Töchter der Nacht. Edgar Wallace

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Töchter der Nacht - Edgar Wallace


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Kennst du sie?« wandte sie sich an ihren Mann.

      Frank schüttelte den Kopf.

      »Sie ist nicht aus New York«, erklärte Jim. »Ich glaube, sie ist in Virginia zu Hause und kommt regelmäßig hierher. Es ist sogar gewiß, daß sie wieder in diese Gegend kommt, denn sie hat ihre Juwelen bei uns deponiert – ich wünschte, sie hätte es nicht getan. Ich hasse die Verantwortung, Diamanten im Wert von hunderttausend Pfund in unserer Stahlkammer aufzubewahren. Sobald die Dame unterwegs ist, schicke ich die Schmucksachen nach London, damit man sie dort aufbewahrt.«

      »Mrs. Markham«, sagte Frank nachdenklich. »Es ist doch merkwürdig, daß wir sie nie getroffen haben. Ist sie jung oder alt?«

      »Jung«, erwiderte Jim. »Ich selbst habe sie nie gesehen, höchstens aus einiger Entfernung. Sie überläßt die Verwaltung ihrer Vermögensangelegenheiten ganz ihrem Butler, einem etwas selbstbewußten Herrn. Er nennt sich Winter und ist ein typischer Vertreter dieser etwas anmaßenden Bedientenklasse. Sanderson hat alle geschäftlichen Dinge erledigt, soweit sie Mrs. Markham betreffen, daher weiß ich wenig über sie. Nur habe ich gehört, daß sie eine sehr liebenswürdige Dame und ungeheuer reich sein soll. Sie ist Witwe und bringt fast ihre ganze Zeit damit zu, Landschaftsbilder von dieser Gegend zu malen. Aber ich glaube ja nicht, daß Sie drei noch andere Gesellschaft brauchen. Wahrscheinlich werden Sie sowieso viele Bekannte treffen. Haben Sie eine Reihe von Zimmern belegt?«

      Frank nickte.

      »Ja, wir haben die Flucht B der Staatskabinen, die besten Passagierräume auf dem Schiff. Eine gute Freundin von Cecile fährt auch mit, Mrs. Dupreid. Jane fährt doch mit uns?« wandte er sich an seine Frau.

      »Ja, ich habe heute morgen noch einen Brief von ihr bekommen. Sie haben vollkommen recht, Mr. Bartholomew, man braucht nicht viele Bekannte an Bord des Schiffes. Seereisen deprimieren mich immer so schrecklich. Ich glaube, daß meine Freundin gerade keine große Errungenschaft ist, wenn sie uns auf der Reise begleitet.« Sie lächelte ein wenig. »Jane wird leicht seekrank und hält sich gewöhnlich in ihrer Kabine auf, bis das Schiff Sandy Hook erreicht.«

      Das Gespräch drehte sich jetzt um Schiffe und Passagiere und wurde hauptsächlich von Frank Cameron und Jim geführt.

      Margot war außerordentlich ruhig und nachdenklich, so daß es Cecile schließlich auffiel.

      »Aber Margot, du beteiligst dich ja gar nicht an der Unterhaltung – was ist denn los?«

      Margot schrak aus ihren Träumen auf.

      »Ach, es ist doch schlimm, daß du auch alles gleich merkst«, entgegnete sie lachend. »Es ist fast wie mit den Schiffsmaschinen. Wenn die auf der Fahrt plötzlich anhalten, wacht man auch auf. Wenn ich offen sein soll, bin ich ein wenig traurig gestimmt, daß ich diese Gegend hier verlassen soll.«

      Frank sah von seiner Schwester zu Jim hinüber und lächelte.

      »O ja, das verstehe ich schon«, sagte er dann.

      »Ich glaube, ich werde vor der Zeit alt«, meinte Margot. »Seit einiger Zeit mag ich nicht mehr sooft meinen Aufenthaltsort wechseln.«

      »So geht es mir auch«, erklärte Frank. »Aber einer von uns beiden muß nach den Staaten hinüberfahren, Margot. Wir müssen die Angelegenheit mit dem Landsitz von Tante Martha regeln.«

      Er sah, daß Jims Augen aufleuchteten und grinste.

      »Das klingt, als ob wir nur kurze Zeit drüben bleiben und bald wiederkehren würden. Aber wenn ich einmal nach den Staaten hinüberfahre, dann muß ich auch die Minen besuchen, für die ich mich interessiere. Und den Winter muß ich in Kalifornien zubringen.«

      Jim seufzte.

      »Nun, Sie werden mich, wenn Sie zurückkommen, wieder hier finden mit allem, was zur Stadt gehört. Und wenn Sie dann zurückkehren, habe ich inzwischen Tafeln an all den verschiedenen Gebäuden angebracht zur Erinnerung an Ihren Aufenthalt hier. Ich werde eine recht traurige und einsame Zeit erleben.«

      »Vielleicht kommt ein Zirkus und bringt Ihnen ein wenig Zerstreuung«, neckte ihn Margot.

      »Mir bleibt nur zweierlei übrig«, sagte Jim feierlich. »Entweder eröffne ich eine Farm für Schafe oder ich werde ein Räuber, plündere die Depots unserer Bank und knalle alle Leute nieder, die mir in den Weg treten. Zur Zeit lohnt es sich schließlich auch noch, einen solchen Einbruch zu versuchen«, sagte er und nickte nachdenklich. »Die schöne Mrs. Markham hat ja ihre Diamanten bei uns deponiert.«

      »Warum sagen Sie immer ›die schöne Mrs. Markham‹? fragte Margot ein wenig gereizt.

      »Weil mir nichts Besseres einfällt.«

      »Nun, ich würde Ihnen aber den Rat geben, nicht eher mit Ihrer verbrecherischen Laufbahn zu beginnen, als bis wir die Stadt verlassen haben«, sagte Frank und reichte Cecile die leere Tasse zurück.

      »Ach, was für ein wundervoller Ring«, bemerkte Jim plötzlich und sah auf die Hand von Mrs. Cameron, die errötete.

      »Ist er nicht schön?« fragte Frank. »Ich möchte ihn Bartholomew einmal zeigen.«

      Sie zögerte einen Augenblick, zog ihn dann vom Finger und gab ihn dem Gast. Es war ein breiter, goldener Reifen, gehämmert und handmodelliert. Die besondere Form hatte Bartholomews Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Er trug den Ring zum Fenster und prüfte ihn aufmerksam. Es waren drei Schlangen mit Frauenköpfen, herrlich ausgearbeitet, obwohl die Gesichter kaum drei bis vier Millimeter groß waren.

      Bewundernd betrachtete er, wie sich die Schlangenleiber ineinander verflochten. Dann brachte er den Ring Mrs. Cameron zurück.

      »Die Töchter der Nacht«, sagte er. »Ein wundervolles Stück Goldschmiedearbeit!«

      »Die Töchter der Nacht?« Mrs. Cameron runzelte die Stirn. »Ja, es sind die drei Furien, die römischen Göttinnen, die die Verbrecher bestrafen.«

      »Ich habe noch nie gehört, daß man sie die ›Töchter der Nacht‹ nennt«, sagte Cecile Cameron langsam, während sie den Ring wieder an den Finger steckte.

      »Die Töchter der Nacht!«

      »Meine mythologischen Kenntnisse sind auch nicht die besten.« Jim lächelte. »Auf die Bezeichnung kann ich mich jedoch noch sehr genau besinnen. Aber ganz abgesehen davon, es ist ein wirklich ausgezeichnetes, prachtvolles Stück.«

      »Sie haben Glück, daß Sie den Ring sehen«, meinte Frank. »Meine Frau trägt ihn nur an einem Tag im Jahr, und zwar an dem Datum, an dem ihr Vater starb. Stimmt das nicht, Liebling?«

      Mrs. Cameron nickte.

      »Mein Vater hatte zwei gleiche Ringe, einen gab er meiner Schwester, einen mir. Er war ein großer Spezialist und Kenner in diesen Dingen und hat den Ring nach einem Original kopiert, das sich jetzt im Louvre befindet. An den Ring selbst knüpfen sich unangenehme Erinnerungen, aber mein Vater war sehr stolz darauf. Einmal im Jahr, an seinem Todestag, trage ich ihn zur Erinnerung.«

      Sie erwähnte ihre verstorbene Schwester nicht, aber Jim vermutete, daß das die unglückliche Erinnerung bedeutete.

      »Der Ring ist wertvoll«, bemerkte er, »denn Sie werden wohl erfahren haben, daß das Original im Jahre 1908 aus dem Museum gestohlen wurde. Und dann wären dies die einzigen Kopien, die davon existieren.«

      Margot hatte sich erhoben, ging zu dem Flügel und spielte leise. Jim war regelmäßig ein andächtiger Zuhörer, und auch jetzt nahm er seinen Stuhl und setzte sich neben sie.

      »Spielen Sie doch etwas, damit meine aufgepeitschten Nerven zur Ruhe kommen«, sagte er.

      »Sie haben gar kein Recht, hier aufgepeitschte Nerven zu haben. So ein junger Mann wie Sie!« erwiderte sie und schwieg dann plötzlich. »Wo werden wir nur nächste Woche alle sein?« fragte sie nach einer Weile nachdenklich.

      »Mit welchem Dampfer fahren Sie denn?«

      »Mit der ›Ceramia‹.«

      »Ach so, mit dem modernen,


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