Ich bin jetzt Soldat. Achim Hammelmann
Читать онлайн книгу.gerechnet und daß wir 14 Tage dort bleiben würden, doch zu unserem Ärger erfuhren wir, daß wir am nächsten Tag schon fahren sollten. Ich hatte mir das schon so schön vorgestellt, daß ich nachmittags nach Haus kann, doch da wurde an dem einen Nachmittag nichts mehr draus. Ich hab' jedenfalls sofort nach Haus telefoniert und Mutti war wie aus allen Wolken gefallen. Am nächsten Tage haben Mutti, Walti und Opa mich besucht und wir haben zusammen noch einen schönen Tag verlebt; als wir abmarschierten, haben sie mich alle 3 bis zum Bahnhof begleitet. Der Abschied ist doch ein bisschen schwer gefallen, aber es mußte ja sein, und wir wollen hoffen, daß auch weiterhin alles klappt.
Die schönen Wochen sind ja nun vorbei und wir werden alle gern daran zurückdenken. Erdbeertorte gibt es in Rußland nicht. Heute nun sind wir nach 2 Tagen Fahrt schon in Graudenz (übrigens sehr nahe bei Dir) und haben hier einen Tag Aufenthalt. Es ist hier sehr trostlos, recht polnisch noch und es wimmelt von Polizei, wir waren hier in einem furchtbaren Kino und essen jetzt einen noch furchtbareren Fraß. Heute Abend geht es weiter, und in 6 Tagen sind wir am Ziel. Wir wollen das beste hoffen, daß alles gut geht. Ich werde es schon schaffen. Mir fällt gerade ein, daß, wenn der Brief ankommt, auch Mutti und Walti bei Dir sein werden. Ich wünsche Euch dreien eine recht gute Erholung und gutes Wetter.
Und jetzt danke ich Dir noch recht herzlich für Deine liebe Post nach Dänemark, zu der ich mich sehr gefreut habe. Seid alle recht herzlich gegrüßt von
Eurem Werner
Bleskau, den 15.VII.42
Ihr Lieben!
Soeben haben wir die russische Grenze überfahren, und man merkt sofort, daß man im Paradies der Arbeit ist. Einfach trostlos sieht es hier aus. Auch die litauische und lettische Landschaft ist völlig öde, sumpfig und waldig, jedoch kann man nicht sehen, daß über diese Länder der Krieg hinweggezogen ist. Das Volk ist furchtbar stur. Morgen werden wir wohl am Ziel sein: wir kommen wahrscheinlich nach Leningrad. Mir geht es sonst gut und wir bekommen reichlich zu essen und zu rauchen, ich hab jetzt über 300 Zigaretten.
Und wie geht es Euch? Ich hoffe, daß Mutti mit Walti gut in Gotenhafen angekommen sind und hoffe auch, daß die Engländer die Ostseestädte nicht noch einmal angreifen werden. Ich wäre auch ganz gern mitgefahren, doch das geht ja nicht. Vielleicht haben wir das Glück, in einigen Jahren im Frieden wieder gemeinsam verreisen zu können.
Sowie ich meine Feldpostnummer weiß, teile ich sie Euch mit. Für heute grüßt Euch recht herzlich,
Euer Werner
Am Montag, d. 3.VIII.42
Meine liebe Mutti, lieber Walti und Opa.
Ich nehme an, daß Ihr inzwischen schon wieder im Hause seid, wenn Euch dieser Brief erreicht. Wie war es denn in Gotenhafen? Habt Ihr ein paar nette Tage verlebt, bei denen es hoffentlich nicht am Wetter haperte. Meine Post werdet Ihr doch wohl alle erhalten haben, ebenfalls die Paket-und Luftpostmarke. Jetzt kann ja wieder ein reger Briefwechsel starten, da Ihr nun meine Feldpostnummer wißt. Ihr glaubt gar nicht, wie ich mich auf das erste Lebenszeichen von Euch freue, zumal während der letzten Zeit starke Luftangriffe auf Hamburg stattgefunden haben. Wenn nur nichts passiert ist, man macht sich doch seine Gedanken, wo man hier völlig von jeden Nachrichten aus der Heimat abgeschnitten ist, außer dem Wehrmachts-Bericht. Ein Radio wie in Dänemark haben wir hier nicht.
Sag mal, kann Papi mir nicht ab und zu ein paar Süßigkeiten schicken? Ich habe einen unheimlichen Appetit darauf, etwas zu naschen, sonst hätte ich wirklich alles. Das Essen ist hier wirklich gut jetzt, so daß wir nicht klagen können. Z.B. gestern am Sonntag haben wir Bier, Schnaps, Bohnenkaffee, Bonbons und abends noch Milchsuppe bekommen, so daß wir nach einem ganz amüsanten Abend nicht mehr allzu nüchtern ins Zelt krabbelten. Im übrigen gibt es morgen Marketenderware um uns die Gelegenheit zu geben, für den Einsatz noch die fehlenden Sachen kaufen zu können.
Auch sonst geht es uns hier gut, die Ausbildung wird verlängert und ich habe mich inzwischen für einen 14 täg. Kursus als Funker gemeldet, dessen Ausbildung nicht nur ruhig, sondern auch sehr interessant ist. Ab und zu werden hier auch mal ein paar Flugzeuge abgeschossen, wie gestern Abend, als plötzlich ein Russenbomber und zwei Jäger über uns erschienen. Ein paar kurze Feuerstöße, der Bomber fing Feuer, trudelte ab, und schlug hier in der Nähe auf, während wir auf die durch Fallschirmabsprung sich zu retten suchende Mannschaft Jagd machten. Einer wurde gefaßt, der andere entwischte. Ihr seht also, man kann hier auch interessante Dinge erleben, wenn nur nicht das Wetter so launisch wäre. Sonntags allerdings ist es immer schön, während es Tage hindurch vom Himmel nur so strömt. Wenn nur das Wetter während Eurer Reise nicht so schlecht war. Sonst wird es bestimmt keinen Spaß gebracht haben, schreib bitte mal ein bißchen ausführlicher darüber, liebe Mutti.
So, noch einige allgemeine Sachen. Was habt Ihr von Edgar und Kochs gehört, und wie geht es den anderen Bekannten? Weißt Du etwas über meine Kameraden? Wie sieht Hamburg sonst aus, ist durch den Angriff viel zerstört? Übrigens würde ich mich auch sehr zu Zeitungen u. Zeitschriften freuen, das einzige Mittel, um mit der zivilisierten Welt wieder Verbindung aufnehmen zu können. Man verliert hier doch ein bißchen und ich glaube sogar, daß ich für ein gutes Buch oder Theaterstück weder Ruhe noch Interesse finde. Man sehnt sich aber doch sehr danach.
Für heute genug. Laßt Euch alle recht herzlich grüssen
von Eurem Werner
Feldp. Nr. 03225
Rußland, den 11.VIII.42
Meine liebe Mutti, lieber Großvater u. Walti!
Im allgemeinen schreit man ja aus voller Kehle „Hurra“ wenn man sein Ziel erreicht hat. Leider ist es doch ein bißchen anders gewesen, als wir am Sonntag nach einem glänzenden Manöver von unserem alten Standort an die Front marschierten. Man geht da doch mit etwas gemischteren Gefühlen hin als auf Urlaub. Vorher erlebte ich aber noch eine große Freude: Als wir schon zum Abmarsch angetreten waren, wurde die Post verteilt. Du kannst Dir denken, wie ich mich freute, als von Euch ein Brief dabei war. Ich danke Euch recht herzlich dafür, zumal ich mir schon wegen der Angriffe über Euch Sorgen gemacht habe. Es ist doch ein Glück, daß nicht all zu viel passiert ist, nur für den Opa war die Sache ja nicht so ganz ohne. Ist viel verbrannt und wie sieht der Weinschrank aus? Schreib mal, ob sehr viel in Hamburg kaputt ist. Ich wünsche Euch jedenfalls nicht noch einmal einen solchen Angriff.
Daß es Euch so gut bei unserem Papi gefallen hat, freut mich sehr. Er wird wohl wieder alles herangeschleppt haben, was irgend aufzutreiben war. Es ist nur schade, daß das Wetter nicht so schön war, da werdet Ihr wohl gar nicht braun geworden sein. Also Zoppot gefällt Euch besser als Grömitz? Vielleicht haben wir ja das Glück, später einmal gemeinsam wieder dort hinzufahren, das wäre schön, was? Die Zeiten werden wohl hoffentlich bald wiederkommen.
Also, wie gesagt, wir marschierten ab und waren schon auf das schlimmste gefaßt. Ich hatte aber mal wieder Glück. Wie Du weißt bin ich Funker geworden; als wir zum Regiment-Gef-Stand kamen wurde ich dem Batallions-Stab als Funker zugeteilt mit einem anderen der Komp. aus Dänemark. Die übrigen sind auch hier in der Nähe. Wir kamen am nächsten morgen nach und nun hatte ich wieder Glück. Beim Stab erwischten wir einen prima Bunker, wo es sich wirklich drin aushalten läßt. Glück muß man eben beim Kommiss haben. Hier wohnen noch viele andere, teils Hamburger, drinnen und außerdem ist es hier sehr ruhig: ab und zu schießt mal die Ari oder Granatwerfer, aber sonst ist hier nichts los und ich glaube, es wird wohl hier auch nicht mehr viel unternommen werden. Ihr könnt also ganz beruhigt sein.
Und nun noch einige andere Sachen: ich schick’ Dir heut wieder eine Paketmarke u. eine Luftpostmarke. Seid bitte so gut und schreibt immer so oft Ihr könnt, ich freu’ mich zu jedem Lebenszeichen und werde auch meinerseits nicht schreibfaul sein. Im übrigen ist auch das Essen bestimmt nicht schlecht und es lässt sich hier schon leben.
Leider habe ich den Brief vorgestern abbrechen müssen, weil ich zum Tross mußte, gestern hat der Russe ein bißchen herüber geplänkelt u. einen Einbruch versucht, so daß ich erst heute wieder dazu komme, den Brief fortzusetzen. Wir haben hier immer schönes Wetter, können bis 9 Uhr schlafen und liegen sonst auf der faulen Haut, sogar besser als in der Kaserne. Man nennt