Ich war ein Kind der DDR. Margarithe W. Mann

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Ich war ein Kind der DDR - Margarithe W. Mann


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in Saalfeld. An den Wochenenden, besonders in der warmen Jahreszeit kamen dann meine Eltern mit meinem Bruder und wir gingen in den Garten mit dem kleinen grünen Häuschen. In den Wintermonaten war das Leben in Lauscha vorrangig. Mein Vater war noch immer Stellvertretender Bürgermeister der Stadt und meine Mutter setzte nach wenigen Wochen Babypause mit meinem Bruder ihre Arbeit im Labor fort. Mein Bruder wurde in die Kinderkrippe gebracht und ich hatte wieder das „Vergnügen“ Kindergarten. Ich erinnere mich sehr genau daran, denn irgendwie konnte ich mich einfach nie an den Aufenthalt im Kindergarten gewöhnen, nur an diese Tante Mietzi eben, von der ich schon einmal sprach. Als dann endlich meine Mutter kam, um mich abzuholen, zog sie mich hastig an, um mit mir noch meinen Bruder von der Kinderkrippe abzuholen. Manchmal stand auch der Wagen mit dem schreienden Bündel schon vor dem Kindergarten, dann gingen wir noch einkaufen.

      Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir die Lauschaer Jahre durch den vielen Schnee in jedem Winter. Meine Mutter blieb mit dem Kinderwagen oft im hohen Schnee stecken, obwohl dieser wie ein Schlitten Kuven hatte. Als mein Bruder etwas größer war, nahm sie dann lieber den Schlitten und zog uns in Decken eingepackt hinter sich her. Unser Wohnhaus am „Alten Weg“ in Lauscha stand wie schon gesagt auf einem Berg, ein langer, schmaler Steg führte hinauf, der im Winter mühselig freigeschaufelt werden musste. Auch die Kohlen zum Heizen mussten mit Hilfe eines Buckelkorbes hinauf geschafft werden.

      Schöne und friedliche Weihnachtszeiten mit viel Schnee blieben bis zum heutigen Tag in meinem Gedächtnis wohnen. Mein Vater zog mit uns Kindern an Heilig Abend mit dem Schlitten, und als wir größer waren, mit Skiern los bis auf einen Berg, der unserem Haus gegenüber war. Von da aus konnte mein Vater die Lichtzeichen meiner Mutter sehen, die sie ihm mit einer Taschenlampe gab. Es hieß: Ihr könnt` jetzt kommen, der Weihnachtsmann war da und der Karpfen ist fertig. Die Weihnachtsfeste, die ich als Kind zu Hause erlebte, habe ich bis heute nicht vergessen. Natürlich freuten wir uns auf die Bescherung, welches Kind tut das nicht, aber wir haben uns nicht so auf die Geschenke gestürzt und gleich aufgerissen wie es heute manchmal gemacht wird, alles ging irgendwie leiser vor sich. Zudem war das Einpacken der Geschenke bei uns daheim eigentlich nicht üblich, es wurde alles von meiner Mutter liebevoll unter dem Weihnachtsbaum angeordnet. Wenn wir mit unserem Vater zurück kamen wurde zuerst gegessen. Tradition ist bei uns bis heute der Karpfen blau, Butterkartoffeln und Apfel – Sahnemeerrettich geblieben, nachdem zu Mittag die Fischsuppe gegessen wurde. Danach durften wir langsam in die gute Stube kommen, so wie das Wohnzimmer auch genannt wurde. Mein Papa hatte vorher unbemerkt die Kerzen am Christbaum angezündet. Die Geschenke für uns lagen unter dem Weihnachtsbaum, sie waren in diesen Jahren nicht ärmlich, aber dennoch bescheiden. Wir haben uns über die Gaben gefreut und waren stets zufrieden. Ich kenne bei uns zu Hause keine Bescherung ohne Weihnachtslieder, die wir gemeinsam mit den Eltern gesungen haben. Am nächsten Tag fuhren wir nach Saalfeld zu Oma und Opa. Bevor meine Eltern den ersten Trabi besaßen, fuhren wir mit der Eisenbahn nach Saalfeld. Später stand das Auto in einer Garage in der Nähe vom Bahnhof in Lauscha. Fast immer musste im Winter erst die Tür zur Garage freigeschaufelt werden, damit wir losfahren konnten. Der Schnee war oft so hoch, dass er an den Seiten der Straße zu hohen Mauern aufgetürmt war und den Bürgersteig nicht mehr erkennen ließ.

      Auch bei den Großeltern gab es einen Weihnachtsbaum, er stand in der großen Diele und hatte jedes Jahr genau neunundneunzig Kerzen. Es gab noch keine elektrische Weihnachtsbaumbeleuchtung, … trotzdem ist nicht ein einziges Mal etwas passiert. Meistens blieben wir bis über den Jahreswechsel in Saalfeld, meine Mutter bestätigte mir diese Kindheitserinnerung als richtig in meinem Gedächtnis geblieben.

      Um noch ein wenig beim vielen Schnee in Lauscha zu bleiben, sehe ich noch ganz deutlich die großen Skulpturen aus Schnee vor mir, die vor größeren Gebäuden der Stadt zu finden waren. Meistens stellten sie Tiere oder Märchenfiguren dar, die in Originalgröße auf einem großen Schneesockel standen und am Abend angeleuchtet wurden. Es sah fantastisch aus. Besonders eindrucksvoll war für mich damals als kleines Mädchen ein Elefant aus Eis und Schnee, der auf dem Bahnhof in Lauscha zu sehen war. Schade, dass es diese einzigartigen Dinge heute nicht mehr gibt, nur noch verblichene Fotos erzählen davon.

      Natürlich verbinde ich Lauscha und den vielen Schnee mit ausgiebigem Schlittenfahren, in dessen Genuss wir Kinder kommen konnten. Wir waren immer eine ganze Meute. Nicht weit von unserer Wohnung entfernt gab es die Bätzenecke, ein ziemlich steiler Abhang, der von uns Kindern so benannt wurde, weil dort vor dessen Anstieg ein Fleischergeschäft war dessen Inhaber eine Familie Bätz gewesen ist. Mit den beiden Jungs Ralf und Egon Bätz kam ich dann auch zur Schule und wir waren zusammen in einer Klasse.

      Heute kann sich wahrscheinlich kaum noch ein Kind vorstellen, wie schön diese Winter für uns damals gewesen sind. Jede freie Minute waren wir mit dem Schlitten oder den Skiern unterwegs. Man konnte scherzhaft sagen, dass wir Kinder schon mit den Skiern umgehen konnten bevor wir richtig laufen gelernt hatten. Unermüdlich und ausdauernd erklommen wir die Bätzenecke. Mit lautem Jubelgeschrei fuhren wir hinab. Auf der einen Seite dieser „Rodelbahn“ war ein angrenzender Zaun zu einer Wiese, auf der anderen Seite standen Häuser, in denen die Leute wohnten. Niemanden, auch nicht einer einzigen Oma oder einem einzigen Opa fiel es ein über uns zu schimpfen, wenn wir lauthals rufend: „Achtung, ...Bahn frei, ...Kartoffelbrei ...“ den Berg herab geschossen kamen. Die Omis flüchteten mit ihren Einkaufstaschen zur Seite und tasteten sich an den Häuserwänden entlang bis sie ihre Wohnung erreicht hatten. Sehr oft haben wir die Schlitten aneinander gebunden, oder sind bis zum Dunkelwerden mit unseren Taschenlampen noch so lange gefahren, bis ein Elternteil von uns Kindern den ganzen Spaß beendete und uns alle, von oben bis unten mit Eis verkrustet, nach Hause schickte. Es gab kaum einen Vorgarten oder einen Hof in dem man nicht einen stolzen, oft riesengroßen Schneemann bewundern konnte, einer war schöner als der andere, jeder wollte, dass sein Schneemann der allerschönste ist. Schneehöhlen und Burgen wurden gebaut, es gab Wettbewerbe, welcher Iglu am besten gelungen war. Wer es nicht erlebt hat, der kann sich das in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellen. Die Ursache dafür ist sicher außer dem Schneemangel auch darin zu suchen, dass sich die Kinder in der heutigen Zeit viel zu wenig draußen im Freien bewegen, weil sie es vorziehen, oft den ganzen Tag vor dem Fernseher oder dem Komputer zu zubringen. Das natürlich nicht nur im Winter, sondern auch in den übrigen Jahreszeiten. Leider wird diesem Tatbestand von den betreffenden Eltern viel zu wenig Bedeutung beigemessen und Beachtung geschenkt. Die Fantasie, die ein Kind beim Spielen entwickelt wird ausgebremst und die Gesundheit nicht gerade gefördert. Gewichtszunahmen und chronische Erkrankungen, sowie ein schwaches Immunsystem sind vorprogrammiert, weil zudem oft viel zu ungesund gegessen wird. Ihr braucht euch nur umzusehen, man entdeckt kaum noch Kinder, die draußen spielen und umher tollen. Einen Beitrag dazu leisten ohne Zweifel auch manche Erwachsene, die sich aufregen, weil Kinder auch einmal Lärm verursachen. Auch das ist ein Kriterium der heutigen, nicht immer schönen Zeit. Übrigens: habt ihr schon gewusst, dass Stubenhocker, die sich fast ausschließlich mit dem Komputer und etc. beschäftigen, viel häufiger eine Kurzsichtigkeit entwickeln als Kinder, die sich viel im Freien aufhalten und bewegen? Der Grundstein dieser Tatsache wird im frühen Kindesalter an bis zur Pupertät gelegt.

      Fakt ist auch, dass wir Kinder damals einen besseren Zusammenhalt innerhalb unserer Meute hatten. Wenn einer von uns einen Auftrag von den Eltern bekam, dann wurde er von den anderen begleitet. Ich kann mich erinnern, dass wir als Kinder häufig in den nahe gelegenen Konsum geschickt wurden. Der Konsum war eine kleine Verkaufsstelle, ein kleiner Laden. Der Konsum war die Marke der Konsumgenossenschaften in der DDR. Die einzelnen Genossenschaften betrieben Lebensmittelgeschäfte, Gaststätten und Produktionsbetriebe, man kann sagen, die Konsumgenossenschaft war eine flächendeckende Ladenkette, schon vor dem 2. Weltkrieg. So viel ich weiß wurde im Dezember 1945 der Konsum durch die Sowjetische Militäradministration als Genossenschaft wieder hergestellt. Jedes noch so kleine Dorf hatte einen Konsum, in dem man Waren des täglichen Bedarfs kaufen konnte. Wie hinter einem Tresen gab die Verkäuferin die Waren heraus die man gerne haben wollte, es war eine schöne, persönliche Bedienung und Beratung der Kundschaft. Verbunden mit jedem Einkauf erhielt man je nach Warenwert Konsummarken, die in ein Heftchen eingeklebt wurden. Zum Jahresende bekam man dafür eine Rückvergütung ausgezahlt. Die Höhe der Vergütung richtete sich nach den getätigten Warenumsätzen und jeder freute sich über ein lohnendes „Zubrot“. Es gab noch keine Kaufhallen oder Supermärkte, wo sich aus den Regalen selbst


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