Das zweite Gleis. Helmut Lauschke

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Das zweite Gleis - Helmut Lauschke


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Keller einen Abendmahlsgottesdienst halten können. Aber die Angst bei den Verantwortlichen erreicht jetzt erst ihren Höhepunkt. So muss es bei unserer Heimlichkeit bleiben.

      Doch nun ist es schwieriger als ehedem. Was soll man für einen Grund angeben, wenn zwei Häftlinge in der Zelle hinter verschlossener Tür gefunden werden? Wir müssen die Stunde abpassen, in der die gutgesinnte Wachablösung kommt. Dann knien wir vor unserem grauen Wandtisch. Hinter der Bibel stehen jetzt ein paar Zweige der blühenden gelben Forsythie. Draußen hören wir den gleichmäßigen Schritt des Postens. Er beobachtet, ob die Kontrolle schon in unserem Flügel unterwegs ist. Ich teile das Sakrament aus. Die Kommunikanten sind zum Tode verurteilt. Der eine (5teltzer) wird die Freiheit in dieser Welt wiedersehen, der andere nicht mehr (Justus Perels). Jetzt wissen wir davon noch nichts.”

      Wo Seine Zeugen sterben, ist Sein Reich.

      Am 10. November 1943 wurden vier Lübecker Geistliche – die drei katholischen Kapläne Johannes Prassek (*1911 in Hamburg), Hermann Lange (*1912 zu Leer in Ostfriesland), Eduard Müller (*1911 in Neumünster) und der evangelisch-lutherische Pastor Karl Friedrich Stellbrink (*1894 in Münster) in Hamburg durch das Fallbeil hingerichtet. Sie hatten den Brand von Lübeck von der Kanzel als Gottesgericht bezeichnet. Als Johannes Prassek das Todesurteil vernommen hatte, trug er in sein Neues Testament die Worte ein: ‘Der Name des Herrn sei gelobt! Heute wurde ich zum Tode verurteilt.’

      Hermann Lange schrieb am 11. Juli 1943 aus dem Hamburger Gefängnis: “Ich persönlich bin ganz ruhig und sehe fest dem Kommenden entgegen. Wenn man wirklich die ganze Hingabe an den Willen Gottes vollzogen hat, dann gibt das eine wunderbare Ruhe und das Bewusstsein unbedingter Geborgenheit. […] Menschen sind doch nur Werkzeuge in Gottes Hand. Wenn Gott also meinen Tod will – es geschehe sein Wille. Für mich ist dann eben das Leben in diesem Jammertal beendet, und es nimmt dasjenige seinen Anfang, von dem der Apostel sagt: >Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.<”

      Eduard Müller schrieb im April 1942 aus dem Hamburger Gefängnis: “In dieser Fastenzeit möge er uns die Gnade geben, dass wir wenigstens etwas verstehen von dem Geheimnis des Kreuzes, damit auch wir uns rühmen im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus wie ein heiliger Paulus. Wenn esuns Menschen von heute schwer fällt, unser Leid zu tragen, unser Kreuz auf uns zu nehmen, das der Herr uns schickt, so liegt doch der Grund darin, dass uns der Sinn des Kreuzes und Leides verlorengegangen ist. Das alles ist für uns bloße Theorie geworden; in der Praxis machen wir nur zu schnell Einschränkungen. […] Ich habe früher immer wieder mich ergreifen lassen von den Helden unserer heiligen Kirche, von ihrer Opferbereitschaft und vollkommenen Hingabe an Christus. Heute beginne ich erst, ihre Größe zu ahnen, und stehe voller Bewunderung vor ihrem Heroismus, der durch nichts übertroffen wird! Wie weit sind wir doch von einer solchen Haltung entfernt! Und nun nimmt uns unser Herr und Meister in Seine harte Schule; jetzt lässt Er uns ein klein wenig spüren, was es heißt: Christusnachfolge!”

      Karl Friedrich Stellbrink schrieb aus dem Hamburger Gefängnis vor dem Urteilsspruch: “Nicht grübeln! – glauben! … Wem Zeit ist wie Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit, der ist befreit von allem Leid.”Nach dem Urteilsspruch: “O Ewigkeit, du schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit. […] In Deiner Hand steht meine Zeit, lass Du mich nur Barmherzigkeit vor Deinem Throne finden. Er hat noch niemals was versehn in Seinem Regiment. Nein, was Er tut und lässt geschehn, das nimmt ein gutes End’. Wie schön muss es doch sein, wenn die Tore der Ewigkeit sich öffnen!”

      Der Fall Stettin

      Am 13. November 1944, um 16 Uhr, wurden im Zuchthaus zu Halle durch Fallbeil hingerichtet: Der 50-jährige Provikar der Diözese Innsbruck, Prälat Dr. Carl Lampert, der 47-jährige Oblatenpater Friedrich Lorenz und der 36-jährige Kaplan Herbert Simoleit. Seit Jahren hatten die drei Priester aus verschiedenen Gegenden Deutschlands in Stettin als Priester gewirkt. Sie wurden im Februar 1943 im Zuge einer Gestapo-Aktion gegen den mecklenburgisch-pommerschen Klerus verhaftet und nach langer Leidenszeit zum Tode verurteilt und hingerichtet.

      Aus dem Abschiedsbrief von Carl Lampert: “Nun ist die Stunde gekommen – die so >schreckliche< für Dich und für alle meine Lieben, die >erlösende< für mich. […], dass endlich ein Ende kommt von all dem harten Leid – nun geht’s heim – und ich bleib’ doch bei Euch. – Nun kam gerade der höchste Besuch – die letzte Kommunion! So trete ich jetzt mein letztes Opfer an, um 4 Uhr mit dem Confiteor meiner Herzenstreue. […] So spreche ich jubelnd mein >Ite missa est< – >Consummatum est< – und segne nochmals alle, alle, die meinem Herzen nahe sind durch die Bande des Blutes, der Liebe, des Berufes und besonders des Leides. […] Nunc dimittis servum tuum […] Magnificat anima mea!”

      Aus dem Abschiedsbrief von Herbert Simoleit: “22 Monate war ich nun abgeschlossen von aller Welt. Endlich kann ich sagen: >Laqueus contritus est et nos liberati sumus! – die Schlinge ist zerrissen und wir sind frei!<

      Mein geliebtes Muttchen! Alles habe ich Dir zu verdanken, alles, was in meinem Leben groß und schön war! Nun dieser Schmerz. Ich fühle Dich heute den ganzen Tag in meiner Nähe. […] >Wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.< Das will ich jetzt versuchen, denn die größte Wirksamkeit in der Welt ist das Leiden. Auf Wiedersehen dort, wo alle Tränen versiegen, auf Wiedersehen bei unserem himmlischen Vater.”

      Aus dem Abschiedsbrief von Friedrich Lorenz vom 13. November 1944, 16 Uhr: “Es geschehe der Wille Gottes. Er wollte, dass ich nicht länger als 48 Jahre leben, nicht länger als 20 Jahre Priester sein sollte. […] zur Sühne für meine Sünden und die Sünden der ganzen Welt, besonders für jene, die ich nicht verhindert oder an denen ich gar schuldig bin; zur Bitte um Gnade für mich und alle, die mir lieb und teuer sind. Ich sterbe als katholischer Priester und als Oblate der Unbefleckten Jungfrau Maria, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen!”

      Ludwig Steil (*29. Oktober 1900) Pfarrer in der evangelischen Gemeinde Holsterhausen (in Wanne-Eickel). Gestorben am 17. Januar 1945 in Dachau.

      Steil berichtet am 7. Oktober 1944 aus der Haftzelle über einen schweren Luftangriff auf Dortmund: “Gestern abend, Freitag, ab 20 Uhr 30, waren wir eine Stunde in der Hölle oder doch wenigstens im Feuerofen, aber der Heiland war mit drin. Er erhörte unser Flehen. Es ist mir noch wie ein Wunder. Nach dem Angriff, als ringsum alles brannte, konnten wir in den Keller gehen, wo der Qualm nicht mehr so sehr beizte wie oben. Da gab es dann mit vielen Gespräche des Trostes und der Aufrichtung. Gegen Mitternacht waren wir dann wieder oben, lobten Gott und gingen unter dem Knistern der Flammen, dem Stürzen der Mauern, dem Krachen der Zeitzünder zur Ruhe.”

      K.A. Groß [Häftling 16921] berichtet in seinem Dachauer Tagebuch: “Pfarrer Steil aus Westfalen tot! Freund Reger erzählte es mir heute in der Dämmerung auf der Blockstraße. Vor kurzem erst eingeliefert, kam er fieberkrank ins Revier. Reger hat ihn noch vor drei Tagen besucht. Da lag er still in seinen Decken, […] Er sagte: >Ich kann mich mit den Russen nicht verständigen, aber ich fühle mich doch nicht allein. Mein Herz ruht ganz im Frieden Gottes.< Das waren seine letzten Worte.”

      Alfons Maria Wachsmann (*25. Januar 1896 in Berlin) Pfarrer in Greifswald. Verhaftet am 23. Juni 1943 in Zinnowitz wegen Wehrkraftzersetzung. Hingerichtet am 21. Februar 1944 Brandenburg-Görden.

      Aus dem Brief an seine Schwester Maria: “Berlin-Tegel, 23. Dezember 1943. […] Bei mir ist der Rahmen des Festes klar umgrenzt: die Kerkerzelle. So arm wie in diesem Jahr habe ich noch nie an der Krippe gekniet. Mir ist alles abgesprochen: mein Heim, meine Ehre, mein Leben. So will ich an der Krippe dessen knien, der nichts hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, der als Freund seines Volkes zum Tode verurteilt wurde, der sein Blut als Trankopfer ausgoss für das Heil seines Volkes und der


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