Töchter der Nacht. Edgar Wallace

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Töchter der Nacht - Edgar Wallace


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      »Mr. Winter ist da«, meldete ein Angestellter.

      »Bitten Sie ihn herein.«

      Ein untersetzter, schwarzhaariger Herr mit freundlichem Blick trat ein, reichte dem Bankbeamten die Hand und setzte sich Sanderson gegenüber. Dann nahm er ein rotes Formular aus seiner Brieftasche und gab es Sanderson. Dieser prüfte es eingehend.

      »Nun, Mr. Winter, ich glaube, Ihre Lady ist in ziemlicher Aufregung wegen dieser Reise nach Amerika?«

      »Nein«, entgegnete Winter lächelnd, »deswegen regen wir uns in Tor Towers nicht besonderes auf. Das Leben hier war gerade nicht sehr kurzweilig. Soweit war ja alles in Ordnung, ich meine mit dem Essen und der Bequemlichkeit, aber man bekam nichts zu sehen, es war furchtbar tot.«

      »Wann werden Sie aufbrechen?«

      »Heute Abend fahren wir im Auto bis Bournemouth und gehen dann morgen früh an Bord.«

      »Nun, Sie haben jedenfalls eine sehr interessante Reise vor sich, Mr. Winter.«

      Der Butler rieb nachdenklich sein Kinn.

      »Das ist möglich, es kann aber auch anders kommen«, erwiderte er vorsichtig. »Ich bin noch niemals außerhalb Englands gewesen, und ich weiß nicht, wie ich mich mit diesen Amerikanern vertragen werde. Natürlich ist Mrs. Markham sehr gut; wenn sie alle so wären, ginge es vorzüglich. Aber ich bin noch niemals an Bord eines Schiffes gewesen – und da weiß man doch noch nicht so recht Bescheid wegen des Seegangs und so – ich bin ein wenig nervös.«

      »Ach, daran werden Sie sich bald gewöhnen.«

      Sanderson klingelte und reichte dem Angestellten den Scheck von Mrs. Markham. »Bringen Sie bitte den Betrag herein und zahlen Sie ihn in meinem Büro aus.«

      »Ich möchte Sie noch um einen Gefallen bitten«, sagte Mr. Winter mit leiser Stimme und lehnte sich über den Tisch vor. »Mrs. Markham ist ein wenig nervös und ängstlich wegen der Juwelen, die sie Ihnen zur Aufbewahrung übergab, und sie bat mich, daß ich mich überzeugen sollte, ob sie auch richtig eingepackt sind. Ich kann Ihnen gegenüber ja ganz offen sein – sie möchte wissen, ob sie tatsächlich noch hier auf der Bank sind.«

      Sanderson mußte lächeln.

      »Darüber braucht sie sich wirklich keine Sorgen zu machen. Die Juwelendiebstähle in der letzten Zeit haben sie wahrscheinlich ängstlich gemacht.«

      »Ja, das stimmt. Mylady sagt, daß sie schon einmal bestohlen wurde, während sie sich in den Vereinigten Staaten aufhielt, und das hat sie vorsichtig gemacht.«

      »Nun, da kann sie sich beruhigen.« Sanderson erhob sich und ging zur Stahltür an dem einen Ende seines Zimmers.

      Er machte sich mit zwei Schlüsseln daran zu schaffen; gleich darauf sprang die große, schwere Safetür auf, und er verschwand in der Stahlkammer.

      Wenige Augenblicke später kam er mit einem kleinen Paket in braunem Papier zurück.

      »Wollen Sie, daß ich es vor Ihren Augen öffne?« fragte er und zeigte auf die unverletzten Siegel.

      »Nein, das nicht. Sie läßt Sie bitten, das Papier ein wenig aufzureißen, so daß ich hineinsehen und mich überzeugen kann, ob die Juwelen noch in dem Glaskasten sind.«

      »Der Glaskasten war übrigens eine gute Idee von Mrs. Markham.«

      Sanderson riß eine Ecke des Papiers vorsichtig ein, so daß man den länglichen Glaskasten sehen konnte. »Hier sind sie.«

      Mr. Winter beugte sich vor und sah respektvoll auf die Lücke, in der ein kleiner Teil des Diamanthalsbandes sichtbar wurde. Die Steine glänzten in den Lichtstrahlen, die darauf fielen.

      »Das wäre also alles in Ordnung«, sagte der Butler.

      »Hier ist ein neues Siegel von Mrs. Markham.«

      Er reichte ihm eine gummierte, runde Papierscheibe, auf der mit Tinte das Datum und ›Stella Markham‹ geschrieben war.

      »Wozu soll das sein?« fragte Sanderson überrascht.

      »Sie ist geradezu großartig, sie denkt auch an alles. ›Winter‹, sagte sie zu mir, ›wenn Mr. Sanderson das Packpapier eingerissen hat, dann kleben Sie dieses Siegel auf die beschädigte Stelle damit man deutlich sehen kann, daß die Hülle nach der Inspektion wieder geschlossen worden ist.‹« Er feuchtete das runde Papier an, indem er sich bei Sanderson entschuldigte, und drückte es auf die eingerissene Stelle.

      »Da unten geht gerade ein Herr vorbei, den Mrs. Markham nicht leiden mag«, sagte er dann und zeigte mit dem Kopf nach dem Fenster, durch das man auf die High Street sehen konnte.

      Sanderson folgte mit den Blicken der angegebenen Richtung und sah den Rücken einer untersetzten Gestalt. »Wer ist denn das?« fragte er.

      »Der Farmer Gold, ein sehr unangenehmer Mensch. Er hat Mylady neulich von seinen Feldern verwiesen, als sie eine kleine Landschaftsskizze machte.«

      »Das wundert mich. Er ist für gewöhnlich sehr nett. Also, ich werde das Päckchen wieder in die Stahlkammer bringen, und Sie können Mrs. Markham die Versicherung geben, daß ihre Juwelen vollkommen in Sicherheit sind.«

      In dem Augenblick kam der Angestellte mit dem Geld. Mr. Winter zählte es vorsichtig nicht ein-, sondern dreimal nach, bevor er es einsteckte, dann erhob er sich, um zu gehen. Aber Sanderson hielt ihn zurück.

      »Ich möchte Sie noch in einer besonderen Angelegenheit sprechen, Mr. Winter, wenn Sie fünf Minuten für mich Zeit haben. Sie reisen nach Amerika. Sind Sie in der Lage, einige Informationen für mich zu sammeln, besonders während Sie an Bord des Dampfers sind?«

      »Wenn ich nicht seekrank werde. Davor habe ich jetzt schon Angst.«

      »Ach, so schlimm wird das nicht gleich werden. Auf jeden Fall können Sie umhergehen«, protestierte Sanderson lachend. »Mr. und Mrs. Cameron werden mit Ihnen zusammen an Bord sein.«

      »Cameron?« fragte Winter erstaunt.

      »Ja.«

      »Sind das Leute vom Lande? Kenne ich sie?«

      »Ich weiß nicht, ob Sie mit ihnen bekannt sind, aber sie wohnen hier in dieser Stadt.«

      »Ach ja, die Amerikaner!« Winter nickte. »Jetzt weiß ich, wen Sie meinen.«

      Und nun sprach Sanderson längere Zeit vertraulich mit ihm. Es dauerte auch länger als fünf Minuten, denn er mußte den Butler, um alles erklären zu können, ins Vertrauen ziehen. Jim hörte, daß sich Sanderson lange mit jemand eifrig unterhielt; als er durch die Glastür sah, bemerkte er das ernste Gesicht seines Assistenten und lächelte.

      Er schloß den Brief, den er eben geschrieben hatte, und ging in die äußeren Büroräume.

      »Ist Mrs. Cameron schon hiergewesen?«

      »Nein«, entgegnete der Angestellte. »Mr. Winter, der Butler von Mrs. Markham, ist drüben in dem anderen Büro.«

      »Dann bestellen Sie Sanderson, daß ich in zehn Minuten wieder hier bin«, sagte Jim und ging auf die High Street hinaus.

      Er war unruhig und ungeduldig, denn er sehnte sich so sehr danach, noch einmal in Margots Gesicht zu schauen, die sobald abreisen wollte, und die er vielleicht nie wiedersehen würde. Er ging in der Richtung auf Camerons Haus durch die Stadt und war auf sich selbst ärgerlich, daß er so unvernünftig war. Als er die Hälfte des Weges nach Moor Hill zurückgelegt hatte, sah er ein großes Auto, das ihm langsam entgegenkam. Er hob den Arm, und der Wagen hielt.

      Cecile Cameron winkte ihn heran.

      »Wohin gehen Sie denn schon so früh?« fragte sie.

      Neben ihr saß Margot, die wohl ahnte, warum Jim den Hügel hinaufstieg. Sie war sehr gespannt, welche Ausrede er gebrauchen würde.

      »Ich kam, um Sie zu sehen«, entgegnete Jim, öffnete die Tür des Wagens und ließ sich auf einem der hinteren Sitze nieder.

      »Und


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