Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1. Dr. Phil. Monika Eichenauer
Читать онлайн книгу.überhaupt nichts mehr haben? Werden sie rebellieren? Muss man sich schützen? Mit seiner profanen Idee für Mikrokredite, gewann er mehr an Freiheit, mehr Geld und mehr Ansehen in der kapitalistischen Welt: Er ist einer von ihnen. Er hatte die Freiheit, denn er hatte die Möglichkeiten, Kredite zu vergeben und zwar mit sehr hohen Zinsen. Er hat den Stachel aus dem ökopolitischen Konfliktfeld entfernt: er gab den Menschen Möglichkeiten. Er bekam den Nobelpreis dafür. Wir in der Demokratie und mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung können kaum noch die unzähligen und vielfältigen Probleme, die durch dieses ökopolitische System ins Leben gerufen worden sind, bewältigen – trotz Kredite. Menschen zahlen unmenschlich hohe Zinsen auf lange, lange Zeit.
Mitleid
Nach Arthur Schopenhauer sind die eigentlichen Wurzeln des Handelns 1. Eigennutz (Interesse), 2. Mitleid und 3. Grausamkeit.
„Eigennutz bzw. Egoismus, der nur das eigene Wohl will, ist die Haupttriebfeder menschlichen Handelns, hat jedoch keinen moralischen Wert.
Ebenso Grausamkeit, die das fremde Weh will. In einer grundsätzlich durch den Egoismus und Grausamkeit des Willens bestimmten Welt, die Dantes Hölle dadurch übertrifft, dass Einer der Teufel des Anderen sein muß, ist Mitleid – d. h. das fremde Wohl wollen, und zwar aller lebenden Wesen –, die alleinige echte moralische Triebfeder, der feste Bürge für das sittliche Wohlverhalten. (...) Es beruht nicht auf Begriffen, Religionen, Dogmen, Erziehung, sondern es liegt in der menschlichen Natur selbst und gehört nirgends zu den, fremden Göttern’. Daher hat es eine reale Wirksamkeit und ist die wahre Grundlage der Moral.“ (Schopenhauer, Arthur, 2005, S. 155)
Der Alptraum des Kapitalismus liegt folglich im Gewissen und in der Seele jedes Einzelnen: Er handelt im günstigsten Fall nur zum eigenen Wohle, was keinen moralischen Wert hat, wie Schopenhauer urteilt. Grausamkeit will das fremde Weh. Im Kapitalismus wird auf alle Mittel zurückgegriffen und sie gezielt eingesetzt, die den Profit mehren. Auch diejenigen, deren Schädlichkeit bekannt ist. Eine Nebenwirkung des Kapitalismus ist Grausamkeit. Stichwort: Grenzwerte. Hier ist Grausamkeit, das Weh der anderen Menschen (nicht einmal in jedem Falle bewusst) wollen und für das eigene Wohl auf dem Konto zu sorgen, um sich alle Freiheiten dieser Welt zu gestatten, die mit Geld zu kaufen sind, zu konstatieren. Besonders jedoch ist Grausamkeit in Form von Gleichgültigkeit und Ignoranz, die weder von Verantwortung noch Folgen entbinden, zu finden. Gesteigert wird Grausamkeit durch bewusste Entscheidungen, Menschen mittels psychologischer Tricks und /oder Manipulationen und psychotherapeutischem Wissen sowie wissenschaftlichem Grundlagenwissen in jeder Form, hinters Licht zu führen und sie somit auf Wege zu dirigieren, die einzig dem eigenen Wohl der Urheber dienen. In der Regel ist das Ziel von Entscheidungen, Profit zu erzielen. Es geht nicht um primäre Bedürfnisbefriedung wie, dass jeder Mensch zu essen und ein Dach über dem Kopf habe, in Frieden und Sicherheit leben könne, und Kinder ihren Fähigkeiten und ihrer Intelligenz gemäß unterstützt werden. Mittels Intelligenz und kommunikativer Wohlüberlegtheit wird alles benutzt, um die kapitalistische Gralssuche zu perfektionieren: aus allem wird Profit gemacht. Dafür wird Mensch, Land, Erde, Luft und Zukunft geopfert. Werden Grenzen in der Wirtschaft und der Politik überschritten, die dem Menschen schaden, haben Menschen diese Grenzüberschreitungen in sich mittels ihrer Psycheund ihrem Körper auszugleichen – um ihre Seele zu schützen. In der Gegenwart kommt der Mensch an seine Grenzen, dies tun zu können.
Es könnte nun eine Aufstellung folgen, wie viele Menschen täglich verhungern, kein Dach über dem Kopf haben, missbraucht, vergewaltigt und hinters Licht geführt werden, und dadurch Schaden an Leib und Seele erfahren, sprich, wie viele Menschen auf die eine oder andere Art zusammenbrechen, weil die psychischen Abwehrleistungen für dieses Szenario des Wettlaufs, wer die Elite ist und wer die meisten Gewinne macht, nicht mehr standhalten. Krankenstandsziffern steigen im körperlichen und seelischen Bereich weltweit. Krankenkassen klagen und wollen ihrerseits Gewinne machen (dazu mehr in Band 2 und 3)
Es ist bekannt, unter welchen Bedingungen zum Beispiel Chinesen leben – trotzdem den Standort dorthin zu verlegen, um an billigen Arbeitskräften zu partizipieren und damit den Gewinn zu steigern, kann nicht als humanistische Tat, weil man Arbeit geben will, Darstellung und Akzeptanz finden. Oder die wirtschaftlichen Handlungen von Siemens in Ungarn, dessen langer Arm nun arme Menschen als Geschäftsführer für 15 Euro verkleidete und die infolgedessen wegen Steuerhinterziehung belangt werden, können nicht als „Hilfsleistung“, sondern als „Ausnutzleistung“ gewertet werden! Nokia ließ Mitarbeitern ihre Kündigung sachlich aus dem Fernsehen mitteilen. Die Mitarbeiter werden sich „bedanken“ für diesen Moment der Kündigung, den sie ihr lebtag nicht vergessen werden.
Das zu ziehende Fazit kann also nur lauten: Klare Wertebestimmung – der Mensch und seine Seele muss an erster Stelle in der Gesellschaft stehen und darf nicht zum Zweck der Gewinnerwirtschaft weiterhin gedemütigt werden.
Mitleid oder Mitgefühl für Menschen sind notwendig für eine grundlegende Um- und Neuorientierung. Weitere Proben und Ideen, wie Gefühle manipuliert und benutzt werden, indem von Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit und gleichem Recht für alle gesprochen, und das Gegenteil verwirklicht wird, sind out.
Zu differenzieren wäre, dass Mitleid oftmals eine Ungleichheit zwischen demjenigen, der mitleidet und demjenigen, der das Leid erfährt, assoziieren lässt. Derjenige, der andere Menschen bemitleidet steht sozusagen auf höherer Stufe – das ist hier aber nicht von Schoppenhauer gemeint: Gemeint ist, ein Mitfühlen auf gleicher, menschlicher Ebene. Dazu wäre es notwendig, dass jeder Mensch seine eigene emotionale Geschichte sicher wüsste, und sie als Bezugspunkt für das Begreifen dessen, was ein anderer gerade erlebt und fühlt, für sich zur Verfügung zu haben. Zum Beispiel differenzieren sich arme und reiche Menschen nicht dadurch von einander, dass sie unterschiedlich „fühlen“ oder „mitfühlen“. Menschen empfinden Mitgefühl! Tritt heutzutage der Faktor Arroganz hinzu, könnte man von „Mitleid“ sprechen: Der nicht vom Leid betroffene Mensch stellt sich in irgendeiner Form über den anderen – und sei es, dass er sich freut, nicht selbst betroffen zu sein. Eine weitere Steigerung wäre Schadenfreude: Sich freuen, wenn dem anderen ein Leid widerfährt...und man selbst nicht betroffen ist. Oder, ein Mensch erlebt innerlich eine Erhöhung (für die er nichts getan hat...), weil er ein Leid, das einem anderen angetan wurde, nicht erleben musste. Diese Erhöhung kann als Reaktion sekundenschnell eintreten, und wird manchmal als sekundenschnelle Distanzierung bemerkt: Selbst dann, wenn der betreffende Mensch, der vom fremden Leid hört, dies gar nicht möchte... Hier könnte es sich um einen seelischen Beleg dafür handeln, dass der das Leid Hörende in sich selbst das eigene Leid abgespalten hat...und nichts davon wissen will. Bei dem, was im Rahmen der Missbrauchsdebatte in 2010 in Deutschland mitgeteilt wird und wurde, dürften diese Erfahrung nicht wenige Menschen an sich selbst gemacht haben...unvermittelt gehen sie innerlich auf Distanz... Niemand will Opfer sein...niemand will sich selbst so sehen und wahrnehmen, wie er gerade den anderen Menschen, dem Furchtbares zugefügt wurde und dies mitteilt, wahrgenommen hat... Aus dieser Warte betrachtet, könnte das Missbrauchsthema in einem ungeheuren emotionalen Zuwachs an Bewusstheit in jedem Menschen gipfeln, das, richtig verstanden, in einer Vergebungssituation gipfeln könnte: Den Splitter im Auge des anderen sehen, aber den eigenen Balken nicht...
Die Täterseite fördert selbst redend noch weitere und andere Aspekte von Missbrauch, die ebenso wie bei Opfern, auf verschleierte und verheimlichte Familien- und Sozial- und Politikgeschichte verweisen, zu Tage. Wie sich in dieser Hinsicht Mitleid, Mitgefühl und Verständnis einerseits und Bestrafung, berufliche Konsequenzen und öffentliche Sichtweisen entwickeln, bleibt abzuwarten.
Bei dem Ausmaß an Missbrauch, Vergewaltigung und Gewalt in Deutschland (und sicherlich auch weltweit) ist die Frage, wie das möglich ist, nicht weit.
Mir drängt sich hier der Gedanke auf, das man Menschen den Krieg politisch nicht als Sondersituation weiß machen sollte: Im Krieg werden Männer zum Töten gezwungen – und man tut politisch und gesellschaftlich so, als sei dies kein Problem, da dazu passend die entsprechenden politischen und militärischen Gesetze geliefert wurden und werden. Man tut, als funktionierten Seele und Psyche so, als könne Menschen die Erlaubnis zum Töten gegeben werden