Das NOZ-Magazin 2015. Neue Osnabrücker Zeitung
Читать онлайн книгу.erkennt der Förster. Vor Wochen gefressen vom Wolf. „Er interessiert sich nicht so sehr für Mäuse oder Kaninchen“, sagt Wicks, der auch Jäger ist. „Der Wolf mag Rehe, Wildschweine und Damwild.“
Seit zwei Jahren tummelt sich ein Tier auf dem Schießplatz und hatte auf den Damwildbestand bisher keinen Einfluss, berichtet Wicks. Vor ein paar Wochen wurde bei einer Gemeinschaftsjagd an verschiedenen Orten innerhalb kurzer Zeit jeweils ein Wolf beobachtet, und „wir dachten, es könnten jetzt zwei Individuen sein. Aber Beweise ergaben sich noch nicht“, sagt Wicks.
Dank der Auswertung von Genmaterial, das an Damwildrissen und Losung genommen werden konnte, ist allerdings klar, dass schon mindestens zwei Fähen, also weibliche Wölfe, den Weg aus Ostniedersachsen in die Region gefunden haben. Wölfe verstoßen ihre Jungtiere nach spätestens zwei Jahren, und diese wandern dann auf der Suche nach einem eigenen Revier Hunderte Kilometer. Eine erste Wölfin erreichte also 2013 das Emsland und tappte bei Haren in eine Fotofalle. 2014 konnte man dann eine andere Fähe sowohl auf dem Schießplatz Nordhorn-Range als auch auf der WTD 91 nachweisen. Ob Wölfin eins auch noch vor Ort ist und ob es weitere Tiere gibt, das weiß niemand wirklich sicher.
Deshalb ist Björn Wicks den Wölfen auf der Spur, fährt nun auf einen Sandweg, der um das große Hochmoor herumführt. Er schaut wahlweise aus dem Fenster oder durch die geöffnete Fahrertür auf den Boden. So will er Wolfsspuren sichten, aber er entdeckt nur Schalenabdrücke von Damwild oder Rehen. Weiter geht es auf die Staverner Seite der Dose, und irgendwann entdeckt der Forstmann tatsächlich eine Fährte. Von der Landesjägerschaft Niedersachsen hat er eine Wolfsberatertasche mit allerlei Utensilien erhalten, aus der er nun dünne bunte Markierungsstifte herausnimmt. Wicks steckt sie in den Sandboden – an jedes Trittsiegel einen, und man erkennt schnell, dass die Spur ungerade verläuft. „Das ist eher Deutsch Drahthaar als Wolf“, tippt Wicks auf einen Jagdhund. Er will schon weiterfahren als er doch noch einige sehr große Tatzen entdeckt. Sein Zollstock weist zwölf Zentimeter Länge aus: „Das könnte ein Wolf gewesen sein“, meint er. „Aber selbst wenn: Das ist eine Galoppspur und nicht verwertbar.“ Wicks braucht ja den geschnürten Trab.
Weiter geht es zur letzten Etappe der Rundfahrt zurück auf die Harener Seite der Tinner Dose, vorbei an Standorten, an denen der Wolf gesehen wurde. Aber nichts. Ein paar Tage später ruft der Förster an: Am WTD-Rand bei Emmeln hat ein Försterkollege einen Hirschkadaver gefunden, Wicks will ihn untersuchen. Auf einem Rapsacker liegt das Tier, stark befressen von fast allen Seiten. Mehr als die Hälfte des Fleisches ist vertilgt, in der Kehle klafft ein Loch. Aber war es der Wolf?
Wicks vermisst Schleifspuren, macht Fotos, begutachtet die stark abgeschliffenen Zähne der Hirschkuh. „Deutlich älter als fünf Jahre“, sagt er. Vor 24 bis 48 Stunden hat der tödliche Kampf stattgefunden, bei dem das alte Stück mit Wucht in den Hals gebissen wurde. „Wolfstypisch“, sagt er, „die Tiere sind sofort tot.“ Aber um sicherzugehen, schärft Wicks mit einem Messer das Fell ab. „Das ist wichtig, weil ein Wolf charakteristische Bissmale verursacht, die besser zu sehen sind, wenn die Decke runter ist.“ Bedeutsam ist diese Unterscheidung spätestens dann, wenn Schafe gerissen werden und die Besitzer eine Entschädigung erwarten. Denn die gibt es nur, wenn ein Wolf nachgewiesen ist.
Wicks entdeckt nur ein charakteristisches Reißzahnloch. „Beide wären besser, dann könnte man den Abstand messen.“ Aber er geht dennoch davon aus, dass ein Wolf am Werk war. Die Gegebenheiten sind einfach zu typisch. Einen zweiseitigen Fragebogen gilt es auszufüllen, eine Stunde vergeht. Die endgültige Bewertung der Dokumentation wird dann von Fachleuten in Brandenburg vorgenommen. Ein Puzzleteil mehr bei der Vermessung des deutschen Wolfes.
Die Daten der niedersachsenweit 114 ehrenamtlichen Wolfsberater sind wichtig, um die Ausbreitung des Wolfes möglichst realistisch verfolgen zu können. Denn nur wer Bestand, Verhalten und Entwicklung kennt, kann sachkundig und ideologiefrei entscheiden, wie es mit dem Wolf weitergehen soll. Wicks jedenfalls glaubt, „dass wir uns mit ihm arrangieren müssen und werden, auch wenn er für Nutztierhalter und Jäger ganz sicher Veränderungen mit sich bringt.“
Für den Wildbestand auf der WTD wäre der Wolf vermutlich kein Problem. Damhirsche treten hier auch auf Äckern gerne in Kompaniestärke auf. Während Wölfe zum Beispiel in der Nutztierhaltung Kosten verursachen, könnten sie hier wirtschaftliche Schäden verringern helfen.
Aber ist der Wolf nun noch da? „Ja“, sagt Wicks. „Am 4. März ist ein Tier in eine Fotofalle bei Emmeln getappt, später wurde eines in Groß Berßen und Lahn gesehen. Sicher ist: 250 Jahre nach seinem Verschwinden aus dem Emsland ist der Wolf zurück. Ein Rudel dürfte eine Frage der Zeit sein.
Das Wolfsfoto ist dem Fotografen Jürgen Borris in der Lüneburger Heide in freier Wildbahn gelungen.
Björn Wicks auf Wolfssuche. (Tobias Böckermann)
Ein Fotofallenbild aus dem Emsland vom 4. März 2015. (Tobias Böckermann)
(Grafik: Heiner Wittwer)
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