Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

Читать онлайн книгу.

Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


Скачать книгу
von diesem Mädchen – Bedford heißt sie wohl?«

      »Ja. Bisher hat sie in Fontwell gewohnt.«

      »Und Mrs. Elton – ist sie nicht auch eine geborene Bedford?«

      »Ja, unter dem Namen hat sie geheiratet.«

      »Hm – ob dieses Mädchen –? Sie wohnt jetzt im Palace-Hotel? Wir brauchten eigentlich notwendig einen weiblichen Detektiv, und sie war noch dazu Sekretärin von Malpas –«

      »Ich glaube, Shannon ist in sie verliebt.«

      »So?« erwiderte Stormer zerstreut. »Na, einem hübschen Mädchen macht jeder Mann den Hof. Das hat weiter nichts zu sagen. Aber Shannon möchte ich ganz gern mal sprechen.«

      Er griff nach dem Telephonhörer.

      Willitt schlug ein Notizbuch auf und nannte erst die Nummer von Dicks Privatwohnung. Stormer rief an und hatte Glück, denn Dick war eben nach Hause gekommen.

      »Hören Sie, Shannon, ich habe Ihnen doch gelegentlich schon geholfen – wie Sie wissen, machte ich Sie auf Slick Smith aufmerksam, als der herüberkam.«

      »Ganz recht, aber hier bei uns benimmt er sich geradezu musterhaft!« erklärte Dick lachend.

      »Den Anschein gibt er sich gewöhnlich. Irgendwie muß er doch seinen Unterhalt erwerben. Aber ich habe Sie nicht seinetwegen angerufen. Es ist Ihnen doch bekannt, daß der verstorbene Marshalt uns mit der Bewachung seines Hauses beauftragt hatte. Wir setzen unsere Tätigkeit natürlich fort, bis seine Anwälte den Auftrag zurückziehen, und es wäre mir lieb, wenn Sie meine Leute inzwischen gewähren ließen. Ich habe ihnen befohlen, der Polizei nach Kräften beizustehen und ihr nichts in den Weg zu legen.«

      »Sehr liebenswürdig. Ich begreife Ihre Verlegenheit.«

      »Das bezweifle ich. Sagen Sie, haben Sie eigentlich den Herrn gesehen, den Marshalts Anwälte angestellt haben, um sein Haus zu bewachen?«

      »Gesehen habe ich ihn.«

      »Betrachten Sie ihn einmal genau!« Stormer lachte und hängte an.

      Er kicherte noch vor sich hin, als er zu Tisch ging. An diesem Abend speiste er in Audreys Hotel, und nach dem Essen schlenderte er in die Halle hinaus.

      »Haben Sie noch ein Zimmer frei?« erkundigte er sich bei dem Portier. »Ich sehe eben, daß ich heute nicht mehr nach Hause kommen kann.«

      Der Angestellte schlug im Register nach.

      »Sie können Nr. 461 haben.«

      »Das ist mir zu hoch. Ich möchte ein Zimmer im zweiten Stock haben.«

      Wieder blätterte der Portier in dem Heft.

      »Nr. 250 und 270 sind frei.«

      »Schön, dann geben Sie mir Nr. 270. Siebzig ist meine Glückszahl.«

      Audrey wohnte in Nr. 269.

      Audrey war den ganzen Tag unterwegs gewesen, um sich Arbeit zu verschaffen. Dick Shannon hatte sie nichts davon gesagt, denn sie hatte ihn so gern, daß sie davor zurückscheute, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schließlich hatte sie sich an den Redakteur eines Blattes gewandt, für den sie früher ab und zu Artikel über Hühnerzucht geschrieben hatte, und dieser hatte sie auf ihre Anfrage hin kommen lassen und ihr eine Stellung in der Redaktion seines Fachblattes angeboten. Das Gehalt war nicht hoch, und Audrey verbrachte den letzten Teil des Tages damit, eine billige Wohnung zu suchen. Zu ihrer Freude fand sie in der Nähe der Redaktion ein behagliches Zimmer und teilte dem Portier bei ihrer Rückkehr mit, daß sie ausziehen würde.

      Gegen Abend sprach Dick Shannon bei ihr vor, der durch einen seiner Leute von ihrem bevorstehenden Umzug benachrichtigt worden war. Sie war etwas betreten, als er ihr verriet, daß er über ihr Tun und Lassen genau unterrichtet sei.

      »Es ist mir aber doch lieb, daß Sie gekommen sind«, meinte sie nach einer Weile. »Ich wollte Ihnen noch etwas zeigen.«

      Sie öffnete ihre Handtasche, nahm den kleinen Kieselstein heraus und legte ihn in seine ausgestreckte Hand. Er starrte verwundert darauf, drehte ihn hin und her und prüfte das Siegel.

      »Woher haben Sie das Ding nur?« fragte er sie bestürzt.

      Sie erzählte ihm, wo sie es gefunden hatte.

      »Was ist es denn?«

      »Ein Diamant – noch ungeschliffen. Er wird ungefähr achthundert Pfund wert sein.«

      »Ist das wirklich wahr?« fragte sie verblüfft.

      »Ja, ganz gewiß. Das Siegel ist von der Minengesellschaft. Darf ich ihn behalten?«

      »Ja, natürlich.«

      »Weiß jemand etwas davon?«

      »Nein«, erwiderte sie etwas zögernd. »Höchstens Mr. Malpas. Als ich mir neulich meinen Zimmerschlüssel ausbat, und er nicht da war, nahm ich alles, was ich in meiner Tasche hatte, heraus und legte es auf den Tisch, bis ich den Schlüssel in dem zerrissenen Futter fand.«

      »Dabei wird er ihn gesehen haben – er oder einer seiner Agenten!« rief Dick erregt. »Und deshalb versuchte er wahrscheinlich gestern, Sie zu fassen.«

      Audrey seufzte, als sie in ihr Zimmer zurückkehrte. Es fehlte nicht viel daran, daß sie sich nach ihrem Hühnerhof in Fontwell zurücksehnte. Aber es war immerhin ein Trost, daß sie neue und nicht unangenehme Arbeit gefunden hatte, und so schlief sie denn bald ein und erwachte erst nach langen Stunden, als etwas Kaltes, Klebriges ihr Gesicht berührte.

      »Audrey Bedford, ich komme, um dich zu holen«, sagte eine dumpfe Stimme.

      Mit einem Schrei fuhr sie empor. Es war ganz dunkel – nur ...

      Kaum eine Elle von ihrem Kopf entfernt schwebte scheinbar in der Luft ein matt und sonderbar beleuchtetes Gesicht ...

      Wie versteinert starrte sie in die schmerzverzerrten Züge Lacy Marshalts ...

      »Die junge Dame hat einen schweren Nervenzusammenbruch erlitten. Ich habe nach einem Arzt und einer Pflegerin telephoniert.«

      »Wissen Sie, was ihr zugestoßen ist?« fragte Dick. Er stand im Schlafanzug neben seinem Bett und hielt den Hörer in der Hand.

      »Nein, Captain. Der Nachtportier im ersten Stock hörte einen gellenden Schrei, und als er hinaufrannte, stand Miß Bedfords Tür auf. Er sah, daß sie ohnmächtig war, und ließ mich holen. Ich war unten in der Halle.«

      »Keine Spur von Malpas?«

      »Nicht die geringste. Jemand muß wohl versucht haben, sie zu überfallen, denn der Herr, der nebenan wohnt, wurde besinnungslos am anderen Ende des Ganges aufgefunden. Wahrscheinlich hat er mit einem Gummiknüppel einen Hieb über den Kopf erhalten. Er ist ins Krankenhaus gegangen, um sich verbinden zu lassen.«

      Kurze Zeit später traf Dick im Hotel ein. Audrey hatte sich inzwischen ein wenig erholt. Sie saß in einem Morgenrock an dem Gasofen – sehr bleich, aber wie gewöhnlich ruhig und gefaßt.

      »Ich kann weiter nichts erzählen, als daß ich Mr. Marshalt sah.«

      »Sie auch!« Dick biß sich auf die Lippen. »Wir hatten gestern abend dieselbe Vision. Das bedeutet also, daß Marshalt noch lebt und in der Gewalt dieses Teufels ist. Gestern abend fanden wir eine Spritze in seinem Haus. Die Flüssigkeit wurde analysiert – es ist ein Gemisch von Hyoscin, Morphium und einem anderen noch nicht festgestellten Betäubungsmittel, mit dem man einen Menschen in vollkommene Bewußtlosigkeit versetzen kann. Heute erhielt ich auch einen Brief von Malpas.« Er nahm ein mit Maschine geschriebenes Blatt aus seiner Tasche. »Dies ist nur eine Abschrift. Das Original wird auf Fingerabdrücke geprüft.«

      Audrey griff danach und las:

      »Wenn Sie kein Dummkopf sind, müssen Sie gestern etwas entdeckt haben. Marshalt ist nicht tot, denn er trug eine kugelfeste Weste, wie Sie bemerkt haben würden, wenn Sie ihn untersucht hätten,


Скачать книгу