Das Gesicht im Dunkel. Edgar Wallace

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Das Gesicht im Dunkel - Edgar Wallace


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ein, und Dick eilte zu dem Zeitungsstand, um noch ein paar Magazine für sie zu kaufen.

      »Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, Mr. –? Ich heiße Audrey Bedford.«

      »Ich werde es nicht vergessen!« rief er ihr nach, als sich der Zug schon in Bewegung setzte.

      Nachdenklich kehrte er zu seinem Wagen zurück. Mrs. Elton war ihre Schwester, die berüchtigte Verbrecherin, die er seit langem zu fassen suchte!

      4

      Lacy Marshalt hatte einst als Senator dem Gesetzgebenden Rat von Südafrika angehört und führte seitdem zur größten Belustigung seines Kammerdieners Tonger den Titel Honourable, »der Ehrenwerte«.

      An einem trüben Morgen stand er am Fenster und starrte verdrießlich in den Regen hinaus, als Tonger die Post hereinbrachte. Er griff nach einem blauen Umschlag, riß ihn auf und las:

      »Alles in Ordnung. Es geht zu Ende mit ihm.«

      »Schick ihm zwanzig Pfund!« sagte er und warf Tonger den Brief zu.

      »Ob der wirklich aus Matjesfontein kommt?« meinte der Diener nachdenklich, nachdem er die Mitteilung auch gelesen hatte.

      »Hast du den Poststempel nicht gesehen?«

      »Hm, ja! Hören Sie mal, Lacy, wer ist eigentlich der Kerl, der nebenan wohnt? Malpas heißt er. Gestern sprach ich mit einem Polizisten, und der sagte, der Kerl müßte nicht richtig im Kopf sein. Wohnt ganz allein und macht alle Hausarbeit selbst. Wer kann das nur sein?«

      »Du scheinst ja schon alles zu wissen – was fragst du mich noch?«

      »Wenn er es nun wäre?«

      »Mach, daß du hinauskommst, du Esel!« fuhr ihn Marshalt an.

      »Der Privatdetektiv, den Sie bestellt haben, wartet draußen«, erwiderte Tonger gleichgültig.

      Lacy stieß einen Fluch aus.

      »Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Jeden Tag wirst du dümmer. Laß das blöde Grinsen und bring den Mann herein!«

      Der schäbig aussehende Detektiv, der hereintrat, überreichte Lacy ein Photo.

      »Ich habe sie gefunden und rasch diese Aufnahme von ihr gemacht. Das ist sie – sie heißt Audrey Bedford. Ihre Mutter ist tot – seit fünf Jahren. Aber auch von der habe ich ein Bild – auf einer Gruppenaufnahme.« Er wickelte ein größeres Blatt aus, das ihm Lacy schnell aus der Hand nahm.

      »Mein Gott! Ja, gleich als ich das Mädchen sah, hatte ich ein Gefühl –«

      »Sie kennen sie also, Mr. Marshalt?«

      »Nein! Was treibt sie? Lebt sie allein?«

      »Ja, bis jetzt. Aber vor kurzem hat sie ihr Haus verkaufen müssen. Sie soll mittellos sein und ist gestern nach London abgereist.«

      »Bildhübsch, nicht wahr?«

      »Ja, ungewöhnlich schön. Leider hatte ich das Pech, daß Captain Shannon im Gasthof von Fontwell abstieg, um einen Reifen auszuwechseln.«

      »Wer ist Shannon?«

      »Ein hohes Tier von Scotland Yard. Aber was ich in Fontwell vorhatte, hab ich ihm nicht verraten. Er hat mich aber fürchterlich ausgeschimpft, weil ich mich für einen Kriminalbeamten ausgegeben hatte.«

      Lacy schien kaum zuzuhören.

      »Verschaffen Sie mir vor allem Miß Bedfords Adresse, und versuchen Sie, mit ihr bekannt zu werden. Geben Sie sich für einen Geschäftsmann aus – borgen Sie ihr Geld – aber hüten Sie sich, sie ängstlich zu machen!« Er nahm ein paar Banknoten aus seiner Brieftasche und drückte sie dem Mann in die ausgestreckte Hand. »Bringen Sie das Mädel einmal zum Abendessen her«, fügte er leise hinzu.

      Der Detektiv machte große Augen und schüttelte den Kopf.

      »So was liegt mir nicht«, murmelte er.

      »Ich will nur mit ihr sprechen. Sie bekommen fünfhundert.«

      »Fünfhundert? Na, ich will sehen ...«

      Als der Mann gegangen war, trat Lacy ans Fenster.

      Er rühmte sich, keine Furcht zu kennen. Rücksichts- und reuelos hatte er Menschenherzen zertreten, um an sein Ziel zu kommen. In drei Erdteilen fluchten Frauen seinem Andenken, brüteten Männer Rache. Er aber fürchtete nichts. Er haßte Dan Torrington und wußte nicht, daß Haß nur aus Furcht entsteht.

      5

      Dick begrüßte seinen Assistenten Steel, der in seiner Wohnung auf ihn wartete, mit einer Frage.

      »Wissen Sie etwas über Dora Eltons Verwandte?«

      »Nein. Hat die denn überhaupt Verwandte?«

      »Vielleicht weiß Slick darüber Bescheid. Ich habe ihn zu sechs Uhr herbestellt. Ist übrigens die Leiche identifiziert worden?«

      »Nein. Aber nach den Schuhen und dem Tabaksbeutel zu urteilen, kam der Mann aus dem Ausland, wahrscheinlich aus Südafrika. Vielleicht ist er mit der ›Buluwayo‹ oder der ›Balmoral Castle‹ angekommen. Haben Sie mit dem Bognor-Mann wegen der Diamantenkette gesprochen?«

      »Ja, aber er behauptet, er hätte sich mit Elton verkracht und wüßte nicht, was der vorhätte. Eltons Haus wird doch bewacht, nicht wahr? – Gut. Ich glaube nicht, daß vor heute Abend um dreiviertel neun etwas geschieht. Um diese Zeit wird die Kette die Curzon Street verlassen, und ich werde ihr persönlich nach ihrem Bestimmungsort folgen, weil mir viel daran liegt, das fünfte Mitglied der Bande kennenzulernen. Vermutlich ist es ein Ausländer. Und dann werde ich Dora Elton endlich haben.«

      »Denken Sie nicht, daß es Bunny sein könnte?«

      »Der hat wohl Mut, aber doch nicht so viel, daß er mit einer gestohlenen Kette durch London spaziert, die von der gesamten Polizei gesucht wird. Das ist nichts für Bunny. Seine Frau wird es versuchen.« Dick sah auf die Uhr. »Vor einer halben Stunde ist sie angekommen. Ich möchte nur wissen –«

      In diesem Augenblick erschien Mr. Slick Smith, wie immer sorgfältig gekleidet, selbstbewußt und sorglos. Steel nickte ihm grinsend zu und verließ das Zimmer.

      »Schön, daß Sie kommen«, sagte Dick Shannon. »Sie haben recht behalten – der Schmuck ist weg, und Elton ist in die Geschichte verwickelt.«

      Slick zog spöttisch die Augenbrauen hoch.

      »Wirklich? Nicht zu glauben!«

      »Lassen Sie Ihre ironischen Bemerkungen. Wissen Sie eigentlich etwas über Mrs. Elton?« fragte Dick und schob ihm die Whiskyflasche zu.

      »Eine reizende Dame – entzückende Person! Früher war sie ein braves Mädchen, aber eine schlechte Schauspielerin. Vermutlich hat sie Elton geheiratet, um einen besseren Menschen aus ihm zu machen.«

      »Hat sie eine Schwester?« erkundigte sich Dick gespannt.

      Slick leerte sein Glas.

      »Wenn sie eine hat, möge ihr Gott gnädig sein!« erwiderte er.

      Audrey hatte eine Viertelstunde auf dem Victoria-Bahnhof zugebracht und die Anschläge über den Raub der Diamantenkette studiert, während sie vergeblich auf Dora wartete. Schließlich bat sie einen Polizisten um Auskunft und benutzte den von ihm empfohlenen Omnibus, um nach der Curzon Street zu fahren. Ein zierliches Zimmermädchen öffnete ihr.

      »Mrs. Elton ist beschäftigt«, sagte sie. »Kommen Sie vielleicht von Seville?«

      »Nein, ich komme aus Sussex. Bitte melden Sie Mrs. Elton, daß ihre Schwester hier ist.«

      Das Mädchen führte sie in ein kleines Wohnzimmer und ließ sie dort allein. Audrey redete sich ein, daß der Brief, in dem sie Dora ihre bevorstehende Ankunft mitgeteilt hatte, verlorengegangen sein müsse. Die


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