Was zu beweisen wäre. Jürgen Heller
Читать онлайн книгу.spannenden Abend hoffen.
"Wohin soll es denn gehen? Hast du einen Plan? – Ich dachte, wir gehen zusammen etwas essen und ich erzähle dir von meinen Erkundungen."
Sie schaut ihn mit einer Mischung aus Fragezeichen und Vorwurf an, wobei sie ihre rechte Augenbraue etwas hochzieht. Schön ist sie allemal, gerade wenn sie wütend ist, aber Bruno ist irritiert, weiß nicht was sie will.
"Ich will jetzt nicht essen, ich habe eine Verabredung mit Inspektor Werner Deininger. Der will mir alle Fakten des derzeitigen Standes der Ermittlungen geben und dann wollen wir gemeinsam überlegen, wie es weitergehen soll. Das haben wir noch gestern Abend besprochen. Er war sehr entgegenkommend."
Na tolle Wurst. Er war sehr entgegenkommend. Wie dicht war er denn dran?
"Also, ich würde mich mehr auf die Einheimischen verlassen, die kennen sich besser aus, als dein Kommissar Werner... wie heißt der Vogel? Es kann doch wohl nicht sein, dass ein Kriminalpolizist mit einem betroffenen Verwandten der vermeintlichen Opfer die weitere Vorgehensweise bespricht. Weiß er selber nicht weiter?"
Die zweite Augenbraue zieht sich nach oben. Diavolo!
"Kannst du nicht mal in so einer Situation deine Eifersucht beherrschen? Hier geht es nicht um dich oder um Einheimische oder Nichteinheimische, hier geht es um das Leben meiner Eltern! Und mein Kommissar, wie du so schön sagst, hilft mir wenigstens und tut etwas. Der geht nicht laufend essen und Wein trinken!"
Bruno spürt seine Galle, das ist ein ganz schlechtes Zeichen.
"Gut Carla, tu was du tun musst aber eine Frage hätte ich noch: hat dein Vater eine Auffälligkeit an der linken Hand, irgendein besonderes Kennzeichen?"
"Nein. Mein Vater hat ein besonderes Kennzeichen an der rechten Hand, ihm fehlen am kleinen Finger die letzten beiden Glieder. Das habe ich der Polizei auch mitgeteilt!"
Sie dreht sich abrupt um und verlässt das Hotel durch den Ausgang zu den Parkplätzen.
13
Es ist inzwischen nach 12:00 Uhr und Bruno ist der Appetit vergangen. Trotzdem setzt er sich in den "Alten Jager" und bestellt sich ein Bier und ein Wiener Schnitzel. Einmal im Urlaub muss er Wiener Schnitzel haben, möglichst mit Kartoffelsalat und nicht diesen langweiligen Pommes. Der Kellner bringt ihm das Bier und Bruno nimmt einen kräftigen Schluck. Dann lässt er sich alles nochmals durch den Kopf gehen.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass mein neuer Freund, Diplom-Bergretter Hermann, Recht hat. Carlas Eltern waren nicht auf dem Gletscher und sind somit auch nicht dort verunglückt. Da kann der Hauptmann oder Kommissar, wie auch immer, so entgegenkommend sein wie er will. Nie werdet Ihr dort oben jemanden finden! Aber das mit dem halben Finger, das ist doch endlich mal ein Hinweis. Rechts oder links, ist doch scheißegal. Dann hat sich der Busfahrer eben geirrt - oder? Da kommt mir ein sehr detektivischer Gedanke. Der Roman Gleyer hat die Fahrgäste bestimmt im Rückspiegel beobachtet, deshalb seitenverkehrt. Mist, dass ich mein Handy nicht dabei habe, sonst könnte ich ihn gleich fragen.
Das Schnitzel ist ein Gedicht. Es ist eindeutig in der Pfanne gebraten, in sehr viel Fett und deshalb so schön goldgelb und kross. Da braucht er noch ein Bier, ein kleines. Auch der Kartoffelsalat schafft den Spagat zwischen zu viel und zu wenig Säure und die Kartoffeln selber schmecken hier sowieso immer besser als zu Hause in Berlin. Er genehmigt sich zum Abschluss noch einen Großen Braunen. Dann zahlt er, gibt ein großzügiges Trinkgeld und verlässt gegen 13:30 Uhr den "Alten Jager." Er überlegt, wie er den Nachmittag sinnvoll verbringen könnte.
Vielleicht solltest du mal auf 's Zimmer und dein Handy holen.
Er setzt sich in seinen Subaru und stellt fest, dass er tanken muss. Nun gut, er kommt ja direkt an der Tankstelle vorbei. Vor ihm steht nur ein Wagen, ein alter Allrad-Toyota. Der Fahrer ist scheinbar gerade zum Bezahlen. Bruno überlegt, ob er sich auf der anderen Seite anstellen soll, da erscheint der Toyotafahrer. Er hat ihn gleich erkannt, Hermann Gleyer.
"Hallo Bruno, so schnell sieht man sich wieder. Wir haben übrigens die Suche da oben eingestellt. Hast du meinen Cousin getroffen?"
"Ja, er hat mich überzeugt mit dem, was er gesehen hat. Ich glaube auch nicht mehr, dass die Beiden auf dem Gletscher sind. Die Frage ist nur, wo sind sie dann?"
"Hast du schon gegessen? Ich habe jetzt Pause und könnte etwas vertragen. Da könnten wir uns weiter unterhalten"
Bruno ist einverstanden und sie verabreden sich im "Alten Jager", gleich gegenüber. Nach ein paar Minuten und 54 Litern Superbenzin sitzt Bruno wieder am gleichen Platz, wie vorhin. Hermann hat inzwischen bestellt, für Bruno nur ein Mineralwasser, wie besprochen. Hermann beginnt die Unterhaltung.
"Gehen wir einmal davon aus, dass das Ehepaar Weißensee wandern wollte. Also, zumindest sind sie ja in Richtung Gletscher gestartet und waren laut Leni, vom Monte Cristallo, auch entsprechend ausgestattet, sowohl Kleidung als auch Rucksack. Das Wetter war ideal und sie waren früh oben an der Talstation. Was hat sie nun bewogen, den Plan zu ändern? Es muss etwas Wichtiges und Verlockendes gewesen sein, etwas was beide mehr reizte, als eine Wanderung am Gletscher bei Kaiserwetter."
Bruno nippte lustlos an seinem Wasser.
"Also wenn das mit dem anderen unbekannten Typen stimmt, wovon ich mal ausgehe, dann muss er sie ja irgendwie erreicht haben, nachdem sie schon unterwegs waren. Bleibt eigentlich nur ein Mobiltelefon. Ich weiß von Carla, dass ihr Vater immer sein Handy dabei hat, schon aus Sicherheitsgründen. Das wiederum bedeutet, dass der große Unbekannte die Handynummer kannte, bzw. sie sich besorgt haben muss. Aber woher?"
"Denk nur laut weiter, ich esse inzwischen mein Schnitzel."
"Naja, ich müsste Carla fragen, ob sie sich erklären kann, wie ein Fremder an diese Nummer gekommen ist. Außerdem spricht einiges dafür, dass die Drei sich kannten oder besser gesagt kennen. Noch gehe ich davon aus, dass sie am Leben sind. Denke nur an die vertraute Begrüßung, die dein Cousin Roman beobachtet hat. Vielleicht kennen die sich ja wirklich schon lange und gut, so dass jeder auch von dem anderen die Kontaktdaten hatte. "
Hermann legt Messer und Gabel kurz zur Seite und nimmt einen kleinen Schluck von seiner Cola.
"Vergiss nicht, dass der andere auch mit Wanderkleidung und Rucksack ausgestattet war. Vielleicht waren sie auch von Anfang an woanders verabredet und die beiden haben das nur verschwitzt. Meistens sind die Busse zum Gletscher am Morgen so voll, dass sie vielleicht nicht rechtzeitig aussteigen konnten oder sie kannten sich mit dem Fahrplan aus und wussten ganz genau, dass es keinen Sinn macht, vorher auszusteigen. So saßen sie wenigstens warm und würden bequem den Rückbus an der Endhalte erreichen."
"Wie auch immer, Hermann, wir werden es vielleicht nie genau erfahren, aber Fakt ist für mich, dass wir woanders suchen müssen. Und da stellt sich die Frage, wo? Ich mache es mal ganz einfach, die Bushaltestelle an der Tankstelle ist die, wo auch alle aussteigen, die zur Elfergondel wollen. Also besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie dort hochgefahren sind. Dann müsste sie jemand gesehen haben. Ich werde es auf jeden Fall versuchen, mir fällt sonst nichts Besseres ein."
"OK, das ist immerhin eine Chance. Ich habe nachher noch eine Lagebesprechung und werde die neuesten Erkenntnisse einbringen. Auf keinen Fall können wir mit so hohem Aufwand an Ressourcen weitersuchen, wenn wir keinen konkreten Hinweis haben. Das kann ich nicht verantworten. Den Hubschrauber haben die Innsbrucker vorhin auch wieder abgezogen. Bruno, wir hören von einander."
Bruno steckt die Karte von Hermann Gleyer in sein Portmonee und gibt ihm dafür eine etwas verbogene Karte seines ehemaligen Ingenieurbüros.
"Nur die Handynummer stimmt. Alles andere kannst du vergessen."
Er steigt in seinen Wagen und fährt den kurzen Weg zurück, an der Bergwacht vorbei, bis zum Parkplatz an der Elfer Talstation. Es ist inzwischen nach 14:30 Uhr