Auf zum Nullarbor. Hermine Stampa-Rabe
Читать онлайн книгу.ich meine leeren Wasserflaschen mit, um sie zuerst bei der Anmeldung an irgendeinem Wasserhahn aufzufüllen. Aber die Anmeldung ist dicht. Und die nette Frau herausklingeln? Nein, das tue ich ihr nicht an. Vielleicht ist sie ja wieder anwesend, wenn ich vom Einkaufen zurückkomme.
So wandere ich in diesen kleinen, alten und hübschen Ort. Im Supermarkt kaufe ich ein. Ein junger Polizist steht bei der Kasse neben mir. Ich erkundige mich bei ihm, in welchem Gebiet von Australien es im Moment kühl ist. Da lächelt er und meint, dass es überall heiß ist. - Also weiterradeln!
Auf dem Rückweg liegt der Bahnhof zwischen mir und dem Caravan-Park. Vielleicht kann ich mich während der Bullenhitze dort aufhalten. Und tatsächlich! Hier ist es wunderbar kühl. Auch gibt es einen Tisch, einen Bürostuhl und eine freie Steckdose. Ein weiches Sofa steht außerdem zur freien Verfügung. Darauf nehme ich Platz, esse meine Banane auf und trinke. Dabei denke ich an meinen Mann Klaus-Otto, der mir jeden Morgen zu Hause eine Banane mit einem Liebesbrief beschreibt. Diesen Liebesbrief denke ich mir nun einfach darauf. Gleich schmeckt sie mir noch besser.
Aus meinem Zelt, das in der glühenden Sonne brät, hole ich meinen Laptop hervor, stelle mein gekauftes Essen ins Zelt und nehme die Plastiktüte mit den leeren Trinkflaschen mit. Gerade möchte eine Frau, die hier beschäftigt ist, vom Platz fahren. Ich frage sie nach einem Wasserhahn mit Trinkwasser. Nein, meint sie. So etwas gibt es hier nicht. Ich könne aber in der Anmeldung fragen, ob ich von dem aufgefangenen Regenwasser meine Trinkflaschen füllen darf.
Als ich das höre, bekomme ich ein richtig schlechtes Gewissen. Nein, das kostbar aufgefangene Regenwasser möchte ich ihnen nicht wegnehmen. Denn hier regnet es ja nur selten. Deshalb nehme ich meine Trinkflaschen mit zum Bahnhof, um hinterher im Supermarkt große Wasserflaschen zu kaufen und meine mit diesem Wasser aufzufüllen.
Im Bahnhof unterhalte ich mich mit einer Frau, die vor 23 Jahren mit ihrem Mann aus England hierher ausgewandert war, nachdem er in Rente gekommen war. Sie fühlen sich hier sehr wohl und haben nicht die Probleme wie die deutschen Emigranten: anderes Geld, andere Sprache, andere Maße und andere Verkehrsrichtung.
Während ich mit der zweiten Frau spreche, die hinter dem Tresen steht, zeigt mir diese die Reklame für den „Pichi Richi-Zug“, eine Oldtimer Eisenbahn, die im Herbst hier die vielen Touristen durch die Flinders Range fährt. Von meinem gestrigen Engel wusste ich, dass diese Eisenbahnfahrt auch ein Anziehungspunkt ist, weil auf der Hälfte der Fahrt Essen ausgeteilt wird. Und als sie hört, dass ich über meine Fahrradtour ein Buch schreiben werde, bestellt sie sich schon gleich ein Exemplar vor. Sie erzählt mir, wie sie es macht, wenn sie in dieser Bullenhitze in ihrem Garten arbeiten muss: ein feuchtes, dünnes Fleece-Handtuch vor Mund und Nase und eins ins Genick binden. Dann soll ich so viel trinken, dass ich dauernd zur Toilette muss. Aber sooo viel kann ich gar nicht während des Fahrradfahrens trinken. Dann kann ich mich nicht mehr tief genug beim Fahrradfahren auf meinen Rennlenker beugen.
An meinen Verwandten, Hans in Melbourne, schreibe ich per Email: „Hans, ich weile im Moment in Quorn. Und da ich aufgrund der Bullenhitze nachts nicht radeln will und auch davor gewarnt wurde, weil dann die heimischen Tiere auf der Straße herumlaufen oder diese sie überqueren, möchte ich dich fragen, wo es im Moment in Australien nicht so höllisch heiß ist.“
Daraufhin erhalte ich per Email diese Antwort: „Hier in Victoria haben wir nur 22°C. Die Tiere wären keine Gefahr für dich. Alle freundlich – Kangaroos, Echidnas, Wombats. Nur für die Autos sind sie gefährlich. Hans“ „Wenn du hier ankommst, ist es auch wieder heiß. 40+ morgen. Hans“
Dann kann ich also getrost morgen schon früher losradeln. Hoffentlich springt mir kein Känguru oder Emu ins Laufrad.
Es ist jetzt 15.40 Uhr und ich habe schon wieder Hunger. Außerdem möchte ich packen, um morgen sehr früh starten zu können. Hoffentlich höre ich meinen Wecker. Als ich wieder auf mein in der Sonne bratendes Zelt zugehe, kommt mir ein Gedankenblitz, den ich sofort in Angriff nehme: In meiner Nähe steht ein Häuschen für Eltern mit Kindern. Darin zu sitzen, erhielt ich bei der Anmeldung die Erlaubnis. Nun räume ich mein ganzes Zelt aus und trage meine Sachen dort hinein. Danach hole ich mein auch in der Sonne schmorendes Rad vor das Häuschen in den Schatten und schliesse es an. Dabei fällt mir das Gespräch mit der ersten Frau am Bahnhof ein, die mir erzählte, dass sie heute früh in ihrer Wohnung eine giftige Spinne entdeckte und tötete. Die giftigen sind oben auf dem Rücken rot. So suche ich die Stube nach eventuellen Spinnen ab. Und tatsächlich sitzt eine im Knick des Türrahmens. Na, die versetze ich gleich ins Reich der ewigen Träume. Auch das lange Sofa aus Kunststoff, das aus großen auf der Erde liegenden Teilen besteht, rücke ich von der Wand etwas ab. Es sieht so aus, als würden da hinten in der Falte zwischen Steinfußboden und Steinwand irgendwelche dunklen Sachen kleben. Habe kurzentschlossen einfach das große Sofa wieder fest darangeschoben. Da kommt über Nacht bestimmt nichts raus. Auf diesem Sofa möchte ich schlafen und stelle meinen Wecker. Mir fallen vor Müdigkeit dauernd die Augen zu.
17.01. 2013: Quorn – Wilmington: 41 km
Als mein Wecker um 4.20 Uhr klingelt, stehe ich auf. Draußen ist es noch stockfinster. Ich wundere mich, weshalb das Geräusch der Wasserspülung in der Toilette wie ein Echo von draußen wieder zurückschallt. Da fällt mir mein Engel von gestern ein, der mir erzählte, dass die rosa Gallahs Geräusche nachahmen. Sie sind sehr gelehrig und können in Gefangenschaft bei richtiger Behandlung bald sprechen. Und draußen sitzen sie massenweise in den hohen Bäumen. Vielleicht saß einer auf dem Dach dieser sanitären Anlage? Warum nicht? Denn ich befinde mich allein auf dem Campingplatz.
Eigentlich wollte ich in der Dunkelheit starten. Meine Packtaschen stehen abreisebereit in der Stube. Aber ein Blick an die Glastür läßt mich diesen Wunsch gleich wieder vergessen. Im Zimmer brennt das Licht. Draußen ist es finster. Und was sehe ich an meiner Glastür? Daran schwirren viele große Flügeltiere herum, die gern herein möchten. Sie haben die Größe von Hornissen, sehen aber grau aus. Sie versuchen, sich gegenseitig mit ihrem Stachel des Hinterleibes zu stechen. Und da soll ich die Tür öffnen? Nein, das geht tatsächlich nicht. Die wären alle hereingekommen. So lege ich mich auf mein Sofa und warte die Zeit ab, bis es draußen hell ist. Und mit der Helligkeit verschwinden meine unerwünschten Zaungäste.
Wunderschön orange färbt sich der Himmel am Horizont. Mit dem fertig bepackten Rad starte ich um 6.30 Uhr in den ruhigen Morgen. Meine zu fahrende Straße kenne ich. So verlasse ich diesen freundlichen Ort und radle auf einer heilen Teerstraße Richtung Wilmington hinaus. Kurz darauf schiebt sich die Sonne über den Horizont und taucht alles in ihren strahlenden Schein. Vor mir breitet sich plattes und wild bewachsenes Gelände aus. Hinter mir lasse ich die Berge der Flinders Range zurück.
Rechts am Wegesrand liegt ein totes Känguru, muss in der Nacht angefahren worden sein. Ein männliches Tier ist es nicht. Vielleicht befindet sich im Beutel noch ein Junges? Das Tier liegt aber auf dem Bauch. Und ich mag es nicht umdrehen. Was soll ich mit einem jungen Känguru-Baby anfangen? Nein, das geht tatsächlich nicht.
So radle ich weiter. Die Luft ist mit 26°C angenehm kühl. Aber mit der Zeit beginnt die Sonne, mir ihre feurige Glut entgegen zu schleudern. Die heutige Strecke bis Wilmington soll nur 40 km betragen. Und auf dieser Entfernung möchte ich die Hitze unbedingt aushalten.
Von Zeit zu Zeit überquere ich eine kleine Vertiefung, die zu einem Fluss gehört, der aber nun in dieser Jahreszeit ausgetrocknet ist. In der Mitte der Vertiefung der Straße steht jeweils ein Wasserstandsanzeiger mit einem Pegelstand bis 2 m. Wenn ich nun nach rechts und links sehe, erblicke ich große und alte Bäume beidseitig des trockenen Flussbettes. Im Untergrund scheint weiterhin Wasser vorhanden zu sein, denn sonst wären diese urigen und knorrigen großen Bäume schon längst abgestorben. Ich radle weiter.
Schafherden grasen mal links, mal rechts. Eine Herde steht auf einem umgepflügten Acker. Was sie da fressen sollen und können, bleibt mir rätselhaft. Auch Pferde grasen auf einer anderen Weide.
So langsam nähere ich mich Wilmington. Vor mir hat sich eine weitere Gebirgskette aufgebaut. Davor muss mein gewünschtes Ziel liegen, kann es aber beim besten Willen nicht entdecken.
Ein Fuchs schnürt