Sie sind durchschaut, Mr. Bond!. Martin Cordemann
Читать онлайн книгу.Typen, der Leute zusammenschlägt, um Agent 007 handelt und nicht um den Mann im Anzug aus „Person of Interest“. Die Musik sorgt dafür, dass das nicht austauschbare Ware ist – aber das scheinen die Produzenten nicht zu wissen. Oder es ist ihnen egal. Kann es ja auch sein, denn wenn einer der schlechtesten „Bond“ Filme (es ist kein Bond!) aller Zeiten, „Ein Quantum Toast“, der zweiterfolgreichste Film der Reihe ist, dann macht’s doch keinen Unterschied, dann kann man auch solchen Mist abliefern und dem Zuschauer wird’s schon gefallen. Also wozu sich Mühe geben?
Warum man einen Bond Film für Leute machen soll, die Bond Filme eigentlich nicht mögen… tja, erschließt sich mir nicht so ganz, denn dann braucht man ja auch streng genommen keinen Bond Film zu machen. Falls Sie das Gefühl haben, dass ich mich hier aufrege, dann liegen Sie gar nicht mal so falsch. Tja, ich schätze, das bringt uns zu der Frage: Was macht eigentlich einen Bond Film aus?
Was macht eigentlich einen Bond Film aus?
Nun, im Laufe der Zeit schraubt man seine Ansprüche ja immer mehr zurück. Das habe ich bei Bond inzwischen auch getan. Ich erwarte also keine clevere Handlung, keinen klugen Schurken, keinen brutalen Helfershelfer und keine schönen Frauen.
Hm, was ist mit den Figuren? Da gibt es doch bestimmt ein paar, die immer dabei waren, oder? Gute Frage: Welche Figuren tauchen in allen Filmen auf? Bond und M? Q? Moneypenny? Felix Leiter? Der Beisser? Nein.
Es gibt tatsächlich nur eine Figur, die in allen Bond Filmen auftaucht:
James Bond!
Selbst M ist nicht in allen Filmen vertreten (durch den überraschenden Tod des ersten M Darstellers, Bernard Lee, verzichtete man in „Moonraker“ auf die Figur und gab ihr „Urlaub“, durch einen neuen Schauspieler ersetzt wurde er erst im nächsten Film).
Wenn wir uns also auf die absoluten Mindestanforderungen beschränken wollen, die wenigen Formalien, die ein Film erfüllen muss, damit er ein BONDfilm ist, dann bleiben – neben der Hauptfigur – 4 Dinge übrig:
Gunbarrel-Sequenz am Anfang
Vortitelsequenz (Teaser)
Titel (am besten gesungen)
Bond Thema in der Musik während des Films
Klingt eigentlich nicht allzu kompliziert – scheint es aber zu sein. Umso schwerer ist es da zu verstehen, warum man diese wenigen Kriterien nicht einhalten möchte. Über die Musik und das Bond Thema hatten wir ja schon eingehend gesprochen, den Teil überspringe ich also mal.
Bleibt das Anfangstrio: Gunbarrel / Teaser / Titellied
Es gibt Bondfilme, die ohne auskommen und doch wie ein Bond Film wirken („Sag niemals nie“ – aber das liegt hauptsächlich an Connery) und es gibt welche, die alle diese Elemente beinhalten und doch kein Bond Film sind („Lizenz zum Töten“). Und es gibt die Craig Filme.
Die Gunbarrel-Sequenz
Aber, bevor wir gehässig werden, wieso könnte jemand (ich!) das als Problem ansehen? Ich meine, gerade die Gunbarrel-Sequenz ergibt, bei näherer Betrachtung, überhaupt keinen Sinn.
Weiße Punkte (sollen Kugeleinschläge andeuten) hüpfen über einen schwarzen Hintergrund, dann sehen wir durch den Lauf (nicht das Zielfernrohr!) eines Gewehrs auf einen hellen Hintergrund, vor dem ein Kerl entlangläuft, der sich plötzlich zu uns dreht, schießt und dann läuft Blut (???) über/durch den Gewehrlauf…
Ganz ehrlich, völliger Schwachsinn! Und doch ist es eine der besten und bekanntesten Eröffnungssequenzen, ähnlich wie die Augen und Hände beim „Tatort“. Sie signalisiert uns: Das ist Bond.
Seit „Dr. No“ wurde jeder (offizielle) Bond so begonnen, es ist ein Intro, eine Einführung, der Jingle bevor es losgeht. Diese Sequenz wegzulassen ist, als würde man „All you need is love“ von den Beatles ohne die französische Nationalhymne als Intro spielen. Manche Dinge gehören einfach zusammen – und werden nach einer gewissen Zeit auch erwartet.
Dass man die Sequenz bei „Casino Royale“ weggelassen hat, ist durch die Struktur des Films begründet und in diesem Rahmen halbwegs sinnvoll. Der Film soll Bonds Anfang zeigen, eine Anspielung auf diese Sequenz erfolgt in dem Moment, als er seinen zweiten Menschen tötet und sich damit seinen Doppelnullstatus verdient. So gesehen ist das eine schöne rückwirkende „Rechtfertigung“ für die Szene bei den anderen Filmen, da sie wiederum unterstreicht, dass es um 007 mit der Lizenz zum Töten geht. Diese Szene aber bei den folgenden beiden Filmen ans Ende zu setzen… kann ich nur mit einem ausufernden Seufzen kommentieren (wir werden im Laufe der Filmbesprechungen auch noch intensiv darauf eingehen, auch auf das Seufzen).
Aber was ist mit dem Teaser? Und dem Titellied? Und überhaupt? Nun, das berühmte Anfangstrio „Gunbarrel / Teaser / Titellied“ existiert in dieser Form eigentlich erst seit dem dritten Film („Goldfinger“, für alle, die es genau wissen wollen). Es wird in dieser Form aber auch nicht bei allen Filmen durchgehalten (z.B. bei „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, wie wir im letzten Kapitel gesehen haben).
Nun, stellen wir die Frage: Wie sehen wir James Bond das erste Mal? Auf dem Klo in schwarz/weiß… wo er jemanden zusammenschlägt? Nein, das war „Casino Royale“. Wir sehen ihn durch den Lauf eines Gewehrs. Aber hören wir dazu das Bond Thema? Nein! Denn beim ersten James Bond Kinofilm war man noch ein bisschen am Experimentieren. (Ich schreibe KINOfilm, weil es ja vorher schon eine Bond-Verfilmung fürs Fernsehen gab, „Casino Royale“… aber ein anderes „Casino Royale“ als das oben genannte – eins von drei, um genau zu sein.)
Aber kommen wir zurück zu „Dr. No“. (Ich bin mir nicht ganz sicher, wie der Film bei uns nun eigentlich heißt, „James Bond jagt Dr. No“ oder „James Bond 007 jagt Dr. No“? Naja…) Wie gesagt, es war der erste Film und man experimentierte noch ein bisschen herum. So ließ man Maurice Binder ein bisschen herumspielen und die berühmte Gunbarrel-Sequenz entstand… allerdings ist der Mann, den man hier sieht, nicht Sean Connery sondern Stuntman Bob Simmons. Dazu hört man ein paar dissonale Klänge (oder wie würden Sie das bezeichnen?), die dann in das Bond Thema übergehen, so wie die Gunbarrel-Sequenz direkt in den Vorspann übergeht.
Beim zweiten Film, „Liebesgrüße aus Moskau“, kam es dann zum ersten Mal dazu, dass nach der Gunbarrel und vor dem eigentlichen Vorspann eine Vortitelsequenz, kurz Teaser eingeführt wurde (etwas, das z.B. bei vielen amerikanischen Fernsehserien üblich ist). Aber so ganz hatte man seine Erfolgsformel noch nicht gefunden, denn obwohl es ein gesungenes Lied namens „From Russia with Love“ gibt, so baute man das erst am Ende des Films ein und unterlegte den von Maurice Binder gestalteten Vorspann nur mit einer Instrumentalversion des Songs. Danach schuf man dann mit „Goldfinger“ die Vorlage, die man viele Jahre weitestgehend konsequent durchhielt.
Natürlich wollen wir die beiden „Ausreißer“ nicht unerwähnt lassen, inoffizielle Bond Filme (d.h. nicht von EON und der Broccoli-Familie produziert). Einer davon ist, wie könnte es auch anders sein, „Casino Royale“! (Der dritte, na ja, eigentlich der zweite; als Parodie angelegt, aber eher anstrengend als witzig. Über diesen Film würde ich dann doch lieber den Mantel des Schweigens ausbreiten.)
Der andere ist Connerys Rückkehr zu Bond: „Sag niemals nie“, der aus rechtlichen Gründen sowohl auf Gunbarrel als auch auf das Bond Thema verzichten muss. „Sag niemals nie“ ist ein Remake von „Feuerball“, das ist offiziell (und rechtlich abgesichert). „Moonraker“ ist ein Remake von „Der Spion, der mich liebte“, aber das ist inoffiziell (und auch nicht rechtlich abgesichert). Auf die Geschichte von „Sag niemals nie“ muss ich hier sicher nicht eingehen, da Sie sich ja auskennen. (Fleming entwickelt zusammen mit anderen Drehbuch, benutzt Handlung ohne zu fragen für Roman, die anderen bekommen die Filmrechte zugesprochen, was Kevin McClory später die Möglichkeit zu einem eigenen Bond Film gibt.)
Dieser Film hat zwar einen gesungenen Titelsong, aber es gibt weder Gunbarrel noch Teaser noch Bond Thema – und doch wirkt er für mich mehr wie ein Bond Film als es jeder