dem jemand Geburtstag hatte und man deshalb diese Karte für den Kuchen, für Schokolade oder Kakao benötigte. Wie für die Lebensmittel gab es Karten für Textilien, auch Windeln gehörten zur Bekleidung. Die Eltern mussten sich entscheiden, entweder gab es etwas zum Anziehen für Mama oder Papa, … oder Windeln für mich. Man erzählte mir, dass eine Schwester meiner Oma den Stoff für die Windeln aus Westdeutschland schickte und meine Oma nähte für mich die Windeln daraus. Die Kleider – und auch die Lebensmittelkarten wurden erst 1958 abgeschafft.

      Staatsoberhaupt der DDR war in diesen Jahren als Präsident des Landes Wilhelm Pieck (1949 – 1960). Eigenen Erinnerungen zur Folge lebt in mir die Tatsache, dass ich immer genug zu essen hatte. Ich glaube, dass das ein Kriterium ist, was sich im frühsten Kindesalter manifestiert. An Zeiten, in denen man hungern musste, an die erinnert man sich mit Sicherheit, die vergisst man auch als Kind nicht. In diesem Zusammenhang ist mir in Erinnerung geblieben, dass meine Mutter immer in einem großen Geschäft einkaufte. Am Abend klingelte es an der Tür und jemand brachte die große Einkaufstasche zu uns nach Hause. Das gibt es wohl heute auch noch, aber nicht mehr unentgeltlich, … damals gehörte das noch zum Service.

      Ich weiß noch ganz genau, dass ich nicht so sehr gerne in meinem


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