Sex im Dritten Reich. Carsten Krystofiak

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Sex im Dritten Reich - Carsten Krystofiak


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größere Auswahl nackter Körperdarstellungen. Die Fülle der Aktskulpturen war Anlass vieler Witze unter den Volksgenossen.

      Hitler war in seiner Verehrung für die Antike „hingerissen in der Bewunderung alles Starken und Schönen und damit des Gesunden und Lebensfähigen!“ Teilweise trieb diese Bewunderung skurrile Blüten: Zu den Eröffnungsumzügen der Großen Münchner Ausstellungen im Haus der Deutschen Kunst zogen bis zu fünftausend Männer und Frauen in Togas auf historischen Motivwagen durch die Stadt. Zur Sensation wurde 1938 ein besonderes Spektakel im Nymphenburger Schloßpark:

      In „Leiber-Bildern“ stellten nackte Darstellerinnen die mythologische Götterhochzeit dar. Im ganzen Reich war diese „Nacht der Amazonen“ tagelang Gesprächsthema. Nur Fotos suchte man in den Zeitungen zum allgemeinen Bedauern vergeblich – die hatten die Machthaber dann doch lieber zensiert...

      Fotografie

      Heiß begehrt war das Fotomagazin „Deutsche Leibeszucht“, das vor Nacktbildern wimmelte. Die Aktfotos wurden mit ideologischen und fototechnischen Begleittexten bemäntelt. Ab 1940 erschienen die Bilder dann ganz ohne Alibi-Kommentare. Die gewagten Aktfotos in den Großformat-Mappen der „Lichtbild-Kunstblätter“ mit Titeln wie „Enthüllte Schönheit“ erschienen sogar ohne Nennung der Fotografen.

      Mit parteiamtlichem Segen zeigte auch das Heft „Geist und Schönheit“ regelmäßig nackte Damen bei „Körpergesängen ohne Musik und Bekleidung“, sogar in Farbe. Und selbst die SS-Hauszeitung „Das schwarze Korps“ druckte nackte Dünenszenen und neckische Wasserballspielerinnen ab. Natürlich nur zur Förderung arischer Anmut und Wehrkraft.

      Stark homoerotisch ist der Bildband „Sieg der Körperfreude“ (1940), der kolonnenweise ganz- und halbnackte germanische Helden bei „Licht- und Luftbädern“ zeigt. Im Olympiajahr 1936 posierte der Schweizer Athlet Frick textilfrei für ein „Schaubuch“ mit dem Titel „Der männliche Körper“ (Für 1,20 Reichsmark). Derweil witzelten die Deutschen, „1 Röhm“ sei die Maßeinheit für Energie, die nötig sei, um einen jungen Mann auf 175 Grad zu erwärmen. (In Anspielung auf den homosexuellen SA-Chef Röhm und den Paragraphen 175, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte.)

      Auch die Werbung der damaligen Zeit ging an Tabugrenzen: In einer Anzeige für eine Enthaarungscreme spricht der Text zwar von „Nackenhaaren“, das Motiv zeigt aber auf den Schritt einer Rhönrad-Turnerin mit gespreizten Beinen. Mit dem Slogan „Schön braun“ warb auch das Sonnenschutzöl „Nivea Ultra“ in Reklameanzeigen mit hüllenlosen Bräunungsfans. Braun war beautiful. Und selbstverständlich wird auch der „Blendax-Max“ dank seiner strahlend weißen Zähne in den illustrierten Inseraten von attraktiven Damen umschwärmt.

      Stetig wuchs die Zahl der Anleitungsbroschüren zur Aktfotografie für Amateure, die sogar Tipps enthielten, „wie man im Bekannten- oder Freundeskreis ein vorurteilsfreies weibliches Wesen findet…“ Für die „richtige Zusammenarbeit“ sei jedoch „die geistige Mitarbeit“ des Modells wesentlich. Pech für die Hobby-Aktfotografen: Ab 1939 blieben Kameras und Belichtungsmaterial zunehmend für die Front reserviert.

      Film

      Babelsberg produzierte nicht nur Durchhaltestreifen. Die Regisseure zeigten gerne viel Nacktes, meist mit einem exotischen Kontext entschärft. So thront der orientalische Pascha in „Münchhausen“ in einem Harem voller nackter Schönheiten, bis Filmheld Hans Albers in die Szene platzt. Die Spitzel des SD kritisierten: „Sehr auffällig ist der starke Andrang von Jugendlichen zu Filmen, die für sie verboten sind.“ Sie versuchten immer wieder, in Filme wie „Ehe in Dosen“ oder „Weltrekord im Seitensprung“ zu gelangen, obwohl der Streifendienst der Hitlerjugend Razzien durchführte.

      Auch die extra angekündigten Spätvorstellungen „volksbiologischer Aufklärungsfilme“ waren gerammelt voll. Der SD monierte, solche Filme würden „beim Publikum weit eher den Drang nach sexuellen Sensationen hervorrufen, als auf eine sachliche Unterrichtung hinweisen.“ Sogar das Fernsehen der Nazi-Ära zeigte in seinem Unterhaltungsprogramm sehr leicht bekleidete Tänzerinnen, die in Alibi-BH und Baströckchen umherhopsten. Die ersten Fernsehgeräte waren allerdings noch nicht für Privathaushalte verfügbar; das Programm wurde (und das auch nur in Berlin) in „Fernsehstuben“ ausgestrahlt – als „Public Viewing“.

      Das Mutterkreuz…

      Die niedrigste Stufe des Ehrenkreuzes der Deutschen Mutter gab es ab vier, die höchste für acht und mehr Kinder. Die amtliche Auszeichnung für vielfache Mütter wurde mit ebenso vielfachen Spottnamen bedacht, wie „Vervielfältigungsorden“ oder „Karnickelorden“.

      Tatsächlich genoss die Auszeichnung dennoch gutes Ansehen, nicht zuletzt durch eine beispiellose Werbekampagne zu Ehren der deutschen Mutter und Hausfrau. „Die Hausfrau muss entlastet werden!“, war Hitler ein persönliches Anliegen. Später wurde die rein reproduktive Rolle dieses Mutterkultes allgemein kritisiert. Schon ein zeitgenössischer Witz drückt das aus: Der örtliche Parteiführer will einen Bauern ermahnen, der am Sonntag die Hakenkreuzfahne nicht gehisst hat. Als er anklopfen will, liest er einen Zettel an der Tür: Wi flaggt nich binnen, wi flaggt nich buten; wi liegt im Bett und mokt Rekruten!

      Übrigens gibt es in Frankreich bis heute eine ähnliche Auszeichnung, die „Médaille de la Famille française“.

      …und eine schlimme Folge

      Dr. Sigmund Rascher war „Arzt“ im KZ Dachau. Aber keiner der heilte, sondern den Tod brachte. Mit 27 lernte er die 16 Jahre ältere Karoline, genannt „Nini“ kennen, die ihm vorschwindelte, 10 Jahre jünger zu sein. Bei einem Motorradausflug „kam es zum ersten Verkehr“. Ab da wusste Rascher, „dass ich nie mehr von dieser Frau loskommen werde“. Er war ihr sexuell hörig. Rascher bat bei Himmler um Heiratserlaubnis, wie es für SS-Angehörige Pflicht war. Himmler verweigerte die Erlaubnis nicht, riet aber ab, weil die Braut wegen ihres Alters wohl nicht mehr allzu viele Kinder bekommen könne. Das löste eine ungeahnte Kettenreaktion aus:

      Karoline Rascher „besorgte“ sich Kinder. In den Kriegsjahren waren viele Münchner froh, wenn sie ihre Kinder, auch Kleinkinder, in Sicherheit vor Bombenangriffen, aufs Land in gute Hände geben konnten. Rascher nahm die Kinder in Obhut – und gab sie vor ihrem Mann als ihre eigenen aus! Säuglinge entführte sie und tauschte sie später gegen ähnlich aussehende Buben aus. Die „Entbindungen“ inszenierte sie zuhause mittels roter Farbe. Ihrem Mann kam der Kindersegen zwar verdächtig vor, aber er fürchtete sich vor seiner dominanten Frau, die ihm so unheimlich wurde, dass er später bei der Kriminalpolizei darum bat, nicht mit ihr alleine gelassen zu werden.

      Nach vier angeblichen Geburten erhielt Karoline sogar das Mutterkreuz in Bronze. Als ihr die Polizei auf die Spur kam, hatte sie selbst den Überblick über die wahren Identitäten der mittlerweile neun geraubten Kinder verloren; die Kleinen konnten nicht in allen Fällen mehr den wahren Eltern zugeordnet werden. Karoline Rascher und ihr Mann kamen in Konzentrationslager und wurden vor Kriegsende hingerichtet.

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