Ich bin jetzt Soldat. Achim Hammelmann

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Ich bin jetzt Soldat - Achim Hammelmann


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Osten, den 24.XII 42

      Meine liebe Mutti, lieber Walti und lieber Opipo.

      Heut’ ist nun endlich der Tag, an dem der heilige Abend steigen soll, und es ist wohl auch der Tag, an dem man am meisten an zu Hause denkt. Vor allen Dingen erinnert man sich heut’ so gern an die schönen Feste, die man all die Jahre zu Hause bei Euch Lieben feiern durfte. Ach, wie war es doch immer herrlich, so ohne Sorgen, ohne Gefahr und ohne Unbequemlichkeiten die Feste verleben zu dürfen. Wißt Ihr noch? Wie waren Walti und ich jedes Mal tagelang vorher aufgeregt, haben mit Eifer für Dich Geschenke eingekauft, mußten unbedingt immer den größten Tannenbaum von der ganzen Gegend haben und konnten gar nicht abwarten, bis der geschmückte Baum für den Heiligabend fertig im Zimmer stand. Ich habe mir doch wirklich jedes Mal große Mühe mit dem Schmücken gegeben, und Marzipan haben wir gemacht und Kuchen gebacken. Ja, und dann kam endlich, endlich der große Augenblick, wo wir dann in das Zimmer kommen durften.

      Ach, was lagen da jedes Mal für herrliche Sachen, kaum zählbar, die Du, liebe Mutti, uns unter den Tannenbaum gelegt hast, wie waren wir glücklich! Und nach der Bescherung stieg dann meistens das berühmte Karpfenessen, während wir uns schon vorher an den vielen Leckereien satt gegessen hatten. Am heutigen Abend werdet Ihr nun sicher wieder, wie alle Jahre, mit unserem lieben Papi zusammen dieses schöne Fest feiern.

      Ihr werdet nun sicher schon im Bett sein, und ich, da ich gerade von der Wache komme, kann meinen Brief ungestört beenden. Auch hier hat sich das Feiern allmählich gelegt und alles schläft. Denn wenn wir heute auch mit schwerem Rabatz gerechnet hatten, wir sind doch angenehmer enttäuscht worden, als wir dachten. Auch wir haben, trotz aller Schwierigkeiten und Umstände, unsere stille und wirklich nette Weihnachtsfeier hinter uns. Wir können uns nicht beklagen, bis jetzt auch noch nicht bei den Russen! Die allergrößte Freude jedoch bereiteten mir die beiden herrlichen Pakete von Dir und Papi, die ich heut' Abend erhielt. Ich danke Dir auch von ganzem Herzen dafür, liebe Mutti, es war reizend und so mit Liebe zurecht gemacht, das war wieder einmal eine gewaltige Überraschung, und ebenso das herrliche Paket von Papi, sowie sein lieber Brief. Besser hätte ich mir es gar nicht wünschen können.

      Ich will Dir mal Einzelheiten berichten, das interessiert Dich gewiß: heute morgen, nachdem wir uns alle feierlich rasiert hatten und im Schnee so gut es ging gewaschen hatten, gingen wir endlich einmal daran, unsere Bude gründlich aufzuräumen, so daß wir etwas Grund und Platz bekamen, was uns auch so leidlich gelang. Die dekorative Ausstattung übernahm dann ich. Die Wände wurden teilweise mit Servietten beklebt und die Fotos mit Tannenzweigen darauf, sehr romantisch. Auch für einen Tannenbaum, der wegen des Platzmangels leider nur sehr winzig ausgefallen ist, habe ich besorgt und geschmückt (aushilfsweise mit in Streifen geschnittenen Silberpapier). Heute Abend kam dann, wie gesagt, die Überraschung von Euch beiden und ebenfalls auch vom Kommiss: Zigaretten, Schokolade, 1 Flasche Sekt!! 1 Klöben, Keks, Bonbons und Pfeffernüsse. Radioanschluß mit gedämpfter Musik haben wir uns auch besorgt und dann ging’s los. Es war wirklich feierlich und nett, trotzdem wir mit 12 Mann hier noch hausen. Man denkt nur ein bisschen viel an zu Hause, wie Ihr dort wohl gefeiert haben werdet. Ich wäre ja so gern dabei gewesen und hätte wie alle Jahre das Fest mit Euch verlebt.

      Die erste Weihnacht und hoffentlich auch die letzte draußen im Felde, das nächste Mal werde ich hoffentlich zu Hause sein. Mitte des Jahres werde ich sicher auch auf Urlaub fahren können. Übrigens hat man mich auch heut' Abend mit der Beförderung zum Gefreiten überrascht. Jetzt ist es Schluß mit dem Soldatchen, das möchte ich mir übrigens streng verbeten haben!!

      Ich mache mir immer noch Vorwürfe, daß ich Dir mit den letzten Briefen so viel Aufregung bereitet habe, wo ich ja genau weiß, daß Du Dir jedes Mal so viel Sorgen um mich machst. Du wirst Dich doch sicher wieder beruhigt haben, nicht wahr? Einmal ist der Krieg ja bestimmt aus, und wenn wir Glück wie bisher haben, gehen wir alle heil und gesund daraus hervor.

      Wie geht’s Euch denn? Sag mal, habt Ihr noch mal Fliegerangriffe? Ich hab' bis jetzt nur wenig gehört. Ob Walti mir wohl mal geschrieben hat, und was macht Opi? Ein Päckchen mit meiner kaputten Brille hab' ich neulich abgeschickt. Bist Du so gut und lässt sie wieder machen; meine andere ist auch kaputt. Für die anderen Sachen findet Ihr hoffentlich Verwendung, es gibt hier genug davon.

      Nun laßt Euch drei recht herzlich grüßen von

      Eurem Werner

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