Herrengedeck und Herzenswärme. Neue Osnabrücker Zeitung
Читать онлайн книгу.und sie von Schlechtendahl gepachtet. Seitdem hat sie auch den Zusatz Keskin Shisha. „Das bedeutet: Scharfe Pfeife“, sagt er. „Keskin“ ist aber auch der Künstlername seines Sohnes Alper Kenar, der als Rapper aktiv ist und seinen Vater auf die Idee brachte, die Shisha Bar in der Kneipe zu eröffnen.
Shisha Bars sind Lokale, in denen Menschen ab 18 Jahren Wasserpfeifen rauchen können. Der Tabak ist mit verschiedenen Geschmacksrichtungen gewürzt. Bei den Kenars gibt es Apfel, Traube, Zitrone, Kirsche und Honigmelone. Das steht auch so auf der Getränkekarte neben türkischem Tee, Pils und Traditionskorn. Die unterschiedlichen Angebote auf der Getränkekarte geben wieder, welche Gäste die Kneipe besuchen. Auf einer Empore sitzen in einem orientalisch eingerichteten Ambiente die Pfeifenraucher; unten stehen und sitzen die alteingesessenen Stammgäste, trinken Pils und Korn und tanzen ab und zu mal. „Dann klatschen die jungen Leute“, erzählt der 67-jährige Lothar Gaede. In der Keskin-Shisha-Bar kommt Partystimmung auf, wenn der Sparclub zusammenkommt oder nach einem Ausflug die Einkehr in der Gaststätte Neumann gesucht wird.
Zum Pfeife rauchen treffen sich Marcel Berndt (links) und Alper Kenar seit etwa zwei Jahren in der Keskin-Shisha-Bar in der Gaststätte Neumann. (Jörn Martens)
Lothar Gaede kann mit Rap nicht viel anfangen. „Ich bin Rock’n’Roller“, sagt er. Auch er hat einmal den Versuch gewagt, die Musik von Elvis & Co. in der Kneipe einzuführen – ohne Erfolg. Mit Wasserpfeifen kann Lothar Gaede ebenso wenig anfangen. Sein Knobel-Partner Peter Katzenmeier schon. „Ich hatte mal welche in meinem Zimmer stehen“, sagt er. Da sei aber ganz normaler Tabak drin gewesen, schiebt er sofort nach. „Mein Vater war Polizeibeamter.“ Der 55-jährige Peter kommt übrigens seit 30 Jahren in den Schinkel, um in der Gaststätte Neumann sein Bier zu trinken. Er reist dafür sogar mit dem Bus aus Büren an. Dass nun ein Türke das Pils zapft, stört ihn überhaupt nicht. „Er ist human und menschlich“, sagt Peter über Kemal Kenar.
So tolerant seien nicht alle alten Gäste, berichtet Rainer Schlechtendahl. Einige hätten gesagt, sie kommen nicht mehr, wenn ein Türke hinter der Theke steht. „Um die tut es mir nicht leid“, sagt er. Kemal Kenar drückt es diplomatisch aus: „Jeder muss selber wissen, wo er sein Geld ausgibt.“
Aber auch bei den Dagebliebenen musste Überzeugungsarbeit geleistet werden. „Wir haben den Leuten gezeigt, dass kein Haschisch in den Pfeifen ist“, erzählt Alper Kenar. Der 26-Jährige war aber selbst am Anfang nicht überzeugt von der Idee: „Als ich die Kneipe gesehen habe, habe ich mich gefragt: Wie soll das gehen?“
Es geht – sogar ganz gut. Der 18-jährige Marcel Berndt ist zum Stammgast in der ehemaligen Eckkneipe geworden. Nur trinkt er kein Pils und Korn, sondern schmaucht etwa eine Stunde lang seine Shisha. „Hier ist es gemütlich und bequem“, sagt er. Die Schlagermusik stört ihn nicht. Sonst geht er aber nicht in „Opa-Kneipen“.
Das Experiment ist geglückt, sind sich Verpächter Rainer Schlechtendahl und Wirt Kemal Kenar einig. „Man hat sich aneinander gewöhnt“, sagt Schlechtendahl. Kenar sagt, seine Kneipe sei ein gutes Beispiel für Integration. Ihn besuchen Menschen aus vielen Kulturen und Ländern. Alper Kenar meint: „Die jungen Leute sprechen mit den alten – das ist toll.“
Gaststätte Neumann/Keskin Shisha Bar
Inh. Alper Kenar
Belmer Str. 70
49084 Osnabrück
Tel. 0541/75714
29. Dezember 2012
Sportfreunde und gute Bekannte im Vesperstübchen beim OTB
Osnabrück. Die Gäste im Vesperstübchen beim Osnabrücker Turnerbund (OTB) fühlen sich wie zu Hause. Wenn sie gehen, bringen sie artig Teller und Gläser zur Theke. Verantwortlich für die heimelige Atmosphäre sind Ingrid und Friedel Hoppe. Sie betreiben seit zwei Jahren die Kneipe, in die vorwiegend agile ältere Menschen kommen, um ihren Mineralhaushalt auszugleichen.
Das Wirtspaar Ingrid und Friedel Hoppe. (Uwe Lewandowski)
Das Vesperstübchen ist eine Sportlerkneipe. Dort verkehren nicht nur Sportler, dort wird auch viel über Sport geredet – insbesondere über den VfL. Obwohl er seine Brötchen als Polizeibeamter verdiente, war der 63-jährige Friedel Hoppe lange Jahre als Trainer beim VfL Osnabrück tätig. Er trainierte überwiegend Jugendmannschaften, übernahm aber auch die Profis, die er Anfang der Neunzigerjahre als Nachfolger von Rolf Schafstall vor dem Abstieg aus der 2. Liga rettete. Hoppe führte sie bis ins Viertelfinale des DFB-Pokals. Später stand er dem VfL als Koordinator zur Seite und holte Spieler wie Uwe Brunn oder Ralf Balzis zu den Lila-Weißen, die er heute noch als Trainer der Traditionsmannschaft trainiert. Manchmal kommen auch ehemalige Spieler ins Vesperstübchen.
Wer Friedel Hoppe nach dem VfL fragt, der bekommt mehr als eine ausführliche Antwort. Dann steht Ingrid Hoppe ihren Mann und versorgt die hauptsächlich aus Stammkunden bestehende Kundschaft mit Getränken und belegten Brötchen.
Aber genau diese Gespräche sind es wohl, die Friedel Hoppe gesucht hat. „Ich wollte den Kontakt zu Menschen nicht abreißen lassen“, sagt er zu Begründung, warum er sich nach seiner Pensionierung nicht aufs Altenteil begeben hat. Millionär könne er mit seiner Gaststätte nicht werden, sagt Hoppe augenzwinkernd. „Aber wenn man kein Minus macht und Spaß hat, ist alles in Ordnung.“ Den Spaß hat auch Ingrid Hoppe, wie sie sagt. Am Anfang habe sie sich mit der Idee einer eigenen Kneipe nicht anfreunden können. Sie arbeitet noch nebenbei.
Den Traum einer Kneipe hat Friedel Hoppe lange geträumt, obwohl er nie ein regelmäßiger Kneipengänger war. Früher sei er mit Kollegen mal im Krummen Ellbogen eingekehrt, erzählt er. „Der Unterschied zu einer Eckkneipe ist, dass hier niemand nach einem Skat-Spiel oder einem Knobel-Becher fragt“, sagt Hoppe. Auch andere Unterschiede fallen sofort ins Auge beziehungsweise in die Nase. Im Vesperstübchen wird nicht geraucht. Und obwohl Friedel Hoppe eine Reihe erlesener Brände auf einem Regal hinter der Theke hortet, wird so gut wie nie Schnaps ausgeschenkt. „Ich habe hier noch nie jemanden gesehen, der richtig betrunken war“, sagt Hoppe.
Dennoch kann es sein, dass manch ein Gast des Vesperstübchens doppelt sieht. Nämlich dann, wenn Holger Siegert an der Theke sitzt. Der 62-Jährige sieht Friedel Hoppe zum Verwechseln ähnlich. Siegert erzählt lachend, er sei mal von der gemeinsamen Postbotin mit „Friedel“ angesprochen worden. Von vielen Menschen werden sie für Brüder gehalten.
Die „Brüder“ leben beide in Hasbergen. Aber mindestens einmal in der Woche sitzt Holger Siegert im Vesperstübchen. Dann wird nicht nur über Fußball geredet, sondern auch über Persönliches. Siegerts Frau ist am 11. Oktober gestorben. Friedel Hoppe war in der Zeit der Trauer, die sichtlich noch nicht abgeschlossen ist, eine Stütze. „Das ist mir wichtig, dass er zugehört hat“, sagt Siegert. Hoppe meint, er setze an eine Freundschaft eine hohe Messlatte. Deswegen habe er zwar viele gute Bekannte, aber kaum Freunde. Dass er in schlechten Zeiten für jemanden da ist, gehört für ihn zur Freundschaft dazu.
Wenig Zeit zum Reden haben die Hoppes nach Trainingsschluss. Dann stürmen durstige Sportler ihr Lokal. Manchmal muss Hoppe sie auch während der Leibesübungen bedienen. Er erzählt schmunzelnd von einer Truppe Volleyballer, denen er in einer Spielpause 15 Pils serviert. Mit dem Spruch: „Komm mal in einer halben Stunde wieder“, wird er dann weggeschickt. „Nach dem Training trinken die aber alle nur noch Wasser und Schorle“, sagt Hoppe verwundert. Erst später gibt es für die Sportler, die laut Hoppe um die 80 Jahre alt sind, noch einen Absacker. Die Herrschaften bleiben noch bis kurz vor Mitternacht.
Donnerstags sitzen die Gymnastik-Damen am Stammtisch im linken Eck am Fenster – und das schon seit vier Jahrzehnten. „Wir sind die Jungseniorinnen“, sagt Uschi, die das Durchschnittsalter der Gruppe mit „65 plus“ angibt. „Wir sind der harte Kern des OTB“, meinen die fröhlichen Damen, die sich nach dem Sport mit alkoholfreien Getränken erfrischen.
Bei den Hoppes fühlen