Der Teufel von Tidal Basin. Edgar Wallace

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Der Teufel von Tidal Basin - Edgar Wallace


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unmöglich, sie wirklich kennenzulernen.«

      Marford nickte, dann schwiegen sie beide eine Weile.

      »Es tut mir sehr leid, daß ich Sie verliere«, sagte er schließlich. »Sie waren eine sehr tüchtige Helferin.«

      Sie kam nun zu einem schwierigen Punkt, denn sie wußte, wie empfindlich er in dieser Beziehung war.

      »Ich möchte der Klinik eine kleine Stiftung machen. Etwa tausend Pfund ...«

      Er hob die Hand, und sein Gesichtsausdruck zeigte, wie peinlich es ihm war, über solche Dinge zu sprechen.

      »Nein, nein, davon will ich nichts hören. Sie haben mir früher schon einmal den Vorschlag gemacht. Aber es ist wirklich genug, daß Sie die lange Zeit hier umsonst gearbeitet haben. Das war ein gutes Werk und mehr wert als alles Geld.«

      Sie wußte, daß er seine Meinung nie ändern würde. Aber wenn er ihre Stiftung zurückgehen ließ, wollte sie ihm am Tage ihrer Hochzeit das Geld anonym zukommen lassen.

      Unerwartet streckte er seine schmale Hand aus:

      »Ich hoffe, daß Sie glücklich werden«, sagte er.

      Diese Worte waren zu gleicher Zeit Glückwunsch und Entlassung.

      Sie überquerte die Straße bei der Endley Street. An der Ecke stand ein großer, hübscher Mann, dessen Haare an den Schläfen grau wurden. Janice erkannte Donald und war erstaunt, daß er sich ziemlich vertraut mit einer Dame unterhielt. Die Frau ging gleich darauf fort, und er kam lächelnd auf Janice zu.

      »Eine entsetzliche Gegend, mein Liebling. Ich freue mich, daß du bald von hier fortkommst.«

      »Mit wem hast du denn eben gesprochen?« fragte sie.

      Er lachte und sah der schlanken Gestalt nach.

      »Ach, meinst du die Dame? Es ist merkwürdig – sie hielt mich für ihren Bruder. Als sie ihren Irrtum bemerkte, kam sie in große Verlegenheit. Hast du gesehen, wie hübsch sie war?«

      Janices Wagen war in einer nahen Garage untergebracht. Früher hatte sie ihn vor der Tür stehen lassen, aber Dr. Marford hatte ihr davon abgeraten. Und er hatte auch recht behalten, denn in einer Woche hatten die Eltern der Kinder, die sie im Krankenhaus pflegte, aus dem Auto gestohlen, was sie nur nehmen konnten.

      Sie setzte sich ans Steuer, und er betrachtete sie wohlgefällig. Als sie an der Klinik vorbeifuhren, sah sie Dr. Marford am Fenster und winkte ihm zu.

      »Wer ist das?« fragte er leichthin.

      »Mein Chef.«

      »Dr. Marford? Schade, daß ich ihn nicht genauer gesehen habe. Er ist wohl eine große Nummer hier in der Gegend?«

      Sie lachte.

      »Ach, man spricht eigentlich verhältnismäßig wenig über ihn in Tidal Basin. Aber er ist wirklich ein ungewöhnlich selbstloser Mensch. Jeden Schilling spart er sich ab, um seine Klinik in Gang zu halten.«

      Während der Fahrt durch die City erzählte sie ihm dauernd von der Klinik und von den Verdiensten Dr. Marfords. Erst nach und nach gelang es ihm, die Unterhaltung wieder an sich zu reißen. Er sprach von Südafrika und seinen beiden Farmen. Die eine lag in der Wildnis von Rhodesien, die andere in der schönen Gegend von Paarl.

      »Das Leben dort unten wird dir allerdings etwas einsam vorkommen, obwohl es natürlich gesellschaftlichen Verkehr gibt. Ich bin sehr bekannt –«

      »Dort drüben ist jemand, der dich kennen muß«, sagte sie lachend.

      Er wandte schnell den Kopf, konnte aber in der vorbeiflutenden Menge kein bekanntes Gesicht erkennen.

      »Wo?«

      »Dort – der dunkle Herr. Er steht bei dem Strumpfgeschäft.«

      Er schaute hin und runzelte die Stirn.

      »Ach ja, ich kenne ihn, wenn auch nicht besonders gut. Ich habe einmal ein Geschäft mit ihm gemacht, bei dem ich viel verdiente, und das hat er mir nicht vergeben.« Plötzlich änderte er das Thema. »Liebling, ich kann dich heute Abend leider nicht ins Theater mitnehmen. Bist du mir sehr böse?«

      Ihm böse sein? Sie war zu glücklich dazu, und sie stand zu sehr unter dem Eindruck dieses ungewöhnlichen Abenteuers. Dieser hübsche, fremde Mann war aus dem Nichts in ihr Leben getreten, und sie war noch so wenig an ihn gewöhnt, daß sie nur scheu seinen Namen aussprach. In ihm erfüllten sich ihre kühnsten Träume, aber er stand gleichsam immer noch außerhalb des Bereichs der Wirklichkeit für sie.

      Zehn Tage kannte sie ihn nun, aber diese kurze Zeit erschien ihr wie eine Ewigkeit. Während der Fahrt war sie ein paarmal nahe daran, ihm die Überraschung mitzuteilen, die sie für ihn plante. Er liebte sein Haus über alles, und zu gern hätte er das Nachbargrundstück neben seiner Farm in Paarl besessen. Für achttausend Pfund stand es zum Verkauf, und er hatte ihr begeistert davon erzählt, welche Vorteile es hätte, wenn er seinen Landbesitz vergrößern könnte.

      Als sie durch Piccadilly Circus fuhren, sprach er gerade wieder davon.

      »Du hast mich ehrgeizig gemacht, Liebling. Aber ich bin nur ein armer Farmer und habe nicht genügend Geld. Ich sehe schon, daß diese prachtvolle Farm für mich verlorengeht.«

      Wieder kam sie in Versuchung, ihm ihr Geheimnis anzuvertrauen. Sie hatte einen Freund in Kapstadt, einen jungen Rechtsanwalt, den sie von Oxford her kannte. Diesen hatte sie am Morgen telegrafisch ersucht, die Farm zu kaufen.

      Vor ihrer Wohnung in Bury Street trennte er sich von ihr.

      »Ich bin wirklich zu traurig, daß ich die Farm nicht kaufen kann«, sagte er zum Abschied. »Wenn ich morgen nur viertausend Pfund telegrafisch überweisen könnte, wäre das Geschäft perfekt.«

      Sie lächelte rätselhaft und träumte später in ihrem Zimmer von grünen Abhängen und hohen, sonnenbeschienenen Felsenbergen, wo kleine Affen Tag und Nacht in den Zweigen, der Bäume turnten.

      Als sie abends um zehn ins Bett gehen wollte, erhielt sie ein Telegramm, das sie vollständig aus der Fassung brachte. Sie brauchte jemand, der ihr in diesem Augenblick raten und helfen konnte, und es war merkwürdig, daß sie zuerst an Mike Quigley dachte. Aber als sie mit zitternder Hand den Hörer vom Telefon nahm, um ihn anzurufen, erfuhr sie, daß er nicht in der Redaktion war. Hastig kleidete sie sich wieder an.

      4

      Als Janice gegangen war, machte sich Dr. Marford daran, die Medizinen zu bereiten, die er seinen Patienten im Laufe des Tages verschrieben hatte. Das war gewöhnlich seine Abendbeschäftigung.

      Die Arbeit befriedigte ihn aber nicht, und er ging zu seinem Schreibtisch zurück, wo Stöße von Papieren und Rechnungen auf ihn warteten. Leider arbeitete er in seiner Klinik mit Defizit, denn es waren ständig neue Apparate und Einrichtungsgegenstände zu kaufen. Auch die Berichte über das Erholungsheim in Eastbourne zeigten eine Unterbilanz. Aber trotzdem verlor er den Mut nicht.

      In den nächsten Tagen erwartete er größere Überweisungen von einem Mann aus Antwerpen und einem anderen aus Birmingham, die ihm regelmäßig Geld schickten. Er legte die Papiere zusammen und verschloß sie in einer Schublade. Dann stand er auf und trat durch eine Seitentür auf den Hof hinaus.

      Es war ein geräumiger Platz. An dem einen Ende stand der große Schuppen, in dem der alte Gregory Wicks gegen geringe monatliche Miete sein Auto unterstellte.

      Dieser Chauffeur war ein kräftiger, eigenwilliger Mann, stets schweigsam und zurückhaltend anderen Leuten gegenüber. Niemals stellte er sich mit anderen Taxis in eine Reihe, und er unterhielt sich auch nicht mit seinen Kollegen. Aber weit und breit war er wegen seiner Ehrlichkeit bekannt. Große Summen und kostbare. Wertsachen, die in seinem Wagen liegengeblieben waren, hatte er schon bei der Polizei abgeliefert.

      Mit Ausnahme von Dr. Marford, mit dem er gelegentlich plauderte, hatte er vor keinem Menschen Respekt. Trotz seines hohen Alters war er stark und gewandt und stand noch seinen Mann beim Boxen.


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