Ich bin jetzt Soldat. Achim Hammelmann
Читать онлайн книгу.ob wir alle zusammensitzen und uns unterhalten.
Übrigens fehlt noch ein kleiner Feldpostbrief vom 17., die anderen hast Du alle bestätigt. Ja, ich weiß deshalb so genau Bescheid, weil ich meine sämtliche Korrespondenz notiere, und da kann man nichts vergessen.
Also, Du meinst, aus Kuchen mache ich mir nicht mehr viel? Na, Du weißt doch genau, wie gern ich Deine Kuchen esse, und auch das Naschen hab’ ich hier gelernt, denn ich hab' hier bei der 4 wöchigen Ausbildung verdammt das Hungern gelernt, das kannst Du glauben, und seither kümmert man sich natürlich am meisten ums 'Fressen' beim Kommiss. Hier ist selbstverständlich die Verpflegung etwas besser, aber doch so eintönig, und wenn’s mittags Verpflegung gibt, stürzt man sich darauf und hat abends und morgens nichts mehr. Deshalb gehen wir auch mal zum Kartoffelsuchen, oder sammeln sonst was. Kartoffeln sollen wir übrigens jeden Tag haben, da sieht man nur wenig von. Sonntags allerdings haben wir welche gehabt, mit Kohlrouladen, ich kann Dir sagen, wir waren vielleicht von den Socken. Du kannst Dir nun denken, daß man sich riesig freut, wenn man von zu Haus zusätzlich etwas bekommt, und wenigstens Abwechslung hat. Früher haben wir uns bestimmt keine Sorgen ums Essen machen brauchen, da hast Du immer so schön gekocht, und was auf den Tisch kam, haben wir „ohne Murren und Knurren gegessen“, allerdings waren das meistens für mich solche Festessen, daß ich nicht gemurrt habe, sondern aus allen Löchern geschmunzelt habe. Da sehnt man sich nun mal nach Mutters guter Küche, und selbstverständlich auch nach den Kuchen; aber ich wollte Dir nicht mehr so viel Umstände machen, denn Dosensachen gehen ja schneller zu Packen, und davon, glaube ich, habt Ihr ja noch ein paar. Ich komme mir sowieso reichlich unbescheiden vor, daß ich jedes mal neue Wünsche hab’. Ich glaub’ ich überlasse Dir am besten selbst, was Du schickst, denn dann ist die Überraschung um so größer. Und wenn ich mal nach Haus komme, dann bringe ich Euch auch etwas feines mit: das vom Herrmann gestiftete Paket mit Lebensmitteln für Fronturlauber. Woll’n mal sehen, vielleicht nächstes Jahr, vielleicht ist aber auch der Krieg eher zu Ende. Das letztere wäre natürlich tausend mal so schön.
Übrigens wäre über den R.O.A. folgendes zu sagen: Ich könnte es natürlich auch hier werden; aber…..erstens würde ich dann noch vorn in die Schützenkompanie versetzt werden, wo es viel, viel schlechter ist, zweitens müßte ich da als angehender Leutnant mich auch hervortun, indem ich Spähtrupps, Stoßtrupps usw. mitmachen müßte und drittens kann ich da unter Umständen über ein Jahr eingesetzt werden. So ist es doch besser, daß ich hier bin, und ich bin auch sehr froh darüber, daß das mit dem R.O.A. nicht geklappt hat.
Was macht übrigens Peter, war er schon auf Urlaub? Er wird sicher an einem viel gefährlicheren Abschnitt eingesetzt werden, um seine Fronttauglichkeit abzulegen. Und Carli war auch bei Dir? Wenn Horst und er zusammenkommen, wollen sie mir schreiben. Wann kommt er denn zum Kommiss? Ist Walti’s Erntehilfe schon beendet? Wenn er zurückkommt kann er mir mal schreiben, wie’s war. Ich glaub', er hat’s auch nicht leicht gehabt? Und was macht das kleine Großväterchen, hoffentlich hat er meinen Brief bekommen. Also Du lässt Dir so einen feudalen Ring machen? Na ich bin ja gespannt, ob er Dir nachher auch gefällt. Ist er denn modern? Dann glaub' ich, würde er mir auch gefallen. Und wie geht’s Dir sonst, arbeitest Du noch so viel ? Kannst Du denn auch noch die Häusersache schaffen? Ich glaub’, ich muß doch mal wieder mithelfen.
Ich war gestern wieder zum Varieté. Es schien ganz gut zu sein, nach dem, was ich gehört habe. Leider hatte ich nur meine Brille vergessen und außerdem spielte sich alles im Dunkeln ab, da das Licht nicht funktionierte. An und für sich lohnt sich der lange Weg bei dem schlechten Wetter und durch den hohen Matsch auch gar nicht.
So, das wäre alles. Es grüßt Euch beide recht herzlich,
Euer Werner
Rußland, den 12.X.42
Meine liebe Mutti, lieber Großvater u. lb. Walti.
Vorgestern war mal wieder ein gewaltiger Tag in postlicher Beziehung. Erstmal war da Dein lieber Brief vom 2.Okt., den ich mit recht herzlichem Dank erhielt, ebenso ein kleines Päckchen mit Zucker, den ich mir recht sparsam aufheben werde, und der, wie immer alles, unversehrt hier eingetroffen, und von einem sehr dankbaren Sohne empfangen worden ist. Auch Papi hat an mich gedacht, in dem er mir 4 Illustrierten schickte. Nun gleich zu Deinem lieben Brief: Ich bin wirklich froh, daß Du jetzt auch mal, wo Du ja nun mit Opi allein bist, etwas für Dich tust und mal in die Stadt gehst oder ins Kino. Ja, ich möchte auch schon mal ganz gern mit Dir wieder die Stadt unsicher machen, aber ich glaube doch, da müssen wir wohl bis nach dem Krieg warten, denn mit Urlaub darf ich ja noch nicht rechnen, da kommen doch erst mal die älteren dran, die schon bald 1 1/2 Jahre hier sind. Du hast ja jetzt auch wieder Deinen kleinen Steppke, vielleicht geht er ja mit Dir und lädt Dich mal ein, oder ist er nach seiner Erntehilfe immer noch so vornehm?
Und Du willst nun Grundsteuer für 10 Jahre im Voraus bezahlen? Das sind ja bald 45000 RM. Sag mal, habt Ihr denn noch so viel, und lohnt sich das überhaupt? Allerdings braucht Ihr dann nicht mehr jeden Monat 356,- RM zu bezahlen, doch bezahlt worden ist es ja schon, und würdet Ihr Euch nicht besser stehen, wenn Ihr das Geld liegen habt und Zinsen bekommt, oder kriegt man hier auch hohe Begünstigung? Ich meine vielleicht 3 oder 4 Prozent Ermäßigung oder Zinsen? Doch, wenn später mal das Geld nichts mehr wert sein sollte, steht man sich so ja bedeutend besser, denn es geht einem nicht verloren. Ja, man muß schon kalkulieren im Krieg, sonst kann man viel falsch machen. Der Onkel Richard hat ja den richtigen Weg zu Geld gefunden, aber wer weiß, ob man nicht später denen, die am Krieg verdient haben, das Geld wieder abnimmt?
Ja, studieren möchte ich schon, und zwar so bald es geht, und ich kann auch dankbar sein, daß mir die Mittel dafür zur Verfügung stehen. Aber die Bestimmungen sind doch nicht so einfach, wie Du Dir denkst; ich muß nämlich nicht 1 Jahr, sondern 3 Jahre Soldat sein, und da hab ich wohl noch ein bisschen Zeit.
Es ist so lieb von Dir und ich kann Dir gar nicht genug danken, daß Du und auch alle anderen so lieb an mich denken, nun sind wieder 2 große und so viele kleine Päckchen unterwegs. Wenn nur alles gut ankommt, ich freu' mich ja schon so sehr darauf und werde hoffentlich nicht von den vielen schönen Sachen krank. Daß Du die andere Paketmarke aufheben willst, ist sehr richtig. Leg’ auch die heutige einige Zeit zurück, und ebenso die Luftpostmarke nur für besondere Anlässe. Es hat nämlich seinen Grund, und es ist auch der Grund, warum ich heut' Dir mal wieder einen Luftpostbrief schreibe. Paß auf: Nachdem wir nun ein viertel Jahr lang, (Morgen ist übrigens genau ein viertel Jahr rum, seitdem ich in Rußland bin) in einer Stellung gelegen haben, die wirklich ruhig und friedensmäßig war, nachdem wir nichts als Bunker gebaut haben und uns mit allen nur erdenklichen Mitteln für den Winter vorbereitet haben, so und so oft in andere Bunker gezogen sind (vorgestern nämlich sind wir Funker in einen neu eingerichteten Bunker eingezogen, um uns hier häuslich niederzulassen) nachdem wir nun tatsächlich alle geglaubt hatten, man würde uns in Ruhe lassen, und uns dementsprechend anstrengten, müssten wir natürlich auch mal etwas tun für unser Geld. Was gestern noch Parole war, hat' sich heut bewahrheitet: Wir kommen weg: Wann genau und wohin, weiß keiner, jedenfalls noch im Laufe dieser Woche. Ja Kommiss ist nun immer Beschiß gewesen. Du brauchst Dir nun natürlich noch keine Sorgen zu machen, ich werde Dich natürlich auf dem Laufenden halten, und zwar noch mehr als früher. Die Post geht selbstverständlich laufend weiter. Es ist nur besser, wenn Du die Marken dann aufhebst, bis ich Dir weiteres mitgeteilt habe. Daher auch noch eine Bitte: nummeriere bitte von jetzt ab, wie ich es tun werde, getrennt Päckchen und Briefe. So kann man besser sehen, ob etwas verloren gegangen ist.
Eben komme ich von einer zweistündigen Störungssuche, die Leitung war zerschossen. Bis zum Knie sind wir in den Schlamm gesackt. Ich bin der Länge nach hingesegelt bei der Dunkelheit und dann regnet es in einer Tour; das war vielleicht ein Mist, ich kann Dir sagen. Und gleich muß ich auf Wache ziehen. Inzwischen sind auch wieder neue Nachrichten eingelaufen, nach denen alle Kompanien der Reihe nach eine kurze Ausbildung erhalten sollen, so daß wir wahrscheinlich hier noch wieder zurückkommen. Vielleicht bleiben wir dann ja noch hier, vielleicht hauen wir dann auch ab und müssen womöglich noch ranrobben. Eigentlich kann man sich das ja auch gar nicht denken, aber man muß sich eben den Plänen der Herren da oben fügen. Das ewige Umziehen bin ich ja nun gewohnt, und alles, was man beim Kommiss macht, ist umsonst getan. Na ja, ich sag mir, abwarten und Tee trinken. Erstens