Streiten verbindet. Rudolf Hopmann

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Streiten verbindet - Rudolf Hopmann


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kann. Eine außerordentlich große Rolle dabei spielen die sprachlichen Möglichkeiten, mit denen die beiden Konfliktparteien „verhandeln“ und die Streitpunkte bereinigen können. Die zwischenmenschliche Kommunikation unterliegt aber ebenso wie ein Konflikt selber den psychischen und kognitiven Gegebenheiten und Fähigkeiten der beiden Partner. Ja, auch die Sprache selbst kann zu Konflikten Anlass geben, zu Mißverständnissen, die entweder ausgeräumt werden können oder Ursache von Streit sind. Allein mit seiner Emotionalität und Erregbarkeit kann ein Mensch einen Streit oder Konflikt hervorrufen, indem er durch seine sprachliche Äußerung sein Gegenüber verletzt. Einige Gedanken dazu sind im dritten Teil dieser Schrift zusammengetragen worden.

       Konfliktfelder1

      Vielfältige Forschungen zur Genetik der Lebewesen, den Menschen eingeschlossen, haben zur Einsicht geführt, daß seine genetische Ausstattung ihn stärker steuert als man bisher dachte. Sogar gewisse soziale Verhaltensmuster würden von seinen Eltern ihm vererbt. Das wirft freilich ein ganz neues Licht auf das, was ein Mensch an biologischen Voraussetzungen in sein Leben mitnimmt.

      Außer diesen Veranlagungen wollen wir all das hinzuzählen, was er im Laufe seines Heranwachsens und seiner Sozialisation, durch seine Erziehung, seine Bildung, also durch sein Innen- und sein Außenfeld und durch die „Welt“ in sich aufgenommen hat und was seine Verhaltensweisen prägten. Aber der Mensch ist ein Vernunft begabtes Wesen, das ihm ermöglicht, sein Selbst zu formen. Hilfe, Hindernis und Gefährdung zugleich sind bei diesem Werdegang all die Menschen, die ihn auf seinem Lebensweg begleiten oder denen er begegnet. In diesem Sinn beschreibt das ontogene Feld in Abbildung 1 also das Sein des Menschen.

      

Abbildung : Schalenmodell der Interaktionsebenen.

      Der Mensch ist mit allen seinen Gaben und Begabungen, mit dem, was seine Eltern, Lehrer usw. ihm mit auf seinem Lebensweg mitgaben, in diese, seine Welt hineingestellt. Diese bietet sich ihm auf vielfältige Art dar: Seine engere Mitwelt, die größten Einfluß auf ihn hat, ist seine Familie und sein Freundeskreis, mit denen er täglich sein Leben lang in Kontakt steht. Im Normalfall jedenfalls. Das nennen wir das Innenfeld, wie in Abbildung 1 zu sehen ist.

      Zu den Schulen, die ein Mensch besucht, zu seinem Betrieb oder einem Verein und zu anderen Bereichen, entwickelt er nur zeitweise Beziehungen, obwohl diese ebenfalls von größter Bedeutung und größtem Einfluß für die Entwicklung seiner Persönlichkeit sein können. Dies sind Elemente des Außenfeldes.

      Nur mit gewissen Einschränkungen kann er sich bestimmten Elementen des Außenfeldes entziehen. Er kann die Schule oder den Betrieb wechseln, sich das Krankenhaus aussuchen, aus dem Verein austreten. Selbst seinem Innenfeld kann er sich entziehen, indem er sich von seinen Freunden, ja sogar von seiner Familie trennen würde – dies insbesondere, wenn er genügend erwachsen ist. Er wird aber immer in bestimmter Weise in seine Mitwelt eingebettet sein, denn der Mensch ist und bleibt ein geselliges Wesen.

      Die Welt mit all ihren Institutionen und Einrichtungen stellt die äußerste Schale dar. Der Welt kann der Mensch nicht ausweichen, er ist ihr ausgeliefert. Selbst wenn er, wie man sagt, Land und Leute verließe und er sich sonstwo auf dieser Welt niederließe, würde er dort wiederum mit der politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Ordnung konfrontiert sein.

      In ähnlicher Weise, und korrespondierend zu den einzelnen Sozialfeldern des Schalenmodells, beschreibt Abbildung 2 die Reibungsflächen zwischen den einzelnen Schalen als Konfliktfelder. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, daß im Vergleich zu Abbildung 1, in dem das ontogenetische Feld als innere Schale eingezeichnet ist, hier nur das Sozialfeld insgesamt bezeichnet wird. Das hat seinen Grund darin, daß der Mensch in seine Sozialfelder, wie oben beschrieben, eingebunden und schicksalhaft ausgeliefert ist. Hier in diesen seinen unmittelbaren Sozialfeldern entstehen die meisten Konflikte.

      Sie sind immer aufgespannt im Dreieck a) des Menschen selber, b) seiner Gruppe, in der er lebt, und c) der verschiedenen Gruppen, denen er angehört. Die eigentlichen Individualkonflikte beschäftigen das Individuum selber in allen Fragen seiner Bedürfnisbefriedigungen und können durch Entscheide, die es nach bestem Wissen und Gewissen trifft, von ihm selbst gelöst werden. Daneben hat jeder Mensch in der Vielfältigkeit seiner Beziehungen viele Konflikte mit einzelnen Gruppenmitgliedern oder der ganzen Gruppe, zu der er gehört. Darüber hinaus gibt es mancherlei Konflikte, die zwischen einzelnen Gruppen oder Gruppenmitgliedern bestehen, die das Individuum zwar direkt oder indirekt betreffen, ohne daß es jedoch unmittelbar darin verwickelt wäre. Ein einfaches Beispiel ist, wenn Vater und Mutter sich über die Höhe des Taschengeldes des Sohnes streiten. Dies alles sind Innenkonflikte.

      Bild 3Abbildung : Konfliktfelder.

      Der Mensch sucht, in diesen Gruppen, in denen er lebt, sich zu verwirklichen. Er baut zu anderen Personen Beziehungen auf und zerstört sie wieder, was auch immer seine inneren Beweggründe dazu sind. Er hat Interessen, die er durchzusetzen sucht, wobei er Gesinnungsgenossen finden kann, mit denen er zusammenspannen kann. Oder er stößt auf Ablehnung, weil er die Interessen anderer berührt, verletzt oder sie in Verfolgung ihrer Interessen behindert. Umgekehrt gibt es Streit, weil sie ihn beim Verfolgen seiner Interessen behindern. Dies alles sind Quellen von Individual- oder Personalkonflikten. Wichtig ist, daß ein Konflikt in der Regel nicht für sich besteht oder bestehen kann, sondern auch immer seine Rückbezüglichkeit auf andere Konfliktfelder hat.

      Ein bestehender Individualkonflikt hat immer eine Auswirkung auf einen Konflikt in oder mit der Gruppe, auch wenn der Bezug nicht unmittelbar erkenntlich wäre, oder der Konflikt nicht ursächlich bezogen werden könnte. Ein Mensch kann also gegen die Interessen einer ganzen Gruppe verstoßen und ihre Regeln mißachten oder verletzen, so daß die Gruppe sich gegen ihn wendet. Oder die Gruppe mißachtet oder ignoriert seine Bedürfnisse oder gar seine Rechte, so daß sie ihn gegen sich aufbringt. Demnach ist der Bezug selbstredend wechselseitig: Ein individueller Konflikt kann auf die Gruppe rückwirken oder von dieser bedingt sein. Gleiches gilt für Konflikte in oder zwischen Gruppen: Das Individuum steht in der Gruppe und ist von einem Konflikt in der Gruppe genauso betroffen wie es von einem Konflikt seiner Gruppe mit einer anderen Gruppe betroffen ist.

      Des Menschen Sozialfeld hat noch ein Umfeld, die Welt. Diese Welt ist aufzuschlüsseln in die Mitwelt, was das Menschliche, und die Umwelt, was das Dingliche betrifft. Dem einen können wir beispielhaft den Staat, die Schulen, die Kirchen zuzählen, dem anderen, was vor allem auch die Fauna und Flora betrifft. Die beiden Welten unterscheiden sich: Während die Mitwelt vom Menschen geschaffen wurde, verändert und genutzt wird, macht sie hinwiederum Vorgaben, wie der Mensch sein Leben gestalten kann oder muß. Dagegen besitzt die Umwelt einerseits eine eigene Dynamik, der der Mensch unterworfen ist, z. B. Naturkatastrophen, andererseits wird sie von ihm zu seinem Nutzen unterworfen: Ausbeutung der Ressourcen, zur Nahrungsproduktion usf. Mit den Institutionen kommen wir Menschen oft genug und direkt in Konflikt, doch unser Verhältnis zur Natur ist in unserer heutigen Zeit auch sehr konfliktträchtig geworden. All diese Konflikte kann man als Außenkonflikte zusammenfassen. Sie haben im täglichen Leben eine gleich große Bedeutung wie die Innenkonflikte, und an verschiedenen Stellen dieses und nachfolgender Kapitel ist von ihnen die Rede. Es ist fast unnötig zu erwähnen, daß auch die Gruppe des Individuums mit beträchtlichen Auswirkungen in einen Außenkonflikt verwickelt sein kann, was auch eine Angelegenheit der täglichen Lebenserfahrung ist.

       Konfliktherde

      Die Art der Innen- und Außenkonflikte ist extrem vielfältig, so daß es schwierig ist, sie gesamthaft zu erfassen, zu systematisieren und sie in ihren ursächlichen Zusammenhängen zu erkennen und darzustellen. Aber es gelingt doch, ihre wesentlichen Merkmale in einer Art Dreiecksverhältnis zu beschreiben, wie in Abbildung 3 dargestellt ist. Die verschiedenen Dimensionen beziehen sich natürlich immer auf die drei Konfliktfelder des Innen- und Außenfeldes und der Welt. Das Verbinden der drei Konfliktherde zu einem Dreieck soll verdeutlichen, daß zwischen den einzelnen Konfliktherden Bezüge und Kombinationen bestehen, die


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